Arbeitsschutzgesetz

Angesichts des Volumens öffentlicher Bauaufträge trägt der Freistaat Bayern in seinem Zuständigkeitsbereich eine besondere Verantwortung für einen fairen Wettbewerb in der Bauwirtschaft. Die Fairness des Wettbewerbs ist zunehmend bedroht durch Lohn- und Sozialdumping im Bausektor. Vor allem kleinere und mittlere Bauunternehmen und ihre Beschäftigten werden im Wettbewerb benachteiligt, wenn sie Gesetze und Tarifverträge in vollem Umfang einhalten. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollten daher diese Unternehmen wieder bessere Chancen bekommen. Der ruinöse Unterbietungswettbewerb hat volkswirtschaftliche Schäden zur Folge, z. B. vermeidbare Arbeitslosigkeit und Ausfälle bei Steuern und Sozialversicherungen.

Die Tariftreue- und Nachunternehmererklärung in Bayern ist bisher nur im Verwaltungswege eingeführt, sie gilt nicht für alle öffentlichen Aufträge (nämlich nur für Aufträge des Freistaates, den Gemeinden z. B. ist die Übernahme dieser Regelung freigestellt) und hat zu wenig Verbindlichkeit.

B. Lösung:

Mit einem Vergabegesetz werden unter Ausschöpfung landesgesetzlicher Kompetenzen verbindliche Regeln für alle im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Bayern (Ausnahme: Aufträge im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung), seiner Kommunen und öffentlichen Einrichtungen zu vergebenden Bauaufträge festgelegt; Tarif- und Gesetzestreue werden Vergabevoraussetzungen.

C) Alternativen Keine D) Kosten

So weit Mehrkosten durch Verwaltungsaufwand anfallen, werden sie durch höhere öffentliche Einnahmen aufgrund geordneter (Arbeits-)Märkte ausgeglichen.

Bayerischer Landtag

14. Wahlperiode Drucksache14/2638

27.01.

Gesetzentwurf Gesetz über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge im Freistaat Bayern (Bayerisches Bauaufträge-Vergabegesetz ­ Art. 1:

(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind von allen öffentlichen Auftraggebern im Freistaat Bayern anzuwenden.

Wer öffentlicher Auftraggeber ist, bestimmt sich in sinngemäßer Anwendung des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

(2) Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind nicht anzuwenden, so weit öffentliche Auftraggeber im Auftrag des Bundes oder anderer außerbayerischer Auftraggeber tätig werden.

Art. 2:

(1) Öffentliche Bauaufträge dürfen nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden.

(2) Mittelständische Interessen sind durch Teilung der Bauaufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen.

Art. 3:

(1) Öffentliche Bauaufträge dürfen nur an solche Unternehmen vergeben werden, die Gewähr dafür bieten, dass sie

1. die auf sie anwendbaren Vorschriften über die Abführung von Steuern und Sozialbeiträgen,

2. die in ihrem Tätigkeitsbereich geltenden Tarifverträge,

3. die Bestimmungen gegen Schwarzarbeit, illegale Arbeitnehmerüberlassung, illegale Ausländerbeschäftigung,

4. die Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes,

5. die Sicherheitsvorschriften (Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Sicherheitsvorschriften der Berufsgenossenschaft) und

6. die strafbewehrten Umweltschutzvorschriften (§§ 324 bis 330 d des Strafgesetzbuches) einhalten.

(2) Öffentliche Bauaufträge sind durch den Auftragnehmer im eigenen Betrieb auszuführen. Eine Übertragung an Nachunternehmer kann durch den öffentlichen Auftraggeber bis zur Höhe von 30 v. H. des Auftragswertes gestattet werden; Kosten für Baustoffe, Bauteile und Geräte sind dabei dem Unternehmen zuzurechnen, das die Bauarbeiten ausführt. Voraussetzung für die Übertragung ist, dass Nachunternehmer sich mit Wirkung zugunsten des öffentlichen Auftraggebers zur Einhaltung dieses Gesetzes verpflichten. Eine weitere Übertragung eines Teils des Auftrages durch einen Nachunternehmer ist ausgeschlossen.

(3) Bestehen Zweifel an der Einhaltung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Anforderungen, kann der öffentliche Auftraggeber vom Auftragnehmer entsprechende Nachweise verlangen.

Art. 4:

(1) Unbeschadet der Vorschrift des Art. 3 Absatz 3 hat der Bieter bei der Abgabe eines Angebots vorzulegen

1. einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister; der Auszug darf nicht älter als drei Monate sein; Bieter mit Sitz im Ausland haben eine gleichwertige Bescheinigung ihres Herkunftsstaates einschließlich einer Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen;

2. aktuelle Nachweise der zuständigen in- oder ausländischen Finanzbehörde, des zuständigen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträgers und der zuständigen Sozialkasse des Baugewerbes über die vollständige Entrichtung von Steuern und Beiträgen; bei fremdsprachigen Bescheinigungen ist eine Übersetzung in die deutsche Sprache beizufügen;

3. eine von der betrieblichen Interessenvertretung bestätigte Erklärung darüber, dass er die am Ort der Auftragsausführung geltenden Tarifverträge einhält; besteht im Betrieb des Bieters keine betriebliche Interessenvertretung, so ist die Bestätigung der örtlich zuständigen Untergliederung der Arbeitnehmertarifvertragspartei vorzulegen.

(2) Soll die Ausführung eines Teils des Auftrags einem Nachunternehmer übertragen werden, so sind bei der Abgabe des Angebots auf den Nachunternehmer lautende Nachweise gemäß Absatz 1 vorzulegen.

(3) Werden die nach den Absätzen 1 und 2 verlangten Nachweise nicht vorgelegt, ist das Angebot von der Wertung auszuschließen.

Art. 5:

(1) Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, zur Durchführung von Stichprobenkontrollen Einblick in die Lohnabrechnungen des Auftragnehmers und der Nachunternehmer sowie die zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmer abgeschlossenen Werkverträge zu nehmen.

(2) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, spätestens zu Beginn der Ausführung des Bauauftrages dem öffentlichen Auftraggeber eine Aufstellung über die bei der Auftragsausführung zum Einsatz kommenden Arbeitnehmer unter Angabe von deren Name und Geburtsdatum vorzulegen; die Aufstellung ist während der Auftragsausführung zu aktualisieren.

(3) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, für sich und seine Nachunternehmer vollständige und prüffähige Unterlagen in Sinne von Absatz 1 und über den nach Absatz 2 benannten Arbeitnehmereinsatz bereitzuhalten. Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers sind diese Unterlagen unverzüglich in dessen Büroräumen vorzulegen.

Art. 6:

(1) Stellt sich nach der Erteilung eines öffentlichen Bauauftrages heraus, dass der Auftragnehmer die in Art. 3 Absatz 1 und 2 genannten Anforderungen nicht erfüllt oder gegen Verpflichtungen gemäß Art. 5 Absatz 2 und 3 verstößt, berechtigt dies den öffentlichen Auftraggeber zur fristlosen Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grunde.

(2) Unbeschadet davon, ob der Vertrag gekündigt wird, ist der Auftragnehmer für die Dauer eines Jahres von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Vom Auftragsausschluss kann bei minder schweren Verstößen abgesehen werden.

Art. 7

Begründung:

I. Allgemeines:

1. Die Lage in der Bauwirtschaft ist von einem extremen Wettbewerb gekennzeichnet. Durch den Zustrom von Baukolonnen aus Niedriglohnländern - zumeist im nachunternehmerischen Bereich, entsteht vor allem klein- und mittelständischen Baufirmen eine gefährliche Konkurrenz. Der Druck verschärft sich durch die angewachsene illegale Beschäftigung.

Schätzungen sprechen von etwa 400 bis 500 Tsd. legalen und illegalen Billiglöhnern in der Bundesrepublik. Soziale Schutzvorschriften und tarifvertragliche Bestimmungen werden immer häufiger umgangen. Einerseits bieten Subunternehmer, die auf solchen Praktiken aufbauen, Dumpingpreise an, andererseits spielen Generalunternehmer oder Generalübernehmer mittelständische bauausführende Firmen durch Preisdiktate gegeneinander aus und treiben sie in einen ruinösen Unterbietungswettbewerb, der oft die normalen Gestehungskosten nicht mehr erlösen lässt. Der unfair gewordene Wettbewerb geht zulasten der Bauunternehmen, die sich an Gesetz und Tarifverträge halten, er wird auf dem Rücken der Bauarbeitnehmer ausgetragen und kostet heimische Arbeitsplätze.

Angesichts des bedeutenden Umfangs öffentlicher Bauaufträge tragen die öffentlichen Auftraggeber erhebliche Verantwortung für einen geordneten und fairen Wettbewerb. Sie können durch wettbewerbspolitische Rahmenbedingungen und vergaberechtliche Vorschriften bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge der Tendenz des Lohn- und Sozialdumpings entgegenwirken.

Die öffentlichen Auftraggeber tragen eine besondere Verpflichtung, die illegale Beschäftigung oder andere rechtswidrige, wettbewerbsverzerrende Verhaltensweisen von Unternehmern zu bekämpfen. Unternehmen, die untertariflich bzw. illegal beschäftigen, Steuern oder Abgaben nicht leisten, gegen Arbeitsschutzbestimmungen verstoßen usw., erfüllen nicht die geforderte unternehmerische Zuverlässigkeit und verhalten sich wettbewerbswidrig. In der Anwendung bestehender und weiter zu konkretisierender Regeln des Vergabeverfahrens geht es vor allem auch um den präventiven Ausschluss wettbewerbsschädlichen Verhaltens. Mit diesem Gesetz stellt der Freistaat Bayern deshalb für seinen Zuständigkeitsbereich das Vergaberecht auf eine verbesserte, erweiterte und verbindlichere Grundlage.

Nach diesem Gesetz erhalten öffentliche Bauaufträge nur noch solche Unternehmen, die in ihrem Betrieb Recht und Gesetz beachten und Tarifverträge einhalten.

2. Die zentrale Regelung zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge besteht in der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB). Vorrangiges Ziel ist, einen fairen Preis- und Leistungswettbewerb herzustellen. Das unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte (z.B. Lieferfrist, Qualität, Gewährleistung) günstigste Preis-Leistungs-Verhältnis soll den Zuschlag erhalten. Die Beurteilung von Leistungsfähigkeit, Fachkunde, Zuverlässigkeit und weiterer Kriterien ermöglicht dabei einen großen Bewertungsspielraum. Für das deutsche Vergaberecht ist nicht der niedrigste Preis maßgeblich, sondern unter Berücksichtigung der genannten Kriterien der günstigste Preis (neuerdings: das wirtschaftlichste Angebot - § 97 Abs. 5 GWB). In der Vergabepraxis ist diese Vorgabe allerdings häufig nur Theorie.

Vor dem Hintergrund eines extremen Wettbewerbs, bei dem Bieter oft nicht mit kostenorientierten Angeboten auftreten, sondern mit Abschlägen strategisch hantieren, nutzen in der Praxis auch Behörden, Kommunen und andere öffentliche Auftraggeber die gebotene Chance, besonders preisgünstig einzukaufen. Da spielt es kaum noch eine Rolle, zu welchen Konditionen die Bauarbeitnehmer arbeiten. Die erkennbare Tendenz, Wirtschaftlichkeit von Angeboten hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Preishöhe zu beurteilen, benachteiligt aber von vornherein Anbieter, die zu ortsüblichen Tarifen bezahlen und sonstige rechtliche Vorgaben einhalten.

Wirtschaftlichkeit der Verwaltung muss aber heißen: Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Gesetze, nicht Wirtschaftlichkeit gegen das Gesetz. Durch die Anwendung verbesserter vergaberechtlicher Vorschriften soll deswegen ein wettbewerbsschädliches Verhalten unter den Anbietern wirksam bekämpft werden.