Sprengstoff-Funde in Ingolstadt

In Ingolstadt ist die Bevölkerung durch Informationen aufgeschreckt worden, wonach inmitten des neuen, inzwischen von Tausenden von Menschen bewohnten Stadtteils Bei der Hollerstaude im Boden ganze Sprengstoffdepots vorhanden sind. Die in Bayern mit der Beseitigung bzw. Entsorgung von Bombenfunden beauftragte Firma Röhll hat die Staatsregierung nach der Berichterstattung in den Medien vor langer Zeit über die Existenz dieser Lager informiert. Die Erkenntnisse stammen sogar aus einer Zeit, als mit der Bebauung des neuen Stadtviertels Bei der Hollerstaude noch gar nicht begonnen worden war.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Wann und von wem wurde die Staatsregierung über die Sprengstoffunde informiert?

2. Warum wurden die Stadt Ingolstadt und die Grundstücksbesitzer nicht über die Existenz der Depots unterrichtet?

3. Wie wird von Seiten des zuständigen Ministeriums mit der Meldung von derartigen Funden verfahren?

4. Gibt es andere Städte und Gemeinden in Bayern, auf deren Gebiet nach Kenntnis der Staatsregierung Funde in vergleichbarem Umfang gemacht wurden, ohne dass die Kommunen darüber informiert wurden?

5. Befürchtet die Staatsregierung, dass aufgrund der Nichtinformation der betroffenen Grundstücksbesitzer Regreßansprüche entstehen?

6. Wer ist für die Beseitigung der Funde zuständig und wer muß für die Finanzierung aufkommen?

7. Besteht durch die im Boden gelagerten Materialien eine Gefährdung für das Grundwasser?

Vorbemerkungen:

Im Bereich des Baugebietes Hollerstauden in der Stadt Ingolstadt stand früher das Fort Haslang, ein Bauwerk der ehemaligen Landesfestung. Bei Erdbewegungen im Zusammenhang mit Baumaßnahmen gab es dort Funde von militärischem Sprengstoff aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges:

Im Mai 1988 325 kg, im Juni 1991 450 kg sowie im August 1998 200 kg. Bei der kürzlich von der Stadt Ingolstadt veranlaßten systematischen Öffnung noch vorhandener unterirdischer Hohlräume (Minengänge) wurden am 12.10. nochmals 255 kg Sprengstoff entdeckt.

Bei den Sprengstoff-Funden handelt es sich nicht um Sprengstoff-Depots im üblichen Sinne, sondern offensichtlich um Restmengen des zur Zerstörung des Bauwerks im Herbst 1945 durch die US-Army eingebrachten Sprengstoffs, die bei der Sprengung nicht zur Wirkung gekommen sind. In Folge der durch die Detonation verursachten Verschüttungen blieben diese Sprengstoffmengen in der nachfolgenden Zeit verborgen.

Schriftliche Aufzeichnungen über die ursprüngliche Anordnung der Minengänge und den damals von den Amerikanern zur Sprengung in das Bauwerk eingebrachten Sprengstoff liegen nicht vor.

Zu 1.: Das Staatsministerium des Innern erhält seine Informationen über Kampfmittelfunde von der mit der Erledigung der Kampfmittelbeseitigung in Bayern beauftragten Fachfirma aus den regelmäßig vorzulegenden Arbeitsberichten. Darin sind auch alle vorstehend genannten Sprengstoff-Funde aufgeführt.

Zu 2.: Kampfmittelfunde werden erfahrungsgemäß der nächsten Polizeidienststelle gemeldet; in den maßgeblichen Fällen aus den Jahren 1988 und 1991 ist die PI Ingolstadt ausweislich der unter 1. genannten Arbeitsberichte unterrichtet gewesen.

Nach der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 22.01.1974 (MABl S. 120) über die Beseitigung aufgefundener Kampfmittel verständigt die Polizei fernmündlich das zuständige Sprengkommando und unterrichtet gleichzeitig die betroffene Gemeinde, bei größeren Mengen explosionsgefährlicher Stoffe auch die Kreisverwaltungsbehörde. Die jeweils veranlaßten Maßnahmen halten die Polizeiinspektionen im sog. Neuigkeitsbogen fest. Wegen der festgelegten relativ kurzen Aufbewahrungsfrist dieser Unterlagen kann aber bei der PI Ingolstadt nicht mehr festgestellt werden, welche weiteren Behörden/Dienststellen über die Funde in den Jahren 1988 und 1991 informiert worden sind. Nachdem dieses Meldeverfahren allen Polizeidienststellen aber hinreichend bekannt ist, ist eher unwahrscheinlich, dass die Stadt Ingolstadt seinerzeit nicht unterrichtet worden ist. Im übrigen hatte der Donau-Kurier über den Sprengstoff-Fund im Mai 1988 in seiner Ausgabe vom 11.05.1988 berichtet.

Der Sprengstoff-Fund im August 1998 wurde dem Sprengkommando von der bauausführenden Firma gemeldet, nachdem sie nach eigenem Bekunden von einer städtischen Dienststelle dorthin verwiesen wurde.

Die Grundstücksbesitzer über die Gefährdungslage zu unterrichten, wäre erforderlichenfalls Aufgabe der örtlichen Sicherheitsbehörde.

Zu 3.: Prinzipiell ist dem Sprengkommando bei der Meldung von derartigen Funden aufgegeben, die Kampfmittel zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit umgehend zu beseitigen.

Darüber hinaus unterrichtet das Sprengkommando das Staatsministerium über besonders sicherheitskritische Vorfälle sofort, im übrigen zeitnah durch Übersendung der Arbeitsberichte.

Dem Kampfmittelbeseitigungsdienst (Sprengkommando) werden jährlich immer noch zwischen 800 und 1.

Kampfmittelfunde gemeldet. Die Meldungen betreffen nicht selten Funde von Munitionsgegenständen mit einem Gesamtgewicht von bis zu mehreren 100 kg. Insoweit war der Fund von amerikanischem Sprengstoff an dieser Stelle vor dem Hintergrund der Kenntnisse über die Zerstörung des Bauwerks nicht ungewöhnlich.

Zu 4.: Nein.

Zu 5.: Nein.

Wie bereits in den Vorbemerkungen ausgeführt, konnte und mußte die Existenz des bei den Zerstörungssprengungen nicht zur Wirkung gekommenen Sprengstoffs bis zu seinem Auffinden niemandem bekannt sein. Aus dem sporadischen Fund eines Kampfmittels lassen sich in der Regel keine konkreten Schlußfolgerungen über das Vorhandensein weiterer Kampfmittel ziehen.

Zu 6.: Nachdem aufgefundene Kampfmittel vorsorglich stets als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu betrachten sind, fällt deren Beseitigung in den Aufgabenbereich der örtlichen Sicherheitsbehörden. Weil jedoch diese Behörden nicht über die zur sachgerechten Beseitigung erforderlichen Kenntnisse und Entsorgungseinrichtungen verfügen, stellt ihnen das Staatsministerium des Innern den aus dem Staatshaushalt finanzierten Kampfmittelbeseitigungsdienst unentgeltlich zur Verfügung, der alle im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen erledigt.

Zu 7.: Bei Sprengstoff-Funden ist grundsätzlich von einer Gefährdung des Grundwassers auszugehen, wenn die Funde im Grundwasserschwankungsbereich liegen oder eine Auswaschung durch Niederschlagswasser möglich ist. TNT und seine Abbauprodukte sind von der Kommission Bewertung wassergefährdender Stoffe als wassergefährdende bis stark wassergefährdende Substanzen eingestuft. In die im Zusammenhang mit den Sprengstoff-Funden im ehemaligen Fort Haslang laufenden Untersuchungen ist das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt mit eingebunden.