Organisation der kommunalen Abwasserentsorgung und Antwort des Ministers für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister des Innern und für Sport wie folgt:

Frage 1. Welche öffentlich- oder privatrechtlichen Betriebsformen sind bei kommunaler Abwasserentsorgung möglich?

Die Abwasserbeseitigung ist nach § 43 Abs. 1 Hessisches Wassergesetz (HWG) Pflichtaufgabe der Gemeinden. Nach § 43 Abs. 5 HWG können die Gemeinden die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf andere Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen, wobei insbesondere Wasser- und Bodenverbände oder Zweckverbände in Betracht kommen. Auch können die Gemeinden sich zur Erfüllung dieser Aufgabe Dritter bedienen, ohne allerdings die Aufgabe selbst auf den Dritten übertragen zu können.

Als öffentlich-rechtliche Betriebsform ist der Regiebetrieb oder der Eigenbetrieb möglich. Der Regiebetrieb ist Bestandteil der Kommune ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Er unterliegt daher den verwaltungsinternen Anordnungen der zuständigen Gemeindeorga ne. Der Eigenbetrieb ist ein Sondervermögen der Gemeinde mit eigenständiger Wirtschaftsführung, Vermögensverwaltung und Rechnungslegung, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Der Eigenbetrieb ist in § 127 Hessische Gemeindeordnung (HGO) und im Eigenbetriebsgesetz geregelt. Zu beachten ist dabei, dass die Abwasserbeseitigung nach §121 Abs. 2 HGO keine wirtschaftliche Betätigung ist.

Deshalb gilt für sie nicht die Verpflichtung des § 121 Abs. 8 HGO, einen Überschuss für den Haushalt der Gemeinde abzuwerfen. Für die Abwasserbeseitigung gilt unabhängig von der Wahl der Rechts- oder Betriebsform das Kostendeckungsprinzip des Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG).

Die Möglichkeit, die Abwasserbeseitigung im Rahmen einer privatrechtlichen Eigengesellschaft der Gemeinde durchzuführen, ist durch § 122 Abs. 2 und 3 HGO eingeschränkt. Die Gründung oder Beteiligung an einer privatrechtlichen Gesellschaft ist danach nur zulässig, wenn ein wichtiges Interesse der Gemeinde dafür vorliegt. Die Übertragung der Abwasserbeseitigung auf eine derartige GmbH oder eine Aktiengesellschaft - bei der zusätzlich noch die Nachrangigkeit gegenüber anderen Rechtsformen nach § 122 Abs. 3 HGO zu beachten ist - wird daher nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Frage 2. Welche dieser Formen werden nach Kenntnis der Landesregierung bevorzugt von den Kommunen gewählt?

Die Gemeinden in Hessen führen die Aufgaben der kommunalen Abwasserentsorgung zum überwiegenden Anteil im Regie- oder Eigenbetrieb aus.

Insbesondere im ländlich geprägten Raum haben sich viele Gemeinden zu Abwasserverbänden zusammengeschlossen. Einige Gemeinden bedienen sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter.

Eine zentrale Erfassung der Organisationsformen erfolgt nicht.

Frage 3. Worin liegen Vorteile einer "Anstalt öffentlichen Rechts" als Betriebsform der kommunalen Abwasserentsorgung?

Die "Anstalt öffentlichen Rechts" als juristische Person des öffentlichen Rechts besitzt im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Betriebsformen "Regiebetrieb" und "Eigenbetrieb" eine eigene Rechtspersönlichkeit. Im Vergleich zu den privaten Rechtsformen kann sie durch Landesgesetz im Wesentlichen folgende Vorteile des öffentlichen Rechts erhalten:

1. das Landesrecht bleibt maßgebend;

2. die Steuerbarkeit der Anstalt kann landesrechtlich flexibel geregelt werden;

3. zugunsten der Anstalt kann ein Anschluss- und Benutzungszwang bestimmt werden;

4. der Anstalt können hoheitliche Aufgaben übertragen werden;

5. ihr kann die Befugnis zur Erhebung von kommunalen Abgaben übertragen werden;

6. sie kann der Kommunalaufsicht unterstellt werden.

Allerdings spielen privatrechtliche Unternehmen im Abwasserbereich nur eine untergeordnete Rolle und sind insoweit kaum relevant. Der Abwasserbereich ist im Wesentlichen in Regiebetrieben, Eigenbetrieben und Zweckverbänden organisiert. Für diese Betriebsformen gelten dieselben Möglichkeiten wie für die Anstalt des öffentlichen Rechts.

Aus steuerlicher Sicht ist ein Abwasserentsorger in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, wie auch in den anderen öffentlichrechtlichen Rechtsformen, nach derzeitiger Beurteilung hoheitlich tätig.

Mangels Vorliegen eines Betriebes gewerblicher Art unterliegt er weder einer Ertragsbesteuerung noch sind die von ihm erbrachten Leistungen umsatzsteuerbar. Dementsprechend sind auch Vorsteuerbeträge, z. B. aus Investitionskosten, nicht abziehbar.

Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung die Bildung von Anstalten des öffentlichen Rechts im Abwasserbereich?

Da die Ausgliederungen kommunaler Betriebe weitgehend abgeschlossen sind, sieht die Landesregierung keine zwingende Notwendigkeit, die Betriebsform "Anstalt des öffentlichen Rechts" im Abwasserbereich zu ermöglichen. Bei der letzten umfassenden Novellierung der Hessischen Gemeindeordnung, insbesondere im Gemeindewirtschaftsrecht, wurde im Rahmen der umfangreichen Anhörungen auch von keiner Seite der Wunsch nach Zulassung der "Anstalt öffentlichen Rechts" im Kommunalrecht vorgetragen.