Geburtstagswünsche für Frau Staatssekretärin Deml und die Abg

Präsident Böhm: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Ich eröffne die 11. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Ich bitte Sie, zweier ehemaliger Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 22. Februar verstarb Herr Ferdinand Neumann im Alter von 87 Jahren. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1946 bis 1950 an und vertrat den Stimmkreis Kemnath-Nabburg für die Fraktion der CSU. Nach der Erfahrung von Gewaltherrschaft und Verfolgung im Dritten Reich setzte er sich nach dem Krieg energisch für den Aufbau eines demokratischen Staates ein. Seine Erfahrungen als Landrat des ehemaligen Landkreises Kemnath sowie sein berufliches Wissen als Betriebsleiter brachte er in seine Arbeit des ersten Nachkriegslandtages ein, wo er sich besonders für den Wiederaufbau der Universitäten in Bayern engagierte.

Am 1. März verstarb Herr Helmut Schaller im 77. Lebensjahr. Er war von 1958 bis 1962 Mitglied des Bayerischen Landtags und vertrat für die CSU den Wahlkreis Mittelfranken. Er gehörte dem Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr an und erwarb sich mit seiner parlamentarischen Arbeit Verdienste um seine Heimat und ihre Menschen.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch eine Reihe von Glückwünschen aussprechen. Gestern feierte Frau Kollegin Marianne Deml einen runden Geburtstag. Heute feiern Frau Kollegin Inge Hecht und Herr Kollege Jürgen Heike ebenfalls einen runden und Herr Kollege Wolfgang Hoderlein seinen 46. Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses und persönlich gratuliere ich den Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute und Gottes Segen für das neue Lebensjahr sowie Kraft und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.

(Beifall)

Ich rufe auf: Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde Gewalt gegen Frauen: Immer noch Realität

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema beantragt.

Die einzelnen Redner dürfen grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion kann einer ihrer Redner zehn Minuten sprechen; dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Wenn ein Mitglied der Staatsregierung kraft seines Amtes das Wort ergreift, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zeit der Dauer der Aussprache zu sprechen. Ich bitte Sie, auf mein Signal zu achten. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Lochner-Fischer; sie wird zehn Minuten sprechen.

Frau Lochner-Fischer (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor etwa einem Dreivierteljahr berieten die SPD-Frauen, welches Thema im Mittelpunkt des diesjährigen Internationalen Frauentages stehen sollte. Wir haben uns für das Thema Gewalt gegen Frauen entschieden, weil es hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen das zentrale Problem ist. Damals lief auf europäischer Ebene ein Antrag mit dem Ziel, das Jahr 1999 zum europäischen Jahr des Abbaus der Gewalt gegen Frauen zu erklären. Die CDU/CSU-Regierung hat es mit viel Geschick und einer reinen Verzögerungstaktik geschafft, den einstimmigen Beschluß der EU-Kommission zu blockieren, und damit verhindert, daß das Jahr 1999 zum Jahr des Abbaus der Gewalt gegen Frauen erklärt werden konnte.

Diese Politik der ehemaligen Bundesregierung zeigt deutlich, was an ihren Sonntagsreden über den Abbau der Gewalt gegen Frauen dran ist. Wir können und werden den Aussagen dieser Reden nicht mehr glauben, weil immer dann, wenn es konkret wird, also wenn politische Weichen gestellt werden sollen, nichts passiert.

Dies war bis zum Herbst in Bonn der Fall. In Bayern ist es nach wie vor so.

Die CSU hat sich zum Beispiel bisher immer geweigert, für Mädchenhäuser Zuschüsse im Staatshaushalt bereitzustellen. Sie verweist in diesem Zusammenhang immer auf die Kommunen. Diese sollen mit diesem Problem allein fertig werden. Wir sind der Ansicht, gesellschaftliche Probleme müssen dort gelöst werden, wo sie entstehen und wo sie am effektivsten bekämpft werden können. Die Bekämpfung dieses Problems darf nur nicht im kleinen, sondern muss vor allem im großen erfolgen. Wir brauchen umfassende Konzepte, um die Gewalt gegen Frauen zu stoppen. Die sozialdemokratische Bundesregierung wird heuer ein eigenes Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen vorlegen, weil die CDU/CSU ein europäisches Programm verhindert hat.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über Gewalt gegen Frauen darf nicht geschwiegen werden. Dieses Schweigen provoziert zusätzliche Gewalt und wiegt alle Männer, die diese Gewalt ausüben, in dem Glauben, dass ihr Handeln von der Gesellschaft toleriert wird. Die Politik muss deutlich machen, dass in unserer Gesellschaft niemand bereit ist, Gewalt gegen Frauen, in welcher Form auch immer, zu tolerieren.

Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um körperliche oder geistige Gewalt, um Mobbing oder um Schläge handelt. Wir tolerieren keine Gewalt, egal, von wem sie ausgeübt wird.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen für dieses Aktionsprogramm die Unterstützung der Öffentlichkeit, und wir brauchen dabei auch die Unterstützung der Presse. Wir brauchen die Unterstützung der Presse auch deshalb, damit nicht immer nur ein kleiner Bereich der Gewalt gegen Frauen in die Schlagzeilen gerät, nämlich dann, wenn ein Sexualmord geschieht. Wir brauchen die Presse, um aufzudecken, was in über 80% der Familien hinter verschlossenen Türen in diesem Lande, auch in Bayern, passiert.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um deutlich zu machen, was Gewalt gegen Frauen ist, brauchen wir nicht auf internationale Beispiele zu verweisen, die in den letzten Tagen der Presse zu entnehmen waren und die uns allen den Magen umdrehen. So etwas passiert auch in unserem eigenen Lande.

Ich darf daran erinnern, dass jedes Jahr auch in Deutschland 20000 Sexualverstümmelungen vorgenommen werden, nicht nur in anderen Ländern dieser Erde. Ich darf darauf verweisen, dass auch in Bayern Frauen geschlagen, erniedrigt, mißhandelt, vergewaltigt und ihre Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Oft werden diese Delikte mit der Ausrede begründet, sie seien aus Liebe geschehen. Oft genug ­ und das ist in Bayern möglicherweise noch weiter verbreitet als in anderen Regionen ­ bringt man den Tätern nicht nur am Stammtisch wesentlich mehr Verständnis als den Opfern entgegen.

Die Opfer schämen sich in der Regel und wollen gar nicht als Opfer angesehen werden. Auch in diesem Hause gibt es eine ganze Reihe von Beispielen aus den letzten Wochen, bei denen deutlich geworden ist, daß die Frauen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, sich schämen. Sie schämen sich, weil ihnen Gewalt angetan worden ist. Die Männer hingegen schämen sich nicht und gehen in diesem Hause ein und aus.

Es entsteht der Eindruck, es sei überhaupt nichts passiert.

Unsere Gesellschaft muss damit aufhören, gegenüber den Tätern Verständnis zu zeigen. Wir müssen damit anfangen, den Opfern nicht nur in Sonntagsreden, sondern in der täglichen Praxis das Gefühl zu geben, daß wir sie verstehen, dass wir ihre Gegenwehr verstehen und dass wir der Ansicht sind, dass sie sich wehren müssen. Nur dann setzen wir ein Zeichen, dass sich Frauen Gewalt nicht mehr gefallen lassen und sich gegen Gewalt wehren.

Wir wollen allerdings keine Gesellschaft, in der die körperliche Gewalt gegen Frauen dazu führt, dass Frauen ihrerseits körperliche Gewalt gegen Männer anwenden.

Dies ist zum Teil in den USA der Fall. Wir wollen nicht Gewalt mit Gewalt vergelten, sondern wir wollen, daß Gewalt abgebaut wird. Das heißt aber auch, dass die Männer den ersten Schritt tun müssen.

Wer wie die CSU in Bayern die überkommenen alten Familienstrukturen als absoluten Wertmaßstab begreift, wer immer noch der Ansicht ist, dass die Aufrechterhaltung einer Familie, die eigentlich gar nicht funktioniert, wichtiger als der Opferschutz ist, wichtiger als die Herausnahme von Mädchen aus Familien, in denen sie sexuell belästigt werden oder in denen ihnen sexuelle Gewalt angetan wird, wer nicht sieht, dass Familienverbünde nicht mehr funktionieren können, wenn Frauen geschlagen werden, und wer glaubt, dass die Familie über allem stehe und wichtiger als der Schutz der Mädchen und Frauen sei, der macht sich mitschuldig an dem, was hier in Bayern hinter verschlossenen Türen geschieht. Der ist auch nicht glaubwürdig beim Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jeder von uns ist mit der Tatsache konfrontiert, dass in 80% aller Familien körperliche Gewalt gegen andere zum täglichen Leben gehört. Diese Zahl beruht übrigens nicht auf einer Untersuchung der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung, sondern diese Zahl wurde vom Bundesjustizministerium im Jahr 1993 genannt, als noch die alte Koalition regierte. Das Justizministerium hat deutlich gemacht, dass körperliche Gewalt bei uns ein Erziehungsmuster ist. Es darf nicht sein, dass wir sagen, ein Bub müsse nun einmal raufen. Denn dann wendet er demnächst Gewalt gegen Mädchen in seiner Schule an.

Präsident Böhm: Ihre Redezeit ist beendet.

Frau Lochner-Fischer (SPD): Ich komme zum Schluß.

Wer körperliche Gewalt als Erziehungsmethode gut findet und diese Methode unterstützt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn unsere Kinder weiterhin Gewalt gegen Frauen für normal halten.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Böhm: Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Dr. Fickler das Wort.

Frau Dr. Fickler (CSU): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verhinderung und Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt gegen und an Frauen und Mädchen sind seit jeher ein Schwerpunkt unserer Politik, der Politik der CSU. Wir müssen alle Formen von Gewalt in allen Bereichen der Gesellschaft ächten. Täter werden ihr Verhalten nicht ändern, solange sie nicht spüren, daß ihre Gewalttätigkeit überall geächtet wird.