Bedeutung des Förderplans

Um auch insoweit dem bereits in § 5 Abs. 5 und § 8 Abs. 6 enthaltenen Grundsatz der frühestmöglichen Förderung Rechnung zu tragen, legt Abs. 1 Satz 1 fest, dass der Förderplan innerhalb von vier Wochen nach der Aufnahme von der Anstalt zu erstellen ist. Dieser zeitnahen Verpflichtung kommt nicht zuletzt auch mit Blick auf im Einzelfall relativ kurze Verweilzeiten der Jugendlichen und Heranwachsenden im Vollzug besondere Bedeutung zu, sodass die zeitliche Vorgabe des Abs. 1 Satz 1 durch die Erstellung eines vorläufigen Förderplans einzuhalten ist, wenn trotz aller Bemühungen der Anstalt - z. B. aufgrund fehlender Unterlagen oder Auskünfte Dritter die Erstellung eines endgültigen Förderplans nicht möglich ist.

Aufgrund der Bedeutung des Förderplans ist dieser gem. Abs. 2 Satz 2 im Rahmen der Vollzugskonferenz nach § 73 Abs. 3 zu beraten und die Erkenntnisse der an dem Behandlungsvollzug maßgeblich beteiligten Bediensteten sind angemessen einzubeziehen.

Außerdem sind nach Abs. 2 Satz 3 mit den Jugendlichen und Heranwachsenden im Zuge der Umsetzung des Förderplans regelmäßig Zielvorgaben und -vereinbarungen zu verabreden, die für die Gefangenen und die Anstalt in gleicher Weise verbindlich sind und an denen sich die Beteiligten zusätzlich orientieren können. Auch in diesem Zusammenhang wird deutlich, welcher Stellenwert der Mitwirkung der Gefangenen nach § 4 Abs. 1 zukommt und warum es wichtig und bedeutend ist, dass diese gem. § 4 Abs. 2 in geeigneter Weise geweckt und gefördert wird.

Dem bereits in § 3 Abs. 1 angelegten, sich fortentwickelnden System der Förderung folgt auch die Ausgestaltung des Vollzugs von Jugend- und Freiheitsstrafen nach Abs. 3, welcher ebenfalls an die Vereinbarung von Zielvorgaben nach Abs. 2 Satz 3 anknüpft. Danach werden die Inhalte des Förderplans zu Beginn der Jugend- und Freiheitsstrafe sowie regelmäßig in einem Abstand von maximal drei Monaten überprüft und gemeinsam mit dem jeweiligen Gefangenen erörtert. Dabei werden das Engagement des Gefangenen und die Entwicklungsfortschritte des Jugendlichen oder Heranwachsenden berücksichtigt. Desgleichen sind aufgetretene Schwierigkeiten und Hemmnisse, die eine positive Entwicklung des Gefangenen beeinträchtigt haben, angemessen zu berücksichtigen.

Abs. 4 regelt, welche Mindestangaben der Förderplan enthält. Die Aufzählung ist nicht abschließend und kann aufgrund individueller Fallgestaltungen ergänzt werden. Damit erfüllt die Ausgestaltung des Förderplans auch die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 2 BvR 2132/05 vom 25. September 2006) aufgestellten Grundsätze für die Erstellung einer Vollzugsplanung.

In Abs. 4 Nr. 1 ist festgelegt, dass der Förderplan die wesentlichen Grundlagen und Ergebnisse der Eingangsdiagnostik enthält und darstellt, welche Fördermaßnahmen zur Erreichung des Erziehungszieles darauf aufbauend festgelegt worden sind.

Nach Abs. 4 Nr. 2 ist im Förderplan festzulegen, in welcher Weise der Jugendliche oder Heranwachsende im Vollzug unterzubringen ist. Dabei ist unter Berücksichtigung der Eignung des Gefangenen zu entscheiden, welche der nach § 13 bestehenden Vollzugsformen Anwendung finden soll, ob es Gründe gegen eine Unterbringung in einer Wohngruppe (§ 20) gibt und ob es erforderlich und geboten ist, den Gefangenen in einer sozialtherapeutischen Abteilung (§ 12) unterzubringen. Gleiches gilt für eine Verlegung nach § 11.

Gem. Abs. 4 Nr. 3 ist im Förderplan fest- und fortzuschreiben, in welcher Weise der Jugendliche oder Heranwachsende an schulischen, berufsorientierenden, berufsqualifizierenden oder arbeitstherapeutischen Maßnahmen teilnimmt oder diesem Arbeit zugewiesen wird.

Abs. 4 Nr. 4 bestimmt den Inhalt des Förderplans hinsichtlich der Art und des Umfanges an therapeutischer Behandlung oder anderen Hilfs- oder Erziehungsmaßnahmen und benennt dabei insbesondere die Teilnahme an Maßnahmen zur Gewaltprävention - speziell einem Anti-Aggressions-Training.

Die Angaben nach Abs. 4 Nr. 5 tragen der Verpflichtung der Anstalt zur Aufrechterhaltung und Förderung der Gesundheit der in ihrer Obhut befindlichen Gefangenen Rechnung. Abs. 4 Nr. 6 und 7 folgen dem Grundsatz, dass die Ausübung von Sport neben gesundheitsfördernden Aspekten auch in wesentlicher Weise zur Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen beiträgt. Daraus folgt, dass dem Sport im Vollzug ein besonderer Stellenwert zukommt, sodass es sinnvoll ist, im Förderplan nicht nur die Teilnahme am verbindlichen Sportunterricht zu regeln, sondern auch die Durchführung sportlicher Aktivitäten in der zur Verfügung stehenden Freizeit aufzugreifen.

Darüber hinaus werden gem. Nr. 7 ebenfalls Art und Umfang der Teilnahme an anderen Freizeitaktivitäten aufgeführt. Hintergrund einer solchen Dokumentation und Festschreibung ist, dass die Jugendlichen und Heranwachsenden im Rahmen der Förderung ebenfalls lernen sollen, ihre Freizeit in sinnvoller Weise zu füllen und zu gestalten.

Für die Entwicklung des einzelnen Gefangenen ist es für die Erreichung des Erziehungszieles von Bedeutung, dass ihm oder ihr auch Perspektiven aufgezeigt werden. Dies gilt nicht nur für die Möglichkeiten nach der Haftentlassung, sondern insbesondere auch für die gesamte Vollzugsdauer. Aus diesem Grund ist es nach Abs. 4 Nr. 8 wichtig und notwendig, in den Förderplan ebenfalls die persönliche Eignung des Jugendlichen oder Heranwachsenden für die Gewährung von Lockerungen (§ 14) und Urlaub (§ 15) zu dokumentieren und den gemeinsamen Weg zur Erreichung dieser die Haftentlassung vorbereitenden Maßnahmen zu planen.

Abs. 4 Nr. 9 greift die herausgehobene Bedeutung familiärer Kontakte sowie die Notwendigkeit des Erhalts sozialer Kontakte für die Jugendlichen und Heranwachsenden auf.

Gem. Abs. 4 Nr. 10 ist in den Förderplan ebenfalls aufzuführen, in welcher Weise sich der Jugendliche oder Heranwachsende in die Alltagsabläufe der Anstalt einbringen kann und einbringt.

Aus Abs. 4 Nr. 11 folgt, dass der Förderplan ebenfalls Angaben darüber enthalten soll, in welcher Weise dem Gefangenen individuelle Maßnahmen und Angebote zum Ausgleich der Folgen seiner Tat gemacht werden, die dieser zur Erreichung des Erziehungsziels wahrzunehmen hat.

Nach Abs. 4 Nr. 12 ist in den Förderplan auch aufzunehmen, ob, in welchem Umfang und durch welche Maßnahmen es zur Erreichung des Erziehungszieles erforderlich ist, dem Gefangenen bei der Regulierung finanzieller Verbindlichkeiten zu helfen. Dabei sind die konkreten Maßnahmen zu benennen und deren Umsetzung im Wege der Fortschreibung zu dokumentieren.

Neben den bereits zu Abs. 4 Nr. 8 genannten Maßnahmen zur Vorbereitung der Haftentlassung, ist es ebenfalls erforderlich, für die Zeit nach der Strafverbüßung das Leben des Jugendlichen oder Heranwachsenden stabilisierende Faktoren vorzubereiten und über den Entlassungszeitpunkt hinaus strukturiert anzulegen. Diesem Erfordernis folgt Abs. 4 Nr. 13.

Zu den stabilisierenden Faktoren im Rahmen der Haftentlassung gehört auch, dass dem zu entlassenden Gefangenen feste Ansprechpartner zur Verfügung stehen, sodass diese gem. Abs. 4 Nr. 14 ebenfalls im Förderplan zu benennen sind.

Aus Abs. 4 Nr. 15 wird nochmals in besonderer Weise deutlich, dass die Entwicklung und Festlegung des Förderplans kein einmaliger Vorgang ist, der die Abläufe und Perspektiven des Gefangenen während des Vollzugs in ein starres Korsett zwingt. Vielmehr ist der Förderplan entsprechend der Entwicklung des Jugendlichen oder Heranwachsenden während der gesamten Vollzugsdauer fortzuschreiben und anzupassen. Dies geschieht innerhalb des von Abs. 3 vorgegebenen zeitlichen Rahmens, der in der individuellen Förderplanung jeweils zu konkretisieren ist.

Gem. Abs. 5 erhält der Jugendliche oder Heranwachsende ebenfalls ein Exemplar des Förderplans und der diesen ergänzenden Fortschreibungen.

Dies ermöglicht es dem jeweiligen Gefangenen sich in eigener Verantwortung über den Vollzugsverlauf und die an ihn gestellten Anforderungen zu informieren sowie die Umsetzung des Förderplans zu begleiten. Zudem wird auf diese Weise die Verbindlichkeit und Bedeutung des Förderplans zusätzlich unterstrichen.

Die Abs. 6 und 7 beziehen im Rahmen der Anerkennung und Berücksichtigung des Elternrechts die Sorgeberechtigen angemessen in die Erreichung des Erziehungszieles ein und konkretisiert somit die Regelung des § 7 Abs. 3.

Nach Abs. 8 Satz 1 werden der Förderplan und seine Fortschreibungen der Vollstreckungsleitung bekannt gegeben. Damit wird die Vollstreckungsleitung möglichst frühzeitig und umfassend über die Planungen der Anstalt bezüglich der weiteren Förderung des jeweiligen Gefangenen in Kenntnis gesetzt und in die Vollzugplanung einbezogen.

Dies ist notwendig, weil die Vollstreckungsleitung bei der Resozialisierung des Gefangenen maßgeblich mitwirkt. Sie entscheidet z. B. auch über die Ausnahme der Gefangenen vom Jugendstrafvollzug nach § 92 Abs. 3 JGG und darüber, ob und wann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird (§ 88 Abs. 3 bis 6 JGG). Allein hierzu ist es erforderlich, dass die Vollstreckungsleitung über die Vollzugsplanung umfassend informiert wird und gegebenenfalls frühzeitig Anmerkungen anbringen kann.

Zu § 11:

Die Vorschrift regelt unter welchen Voraussetzungen eine Verlegung (Abs. 1), vorübergehende Überstellung (Abs. 2) und die vorübergehende Übergabe eines Gefangenen an die Polizei (so gen. Ausantwortung) (Abs. 3) durchgeführt werden kann.

Dabei folgt aus der Formulierung der Abs. 1 und 2, dass eine Verlegung und Überstellung grundsätzlich aus erzieherischen Gründen in Betracht kommt. Daneben können aber auch andere Gründe für eine Verlegung oder Überstellung eines Jugendlichen oder Heranwachsenden sprechen. Dies gilt insbesondere für Fragen der Vollzugsorganisation oder Sicherheit und Ordnung. Die Regelungen sind jedoch nicht abschließend. Dies ergibt sich u.a. aus der Regelung des § 26 Abs. 4, die eine speziellere und vorrangige Regelung bei entsprechender medizinischer Indikation darstellt.

Während die Verlegung nach Abs. 1 auf Dauer angelegt ist, stellt eine Überstellung gem. Abs. 2 eine befristete Überführung eines Gefangenen in eine andere Vollzugsanstalt dar.

Verlegungen dürfen nur in andere Jugendstrafvollzugsanstalten erfolgen, da ansonsten eine Herausnahme aus dem Jugendvollzug iSd. § 92 Abs. 2 JGG vorliegen würde, die allein durch richterliche Entscheidung möglich ist.

Demgegenüber sind vorübergehende Überstellungen wegen ihres vorläufigen Charakters auch in Anstalten des Erwachsenenvollzugs möglich.

Die in Abs. 1 Nr. 1 und 2 enthaltenen Verlegungsgründe orientieren sich an dem Grundsatz der bestmöglichen Erreichung des Erziehungszieles. Der Unterschied der beiden Varianten besteht im Wesentlichen darin, dass die Entscheidung einer Verlegung nach Nr. 1 bereits zu Beginn des Freiheitsentzugs als Ergebnis der Eingangsdiagnostik und der Ermittlung des individuellen Förderbedarfs getroffen wird. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, dass die abgebende und die aufnehmende Anstalt gem. § 70 Abs. 2 eine Einweisungskommission bilden.

Die Frage nach einer Verlegung gem. Nr. 2 stellt sich in aller Regel, nachdem sich der Jugendliche oder Heranwachsende bereits eine zeitlang im Vollzug befunden hat und sich nunmehr aufgrund der Entwicklung des Gefangenen oder mit Blick auf die Eingliederung nach der Entlassung eine Verlegung in eine andere Jugendstrafvollzugsanstalt anbietet.

In Anlehnung an die für den Erwachsenenvollzug geltende Vorschrift des

§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG konkretisiert Abs. 1 Nr. 3 die für eine Verlegung in Betracht kommenden Gründe um die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt.

Auch Abs. 1 Nr. 4 ist in Anlehnung an die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 gefasst. Als andere wichtige Gründe kommen dabei insbesondere persönliche Belange des Jugendlichen oder Heranwachsenden in Betracht.