Sozialversicherungsträger

Ich bitte Sie, diese Regelung zu ändern und die badenwürttembergische oder die hessische Regelung einzuführen. Dann wären die meisten Feuerwehrkommandanten von sämtlichen Abgaben befreit. Das wäre eine vernünftige und pragmatische Lösung. Sie könnten das bereits morgen durch eine Anordnung des Finanzministers und des Innenministers regeln.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen erreichen, dass das Ehrenamt nicht mit diesen Abgaben belastet wird. Dies können Sie landesrechtlich regeln, wie das bereits Baden-Württemberg und Hessen getan haben. Sie wollen jedoch eine politische Kampagne gegen das 630-DM-Gesetz und gegen die rot-grüne Koalition in Berlin fahren.

(Beifall bei der SPD ­ Ach (CSU): Herr Kollege Dr. Kaiser, Sie kapieren es nicht!) Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Jetzt hat noch Frau Staatsministerin Stamm ums Wort gebeten.

Frau Staatsministerin Stamm (Sozialministerium): Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Kaiser, es geht nicht um das Wollen, sondern es geht darum, dass wir auf Bundesebene eine einheitliche Regelung für alle ehrenamtlich Tätigen benötigen. Die ehrenamtlich Tätigen müssen von der Sozialversicherungspflicht freigestellt werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich bitte Sie, wenigstens einen Punkt zur Kenntnis zu nehmen: Diese ganze Problematik wurde durch die Neuregelung des 630-DM-Gesetzes ausgelöst.

(Unruhe bei der CSU)

­ Lassen Sie mich bitte den Satz beenden. Ausgelöst wurde die ganze Problematik durch die Neuregelung des 630-DM-Gesetzes und die daraus folgenden Prüfungen durch die Rentenversicherungsträger. Wir sind jetzt leider in der misslichen Lage, dass die Rentenversicherungsträger beziehungsweise die in Bayern als erstes die Gemeinden überprüft haben und dabei zu der Rechtsauffassung gekommen sind, dass es sich hier um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Weil dies strittig war und die AOK Bayern uns Recht gegeben hat, hat sie das bei der AOK auf Bundesebene vorgebracht. Sie hat die AOK auf Bundesebene gebeten, sich ihrer Rechtsmeinung anzuschließen. Die AOK auf Bundesebene hat sich aber der Rechtsmeinung der AOK Bayern nicht angeschlossen, sondern hat der Auffassung der anderen Sozialversicherungsträger den Vorzug gegeben. Danach handelt es sich bei der Tätigkeit von ehrenamtlichen Feuerwehrführungskräften um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das sozialversicherungspflichtig ist.

Sie erklären, in anderen Ländern wäre das anders. Ich sage, das Problem kann in anderen Ländern erst auftreten, wenn Gemeinden geprüft werden. Vorher wird das selbstverständlich nicht zum Problem gemacht. Ich darf Ihnen folgende neueste Meldung aus Baden-Württemberg überbringen. Herr Kollege Straßer hat gemeint, wir könnten nicht telefonieren. Unsere Telefone haben aber in den letzten Wochen heiß geglüht. Nach einer telefonischen Auskunft des Sozialministeriums Baden-Württemberg und der LVA Baden-Württemberg ­ also nicht nur des Sozialministeriums ­ gilt dort Folgendes: Wenn eine Kommune geprüft wird, die eine Freiwillige Feuerwehr unterhält, wird das Recht so angewandt, wie es durch den einstimmigen Beschluss der Spitzenverbände festgelegt wurde. Damit ist die Tätigkeit in Zukunft sozialversicherungspflichtig. Weiter heißt es:

Von der LVA Rheinprovinz war zu erfahren, dass in der letzten Zeit eine Betriebsprüfung vorgenommen und festgestellt wurde, dass für Entschädigungen, die für die Teilnahme an Brandwachen gezahlt wurden, Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Die AOK Niedersachsen hat mitgeteilt,

­ Dort ist eine SPD-Kollegin in der Verantwortung, die ihre AOK ebenfalls nicht anweisen kann ­ dass dort ebenfalls das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände Anwendung finde. Die Rentenversicherungsträger hätten bereits bei einigen Betriebsprüfungen eine Sozialversicherungspflicht der Feuerwehrleute festgestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann verstehen, dass Sie emotional reagieren. Wir waren alle betroffen. Aber vielleicht können wir uns jetzt zumindest darauf einigen, dass dieses Problem kein Problem Bayerns ist, sondern dass es in anderen Bundesländern ebenfalls schon real ist bzw. in den nächsten Wochen, wenn dort in den Gemeinden Prüfungen stattfinden, genauso aktuell wird wie in Bayern. In vielen Bundesländern kann es allerdings gar nicht so aktuell werden wie bei uns, weil es in anderen Bundesländern nicht 350000

Feuerwehrleute im Ehrenamt gibt. Sie müssen anerkennen, dass wir hier zum Teil andere Strukturen haben.

Mittlerweile vertraue ich in der Angelegenheit nicht mehr auf die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion, sondern ich werde mich mit ihren Bundestagsabgeordneten verbünden. Was sagt zum Beispiel Ihre Bundestagsabgeordnete Jella Teuchner? Sie sagt:

Die Sozialversicherungspflicht ehrenamtlich tätiger Feuerwehrleute steht für mich im Spannungsfeld zwischen Förderung des Ehrenamtes und Gleichbehandlung aller Einkommen in der Sozialversicherung. Ich finde daher eine Überprüfung von den Freistellungsmöglichkeiten sinnvoll. Auf eine Position

­ Da ist sie ein bisschen vorsichtig ­ möchte ich mich noch nicht festlegen.

Sie ist zumindest sensibilisiert. Das habe ich bei Ihnen nicht bemerkt. Ein weiterer Bundestagsabgeordneter, Ewald Schurer, sagt:

Wir sind alarmiert

­ Das sagt Ihr Bundestagsabgeordneter ­ und prüfen derzeit, wie eine Sonderstellung für die gemeinnützigen Ehrenämter erreicht werden kann,

­ Gott sei Dank beziehen Sie Ihre Aussagen mittlerweile auf alle ehrenamtlich Tätigen ­ denn der typisch ehrenamtliche Charakter muss erhalten bleiben.

Vielleicht sprechen Sie heute noch einmal mit den Bundestagsabgeordneten, die alarmiert sind. Auf diese vertrauen nämlich Herr Kollege Dr. Beckstein und ich mittlerweile.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Feuerwehr ist zwar der Anlass, aber wir müssen an alle ehrenamtlich Tätigen denken. Das beinhaltet auch der Dringlichkeitsantrag der CSU. Frau Kollegin Radermacher, Sie sind in diesen Dingen sehr bewandert und wissen genau, wenn Menschen heute ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis haben und für eine Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung bekommen, wird das addiert. Es entsteht eine Sozialversicherungspflicht. Wenn Sie Ihre 630-DM-Regelung nicht aufgeben wollen, wofür ich Verständnis habe, gehen wir bitte gemeinsam daran, die Ehrenamtlichkeit in unserer Gesellschaft besonders zu werten und sie aus dem Gesetz herauszunehmen. Zu einer solchen Korrektur müssen Sie doch bereit sein. Das hat doch nichts damit zu tun, dass Sie uns vorwerfen, wir wendeten uns nur gegen die Bundesregierung in Berlin. Ihre Bundestagsabgeordneten sind hier zum Teil schon weiter.

Ich kann nicht begreifen, warum uns das nicht verbindet.

Was hat die Staatsregierung gestern beschlossen, in einem Antrag bzw. in den Bundesrat einzubringen?

Nummer eins des Antrags beinhaltet den ersten Schritt, der am schnellsten geht. Im 630-DM-Gesetz soll sofort das Ehrenamt in Deutschland grundsätzlich von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen werden. In Nummer zwei fordert Bayern von der Bundesregierung eine Klarstellung im Sozialgesetzbuch, dass das Ehrenamt insgesamt grundsätzlich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist.

(Beifall bei der CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das können Sie nur im Sozialgesetzbuch festlegen. Eine Regelung durch die Bundesländer ist nicht möglich. Sie können einer nicht sagen, dass sie nicht die Rechtsauslegung, dass es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, in Anspruch nehmen kann.

Weil dem so ist, müssen wir das gemeinsam im Sozialgesetzbuch festlegen, so dass es zukünftig keine anderen Rechtsauslegungen mehr geben kann.

Zum Dritten hat die Staatsregierung gestern beschlossen, die bisherigen Steuerfreibeträge für ehrenamtliches Engagement von bis zu 300 DM angemessen zu erhöhen.

Ich denke, dass in diesem Hohen Haus Konsens darüber herrschen müsste, dass wir in großem Respekt vor den Menschen, die ein Ehrenamt ausüben, eine gemeinsame Linie verfolgen sollten. Wir würden damit nicht nur dem Ehrenamt, sondern auch der Demokratie einen guten Dienst erweisen.

(Beifall bei der CSU) Präsident Böhm: Um das Wort hat Frau Kollegin Schieder gebeten.

Frau Marianne Schieder (SPD) (von der Rednerin nicht autorisiert): Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Sie es hier noch hundertmal sagen, ist es einfach nicht wahr, dass das Problem, das wir heute besprechen, erst durch die Novellierung des 630-DM-Gesetzes entstanden sei. Das Problem ist uralt. Es hängt damit zusammen, dass natürlich die Sozialversicherungsträger ein Interesse daran haben, möglichst viele Beiträge zu kassieren und daher überall genau nachprüfen: Handelt es sich um abhängige, weisungsgebundene Beschäftigung oder um ein Ehrenamt?

Sie wissen, dass es seit vielen, vielen Jahren im Streit ist: Worum handelt es sich bei den in der Feuerwehr Tätigen? Nicht umsonst haben im Übrigen viele Landkreise ihre Kreisbrandräte bereits bei der Sozialversicherung angemeldet, weil sie diesen Streit kennen.

Herr Kollege Straßer hat Ihnen aus Ihrer eigenen Kommentierung zum Feuerwehrgesetz etwas vorgelesen.

Darin steht, dass dort ein Streit ist.

Tatsache ist aber auch, dass die Überprüfung seitens der Sozialversicherungsträger wichtig ist, weil natürlich sonst alles Mögliche als Ehrenamt bezeichnet würde, um sich die Sozialversicherungspflicht zu sparen. Deswegen müssen wir schon redlich argumentieren und sagen: Die Staatsregierung kennt seit Jahren dieses Problem, hat aber einfach nichts getan.

Die Formulierung im Feuerwehrgesetz ist natürlich schon wichtig.

(Kobler (CSU): Das ist doch schon seit November!)

­ Hören Sie halt zu! Herr Dr. Kempfler hat zu Recht gesagt: Es geht bei der Beurteilung der Verbände der Rentenversicherungsträger bezüglich der Frage, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt oder nicht, natürlich um die ausgeübte Tätigkeit. Es geht aber auch darum, was im Gesetz dazu steht, wie die Entlohnung im Gesetz bezeichnet wird, ob es dort Aufwandsentschädigung oder steuerfreie Einkünfte heißt. Man muss sehen: Wie ist die jeweilige Aufgabe im Gesetz genau beschrieben?

Die Überprüfungen orientieren sich natürlich auch an der Grundlagenbeschreibung. Die Spitzenverbände argumentieren auf dem Boden der gesetzlichen Grundlagen.

In Bayern ist dies das Feuerwehrgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Das Feuerwehrgesetz muss halt so gestaltet werden, dass eine Interpretation der Aufgaben, die von den Führungskräften der Feuerwehren wahrgenommen werden, nicht anders ausfällt, als dass man eine weisungsungebundene, freiwillige, ehrenamtliche Tätigkeit unterstellt (Beifall bei der SPD) und die Entlohnung dafür nicht als das Entgelt für einen Job gedeutet werden kann, sondern eindeutig als eine ehrenamtliche Aufwandsentschädigung.

Hier handelt es sich um eine urbayerische Aufgabe.

Denn die Grundlage ist ein Bayerisches Feuerwehrgesetz. Deswegen muss dieses Gesetz den Erfordernissen angepasst werden.

Das 630-DM-Gesetz spielt insofern eine Rolle, als viele Feuerwehren ­ der Herr Minister hat das Beispiel selber genannt ­, weil sie sich nicht um die grundlegende Unterscheidung zwischen weisungsgebundener abhängiger Beschäftigung und Ehrenamt gekümmert haben, ihre Führungsleute aufgrund der 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse leider angemeldet haben und damit natürlich eindeutig die abhängige Beschäftigung eingeräumt haben. Voraussetzung dafür, dass man sich des 630-DM-Gesetzes in der alten Fassung bedienen konnte, war, dass ein Beschäftigungsverhältnis vorlag.

Da ging es nicht um ein Gesetz für das Ehrenamt oder zur Regelung einer Aufwandsentschädigung, sondern es ging um ein Gesetz für Nebenjobs. Daher kommt auch der Begriff 630-DM-Jobs. Jetzt sagen die Sozialversicherungsträger zu Recht:

Was jahrelang eine abhängige Beschäftigung war, für die man keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen musste, ­ unter 630-DM; und die Steuern wurden auf die Kommunen abgewälzt ­, ist auch jetzt eine abhängige Beschäftigung. Dadurch ist das Problem entstanden, welches wir heute haben. Deswegen muss in diesem Bereich das Feuerwehrgesetz als rechtliche Grundlage angegangen werden.

Sie sagen: Die Bundesregierung unternehme nichts.

Das stimmt nicht. Sie müssten eigentlich wissen, dass die Bundesregierung eine Kommission zur Überprüfung der Rahmenbedingungen für das Ehrenamt eingerichtet hat. Die hat auch schon einiges getan. Zu den Aufgaben der Kommission gehört auch die Prüfung der Auswirkungen der Novellierung des 630-DM-Gesetzes, was das Ehrenamt betrifft.

Wir sind also dabei, auf Bundesebene etwas zu tun. Wir haben auch schon etwas getan. Wir haben zum Beispiel die Übungsleiterpauschale erhöht und den Bezieherkreis ausgeweitet.

Deswegen sage ich noch einmal: Lügen Sie die Leute vor Ort nicht an.

(Lebhafte Zurufe von der CSU ­ Beifall bei der SPD)

­ Lassen Sie mich ausreden. Sie lügen dann, wenn Sie sagen: Das Problem ist nur durch das 630-DM-Gesetz entstanden. Das stimmt nicht. Das Problem ist uralt und besteht in der Frage: Was ist abhängige Beschäftigung und was nicht?

Wenn Sie jetzt einen Antrag stellen, der dahin zielt, das ehemalige 630-Mark-Gesetz auszuweiten, dann räumen Sie noch mehr ein, dass es sich hier um abhängige Beschäftigung handelt. Das ist die falsche Stoßrichtung.

Die Stoßrichtung muss sein, das Ehrenamt von der Sozialversicherungspflicht wegzubringen. Man sollte nicht danach trachten, den Geltungsbereich der Paragrafen auszudehnen, um da einiges unterzubringen. Denn damit dienen Sie niemandem.

Machen Sie in Bayern Ihre Hausaufgaben. Novellieren Sie das Feuerwehrgesetz in der richtigen Art und Weise.

Dann kommen wir ein Stück voran.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Böhm: Werte Kolleginnen und Kollegen, die Aussprache ist geschlossen. In der Zwischenzeit ist völlige Klarheit eingekehrt.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Zu beiden Anträgen ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir haben also zwei namentliche Abstimmungen vor uns.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag Drucksache 14/3197 in namentlicher Form abstimmen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne steht auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite im Bereich der Eingangstür. Ich sage das so deutlich, damit keine Irrtümer entstehen. Die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenografentisch.

Mit der Abstimmung kann nun begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 18.17 bis 18.22 Uhr) Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.

Dafür habe ich jetzt das Glück, Ihnen das Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/3196 bekannt zu geben ­ das war der Antrag, der das Atomkraftwerk Temelin betraf. Mit Ja haben 69 Abgeordnete, mit Nein 83 Abgeordnete gestimmt. 5 Kolleginnen und Kollegen haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2) Außerhalb der Tagesordnung gebe ich noch bekannt, dass die Anträge mit den Drucksachennummern 14/1629, 14/1669, 14/1818, 14/1913, 14/2059, 14/2072, 14/2075, 14/2316, 14/2521, 14/2525, 14/2658, 14/2776,