Waffenbesitz in Bayern

Vor dem Hintergrund des Amoklaufes in Bad Reichenhall am 1. 11. 1999 fragen wir die Staatsregierung:

1. a) Wie viele Personen haben derzeit in Bayern eine Waffenbesitzkarte (WBK) und in welche Gruppen lassen sich diese Personen gliedern?

b) Wie viele Personen sind derzeit in Bayern im Besitz eines Waffenscheines und in welche Gruppen lassen sich diese Personen gliedern?

c) Wie viele Waffen sind derzeit in Bayern registriert?

2. a) Wie hoch ist nach den Erkenntnissen bzw. Schätzungen der Behörden die Zahl der illegal besessenen Waffen in Bayern?

b) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, diesem Mißstand abzuhelfen?

c) Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung hierzu ergreifen?

3. a) Wie hoch ist nach den Erkenntnissen bzw. Schätzungen der Behörden die Zahl der Waffen in Bayern, für deren Besitz nach derzeitigem Recht keine Waffenbesitzkarte erforderlich ist?

b) Besteht nach Ansicht der Staatsregierung Bedarf, auch solche Waffen einer WBK-Pflicht zu unterwerfen (Kleiner Waffenschein)?

c) Für welche Waffen hält die Staatsregierung einen kleinen Waffenschein für erforderlich, für welche nicht?

4. Aus welchen Gründen wurde seit dem Jahr 1992 die Gesamtstatistik über den Stand des Waffenbesitzes in Bayern nicht mehr fortgeschrieben?

5. a) Welche Position vertritt die Staatsregierung zum Waffenbesitz von Jugendlichen?

b) Wird sich die Staatsregierung dafür einsetzen und gegebenenfalls warum, das Privileg, dass Inhaber von Jugendjagdscheinen bereits ab dem Alter von 16 Jahren ohne Bedürfnisprüfung Jagdlangwaffen besitzen dürfen, abzuschaffen?

c) Hält die Staatsregierung weiterhin an ihrer Einschätzung fest, dass die Absenkung der Altersgrenzen für Sportschützen auf 10 Jahre sich bewährt hat, wie in der Pressemitteilung des Nr. 118/99 vom 12.3. vom Innenminister geäußert?

6. Welche Maßnahmen hält die Staatsregierung für geeignet, die sichere Aufbewahrung von Waffen sicherzustellen?

7. a) Wie wird beim Vererben von Waffen sichergestellt, daß die Waffe abgegeben oder eine WBK beantragt wird?

b) Wird beim Todesfall eines Waffenbesitzers nachgeprüft, ob sich die Waffe tatsächlich im Besitz des Erben befindet?

8. Mit welchen Initiativen welchen Inhalts wird die Staatsregierung zur Novellierung des Waffenrechts beitragen?

Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 28.12.

Vorbemerkung:

1. Das Waffengesetz regelt primär den Umgang mit Schußwaffen. Darüber hinaus sind im Waffengesetz aber auch Regelungen enthalten, die den Umgang mit anderen gefährlichen Gegenständen betreffen. Bei der Beantwortung der Anfrage gehen wir davon aus, dass sich die Fragen nur auf Schußwaffen beziehen.

2. Eine regelmäßige Statistikerhebung zum Waffenbesitz findet in Bayern nicht statt. Eine derartige Erhebung wurde einmalig im Jahr 1992 mit erheblichem Verwaltungsaufwand aus Anlaß der Vorarbeiten zur Novellierung des Waffengesetzes durchgeführt. Die Beantwortung der Anfrage erfolgt auf Basis der damals erhobenen Daten unter Berücksichtigung, dass sowohl die Zahl der Waffenbesitzer als auch die Gesamtzahl der Waffen entsprechend gestiegen ist. Als Steigerungssätze werden dabei aufgrund der Erfahrungen von Kreisverwaltungsbehörden für den Zeitraum 1993 mit 1999 bei der Anzahl der Personen 20 % und bei der Anzahl der Schußwaffen 25 % angesetzt.

Von einer erneuten umfassenden statistischen Erhebung haben wir zur Vermeidung eines weiteren erheblichen und nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwands abgesehen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorbemerkung beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu 1. a):

Ca. 500.000 Personen

Die Personen gliedern sich in verschiedene Bedarfsgruppen.

Zu nennen sind hier vor allem Jäger, Sportschützen, Altbesitzer, Erben, Waffensammler und gefährdete Personen. Eine zahlenmäßige Aufschlüsselung dieser Gruppierungen ist unter Hinweis auf die Vorbemerkung nicht möglich.

Zu 1. b):

Ca. 6.600 Personen

Hier ist zwischen den Gruppen der berufsmäßigen Waffenscheininhaber wie z. B. Bewachungsunternehmen und Bewachungspersonen und der relativ kleinen Gruppe der persönlich gefährdeten Personen zu unterscheiden. Eine zahlenmäßige Aufgliederung ist unter Hinweis auf die Vorbemerkung nicht möglich.

Zu 1. c):

Der Waffenbesitz in Bayern wird auf ca. 1,25 Millionen geschätzt.

Zu 2. a):

Über die Höhe des illegalen Waffenbesitzes ist naturgemäß den Behörden eine Aussage nicht möglich.

Die Zahl der sichergestellten illegalen Schußwaffen liegt im Durchschnitt bei ca. 2.000 Waffen im Jahr.

Zu 2. b) und c):

Zur Bekämpfung der gesamten Waffenkriminalität, d.h. illegaler Besitz, illegales Führen oder Überlassen, illegales Herstellen oder Bearbeiten sowie illegaler Handel oder die Einfuhr von Waffen/Munition, werden alle rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere auch aus dem Bereich der verdeckten Ermittlungen (wie z. B. Einsatz von V-Personen oder Verdeckten Ermittlern) ausgeschöpft, um diesen aus der Natur der Sache heraus höchst gefährlichen Deliktsbereich intensiv zu bekämpfen.

Ein vorrangiges Ziel polizeilicher Maßnahmen ist es, den Waffenfluß aus dem Ausland einzudämmen, insbesondere durch die konsequente Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5

Polizeiaufgabengesetzes, um die illegale Waffenbeschaffung im Inland zu unterbinden.

Zu 3. a):

Die Zahl der Schußwaffen, für deren Besitz keine Waffenbesitzkarte erforderlich ist, ist nicht bekannt.

Diese Waffen werden seit jeher ohne Registrierung veräußert. Seriöse Schätzungen über die Zahl dieser Waffen sind daher nicht möglich. Es wird davon ausgegangen, daß die Zahl der erlaubnisfreien Waffen die Zahl der erlaubnispflichtigen Waffen um ein Mehrfaches übersteigt.

Zu 3. b): Nein. Grundsätzlich ist zwischen der Waffenbesitzkarte, die für den Erwerb erlaubnispflichtiger Schußwaffen erforderlich ist, und dem Waffenschein, den man für das Führen bestimmter Schußwaffen benötigt, zu unterscheiden. Eine Ausweitung der Waffenbesitzkartenpflicht auf bislang waffenbesitzkartenfreie Schußwaffen wird derzeit nicht für erforderlich gehalten.

Zu 3. c):

Zur Verhinderung des Mißbrauchs von Schreckschuß-, Reizstoff- und Signalwaffen, d.h. von Schußwaffen, für die zum Führen nach dem derzeit geltenden Waffengesetz kein Waffenschein erforderlich und deren Bauart zugelassen ist, soll künftig ein kleiner Waffenschein eingeführt werden. Eine Person, die derartige Schußwaffen zugriffsbereit außerhalb des befriedeten Besitztums mit sich führen will, bedarf künftig einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde, wobei die Zuverlässigkeit der Person überprüft werden soll. Ein derartiger kleiner Waffenschein ist nicht erforderlich für sonstige erlaubnisfrei zu erwerbende Schußwaffen, die bereits jetzt in vollem Umfang der Waffenscheinpflicht für das Führen unterliegen, wie z. B. die üblichen Luftgewehre.

Zu 4.: Vgl. Vorbemerkung.

Zu 5. a):

Die Staatsregierung hält daran fest, dass im Regelfall der Waffenbesitz an ein Mindestalter von 18 Jahren geknüpft sein soll.

Zu 5. b):

Es gibt kein Privileg von Jugendjagdscheininhabern, Langwaffen ohne Bedürfnis zu erwerben und zu besitzen, da als Bedürfnisgrund für den Erwerb von Jagdlangwaffen eine gültige jagdrechtliche Erlaubnis (der Jugendjagdschein) vorausgesetzt wird. Im übrigen setzt sich die Staatsregierung dafür ein, dass Inhaber von Jugendjagdscheinen grundsätzlich nur die zwingend erforderlichen Jagdlangwaffen besitzen dürfen.

Zu 5. c):

Die Staatsregierung hält es nach wie vor für vertretbar, daß Kindern nach dem neuen Waffengesetz ab 10 Jahren mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten das sportliche Schießen mit Luftdruckwaffen in Schützenvereinen auf zugelassenen Schießstätten unter Aufsicht und unter Betreuung von qualifizierten Übungsleitern gestattet wird. Dies hat ein Pilotversuch des Bayerischen Sportschützenbundes, der unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität München stattfand, bestätigt.

Zu 6.: Die Staatsregierung hat mit Beschluß des Ministerrats vom 21.12. 1999 eine Bundesratsinitiative beschlossen, derzufolge in der anstehenden Novellierung des Waffengesetzes auch die Vorschriften über das Aufbewahren von Schußwaffen verschärft werden sollen. Künftig sollen die materiellen Anforderungen an die Aufbewahrung von Schußwaffen und Munition verbindlich festgelegt und die Behörden verpflichtet werden, in jedem Einzelfall die konkreten Maßnahmen zur sicheren Aufbewahrung anzuordnen. Das Staatsministerium des Innern hat unabhängig davon in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und Verbänden bereits begonnen, im Vorgriff auf die bundesgesetzliche Regelung über die sichere Aufbewahrung eigene Festlegungen für Bayern zu erarbeiten.

Zu 7. a) und b):

Die zuständigen Behörden prüfen bei Bekanntwerden des Erbfalls in jedem Fall, ob die Schußwaffen vom Erben an andere Berechtigte abgegeben oder eine Waffenbesitzkarte durch den Erben beantragt wird.

Dies erfolgt durch teilweise erheblich arbeits- und zeitaufwendige Nachfragen und Ermittlungen bei anderen Behörden und bei als Erben in Frage kommenden Personen. Bei Vorliegen konkreter Hinweise auf Mißbräuche oder Verstöße gegen Rechtsvorschriften wird im Einzelfall auch festgestellt, ob der Erbe die Schußwaffe auch tatsächlich in Besitz hat, d.h. die tatsächliche Gewalt darüber ausübt.

Zu 8.: Die Staatsregierung hat sich an der Novellierung des Waffenrechts schon seit Jahren intensiv beteiligt und dabei eine Vielzahl von Forderungen erhoben. In der am 21.12.1999 im Ministerrat beschlossenen Bundesratsinitiative wird Bayern eine Verschärfung der Vorschriften über das Aufbewahren von Schußwaffen, die Einführung eines kleinen Waffenscheins für Schreckschuß-, Reizstoff- und Signalwaffen, das Verbot von Faust- und Butterflymessern sowie Wurfsternen und jeder Art von Spring- und Fallmessern und die effizientere Ausgestaltung der Kontrolle der Zuverlässigkeit von Inhabern einer waffenrechtlichen Erlaubnis fordern. Ziel aller Initiativen der Staatsregierung war und ist dabei die Wahrung der Interessen der Inneren Sicherheit unter Berücksichtigung der Forderung nach größerer Transparenz, Verwaltungsvereinfachung und stärkerer Entlastung der Bürger von unnötigen Erschwernissen und der berechtigten Belange der Bedarfsträger, insbesondere der Jäger und Sportschützen.

Das Bundesministerium des Innern bereitet nach unserer Kenntnis derzeit einen Referentenentwurf zur Novellierung vor, der nach Abstimmung auf Bundesebene den Ländern zugeleitet werden soll. Nach Vorliegen des Entwurfs wird das Staatsministerium des Innern nach Maßgabe der oben dargestellten Gesichtspunkte ggf. zusätzliche Forderungen erheben.