Jugendstrafanstalt

§ 12

Sozialtherapie:

(1) Gefangene sollen gesondert in einer sozialtherapeutischen Abteilung des Jugendstrafvollzugs untergebracht werden, soweit deren besondere therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zum Erreichen des Erziehungsziels angezeigt sind. In Betracht kommen insbesondere Gefangene, bei denen eine erhebliche Störung der sozialen und persönlichen Entwicklung vorliegt oder bei denen die Wiederholung einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder § 182 des Strafgesetzbuches zu befürchten ist.

(2) Ist eine Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung aus Gründen, die nicht in der Person der Gefangenen liegen, nicht möglich, sind anderweitige therapeutische Behandlungsmaßnahmen zu treffen.

(3) Die Gefangenen werden zurückverlegt, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in der Person der Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.

Vierter Abschnitt Vollzugsformen

§ 13:

Offener und geschlossener Vollzug, vollzugsöffnende Maßnahmen:

(1) Die Gefangenen sollen in einer Jugendstrafvollzugsanstalt oder Abteilung einer Jugendstrafvollzugsanstalt ohne oder mit verminderten Vorkehrungen gegen Entweichungen untergebracht werden, wenn sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges oder anderer vollzugsöffnender Maßnahmen genügen, insbesondere verantwortet werden kann zu erproben, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe nicht entziehen und die Möglichkeiten des offenen Vollzuges oder der vollzugsöffnenden Maßnahme nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

(2) Gefangene, die sich für den offenen Vollzug oder eine vollzugsöffnende Maßnahme nach Abs. 4 nicht eignen, werden im geschlossenen Vollzug untergebracht.

(3) Ob das Erziehungsziel durch den offenen Vollzug, den geschlossenen Vollzug oder eine andere vollzugsöffnende Maßnahme besser erreicht werden kann, ist im Rahmen der Aufnahme, des Förderplans und seiner Fortschreibung regelmäßig zu prüfen.

(4) Als andere vollzugsöffnende Maßnahme kommt insbesondere der Vollzug in freien Formen, namentlich in besonderen Erziehungseinrichtungen oder in Übergangseinrichtungen freier Träger, in Betracht.

(5) Die Aufsichtsbehörde bestimmt, welche Einrichtungen für eine Unterbringung in freien Formen nach Abs. 4 zugelassen sind. Vor einer Verlegung in eine solche Einrichtung ist die Vollstreckungsleitung anzuhören.

§ 14:

Lockerungen des Vollzuges:

(1) Zur Durchführung von Fördermaßnahmen auch außerhalb der Anstalt können Vollzugslockerungen gewährt werden.

(2) Als Lockerungen des Vollzuges können insbesondere gewährt werden:

1. regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Jugendstrafanstalt unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten (Freigang),

2. Verlassen der Jugendstrafanstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten (Ausgang), gegebenenfalls jedoch in Begleitung einer Bezugsperson (Ausgang in Begleitung).

(3) Ob das Erziehungsziel durch Lockerungen besser erreicht werden kann, ist im Rahmen der Aufnahme, des Förderplans und seiner Fortschreibung regelmäßig zu prüfen. Sie können gewährt werden, wenn die Gefangenen für die jeweilige Maßnahme geeignet sind, namentlich ihre Persönlichkeit ausreichend gefestigt und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen.

(4) Gefangene dürfen ohne ihre Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.

(5) Die Personensorgeberechtigten sollen vor der Entscheidung über die Gewährung einer Lockerung gehört werden, wenn dadurch das Erziehungsziel und das Ziel der Lockerung nicht gefährdet oder beeinträchtigt wird.

(6) Durch die Lockerungen nach Abs. 2 wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.

§ 15:

Urlaub aus dem Vollzug:

(1) Zur Förderung der Wiedereingliederung in das Leben in Freiheit, insbesondere zur Aufrechterhaltung sozialer Bindungen, kann nach Maßgabe des Förderplans Urlaub bis zu 24 Tagen in einem Vollstreckungsjahr gewährt werden.

(2) § 14 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Die Personensorgeberechtigten sollen vor der Entscheidung über die Gewährung des Urlaubs gehört werden, wenn dadurch das Erziehungsziel und das Ziel der Lockerung nicht gefährdet oder beeinträchtigt wird.

(4) Durch Urlaub wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.

§ 16:

Weisungen, Rücknahme und Widerruf:

(1) Für Lockerungen und Urlaub können den Gefangenen Weisungen erteilt werden. Insbesondere können sie angewiesen werden,

1. Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,

2. sich zu festgesetzten Zeiten bei einer bestimmten Stelle oder Person zu melden,

3. Kontakte mit bestimmten Personen oder Gruppen zu meiden,

4. bestimmte Gegenstände nicht zu besitzen,

5. Alkohol oder andere berauschende Stoffe zu meiden,

6. in regelmäßigen Abständen Proben zur Überwachung einer Weisung nach Nr. 5 abzugeben.

(2) Lockerungen und Urlaub können zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Bewilligung nicht vorgelegen haben.

(3) Lockerungen und Urlaub können widerrufen werden,

1. wenn aufgrund nachträglich eingetretener Umstände die Maßna hmen hätten versagt werden können,

2. die Maßnahmen missbraucht werden oder

3. Weisungen nicht befolgt werden.

§ 17:

Verlassen der Anstalt aus wichtigem Anlass:

(1) Aus wichtigem Anlass kann Ausgang oder zusätzlich zu § 15 Abs. 1 bis zu sieben Tagen Urlaub aus der Haft gewährt werden. Die Beschränkung auf sieben Tage gilt nicht bei einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes von Angehörigen. § 14 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 sowie § 16 gelten entsprechend.

(2) Kann Ausgang oder Urlaub aus der Haft aus den in § 14 Abs. 3 Satz 2 genannten Gründen nicht gewährt werden, können die Gefangenen mit ihrer Zustimmung ausgeführt werden, sofern der Ausführung wegen Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr nicht überwiegende Gründe entgegenstehen. Die Kosten der Ausführung können den Gefange nen auferlegt werden, wenn dies das Erreichen des Erziehungsziels nicht behindert.

(3) Auf Ersuchen eines Gerichts erfolgt eine Vorführung, sofern ein Vorführbefehl vorliegt. Die Vollzugsbehörde unterrichtet das Gericht über das Veranlasste.

§ 18:

Entlassungsvorbereitung:

(1) Die Anstalt arbeitet frühzeitig, spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, darauf hin, dass die Gefangenen über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf in nachsorgende Maßnahmen vermittelt werden. Hierbei arbeitet sie mit Dritten (§ 7), insbesondere der Bewährungshilfe, den Führungsaufsichtsstellen, der Jugendgerichtshilfe und der freiwilligen Straffälligenhilfe, zum Zwecke der sozialen und beruflichen Eingliederung der Gefangenen zusammen. Die Bewährungshilfe ist zu einer solchen Zusammenarbeit schon während des Vollzugs verpflichtet, um einen bestmöglichen Übergang der Betreuung zu gewährleisten. Die Personensorgeberechtigten und die Jugendämter werden unterrichtet.

(2) Zur Vorbereitung der Entlassung soll der Vollzug gelockert werden (§ 14). § 16 gilt entsprechend.

(3) Den Gefangenen kann nach Anhörung der Vollstreckungsleitung Urlaub aus der Haft zur Entlassungsvorbereitung von insgesamt bis zu sechs Monaten gewährt werden. § 15 gilt entsprechend. Urlaub aus der Haft nach § 15 wird hierauf angerechnet. Den Gefangenen sind geeignete Weisungen nach § 16 Abs. 1 zu erteilen. Während der Entlassungsfreistellung werden die Gefangenen durch die Anstalt betreut.

(4) Die Gefangenen werden in den offenen Vollzug (§ 13) oder im Rahmen von vollzugsöffnenden Maßnahmen in besonderen Erziehungseinrichtungen oder Übergangseinrichtungen freier Träger (§ 13 Abs. 4) verlegt, wenn dies der Vorbereitung der Entlassung dient. § 13 Abs. 1, 2 und 3 gelten entsprechend.

§ 19:

Entlassung und Hilfen:

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, ist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Dem Gefangenen ist zu helfen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden.

(2) Die Gefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden. Fällt das Strafende auf einen Sonnabend, Sonntag oder einen anderen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar, so können die Gefangenen an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit vertretbar ist und andere Gründe nicht entgegenstehen.

Der Entlassungszeitpunkt kann unbeschadet von Satz 2 bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn die Gefangenen zu ihrer Eingliederung oder aus anderen dringenden Gründen hierauf angewiesen sind.

(3) Bedürftigen Gefangenen ist eine Entlassungsbeihilfe, insbesondere ein Reisekostenzuschuss oder angemessene Kleidung, zu gewähren. Die Entlassungsbeihilfe kann auch eine Überbrückungsbeihilfe beinhalten.

(4) Bei der Bemessung der Höhe der Überbrückungsbeihilfe sind die Dauer des Freiheitsentzuges, der persönliche Arbeitseinsatz des Gefangenen und die Wirtschaftlichkeit seiner Verfügungen über Eigengeld und Hausgeld während der Strafzeit zu berücksichtigen. § 44 Abs. 2 gilt entsprechend.