Bundestierärztekammer

Mündliche Anfragen gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 Hoderlein (SPD): Trifft es zu, dass der Präsident der Bayerischen- und Bundestierärztekammer, Prof. Dr. Günter Pschorn, seit 1995/96 über ansteigende Konzentrationen von Tiermehl in Futtermitteln und andere Schwachstellen im Veterinärbereich das Bayerische Sozial- und das Landwirtschaftsministerium informiert hat; und welche Konsequenzen wurden von der Staatsregierung hieraus gezogen?

Antwort der Staatsregierung: Dem Sozialministerium sind konkrete Hinweise des Herrn Prof. Dr. Pschorn über ansteigende Konzentrationen von Tiermehl in Futtermitteln oder andere Schwachstellen im Veterinärbereich mit Ausnahme eines Schreibens zur Problematik des illegalen Tierarzneimitteleinsatzes nicht bekannt.

Erkenntnisse aus dem liegen mir derzeit nicht vor.

Frau Renate Schmidt (SPD): Unterstützt die Staatsregierung die Forderung der Tierärztekammer, bei Verstößen gegen das Tierarzneimittelgesetz dem Tierarzt sofort die Zulassung zu entziehen, wie viele Verstöße gegen das Tierarzneimittelgesetz wurden in den letzten fünf Jahren in Bayern festgestellt und wie viele Zulassungen von Tierärzten bzw. für die Betreibung einer Tierarzneiapotheke wurden entzogen?

Antwort der Staatsregierung: Tagesmeldungen zufolge hegt die Bayerische Landestierärztekammer die Vorstellung, dass bei Verstößen gegen das Tierarzneimittelrecht den betroffenen Tierärzten sofort und sozusagen automatisch die Berufszulassung entzogen werden sollte.

Bei den Maßnahmen des Widerrufs oder ­ als vorläufige Maßnahme ­ der Anordnung des Ruhens der Approbation als Tierarzt handelt es sich um existenzvernichtende, in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 GG eingreifende Maßnahmen. Derartige Maßnahmen können jeweils erst nach Prüfung des konkreten Einzelfalls bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Fehlens der persönlichen Zuverlässigkeit oder der Würdigkeit erfolgen. Ein Automatismus, auf den aus den Pressemeldungen geschlossen werden könnte, ist daher schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Der Widerruf oder die Anordnung des Ruhens der Approbation sind übrigens die schärfsten Maßnahmen des Berufsrechts, deren Ausspruch dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss. Das Berufsrecht sieht daher daneben ein abgestuftes System berufsdisziplinarischer Maßnahmen vor, die von einer Rüge über einen förmlichen Verweis bis hin zur Verhängung einer Geldbuße von bis zu DM 100000 im berufsgerichtlichen Verfahren reichen. Deshalb ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen und zu entscheiden, welche der genannten Maßnahmen ergriffen werden können.

Die Möglichkeit, den Betrieb einer tierärztlichen Hausapotheke zu untersagen, sieht das geltende Recht nicht vor.

In der Kürze der Zeit war es nicht möglich, bei den für den Vollzug zuständigen nachgeordneten Behörden (Regierungen, Kreisverwaltungsämter, Veterinärämter) Erhebungen durchzuführen, wie viele Verstöße gegen das Tierarzneimittelrecht in den letzten fünf Jahren bekannt geworden sind und in wie vielen Fällen in diesem Zusammenhang konkret der Widerruf der Approbation ausgesprochen oder deren Ruhen angeordnet worden ist. Dem Staatsministerium ist allerdings bekannt, dass in mehreren Fällen wegen massiver und/oder nachhaltiger Verstöße gegen das Tierarzneimittelrecht Tierärzten die Berufszulassung entzogen worden ist.

Zu dem konkreten Anlassfall, über den die Presse berichtet hat, hat die zuständige Regierung von Niederbayern inzwischen gemäß § 8 Bundes-Tierärzteordnung das Verwaltungsverfahren auf Ruhen der Approbation eingeleitet, nachdem vor wenigen Tagen gegen den betroffenen Tierarzt wegen dringenden Verdachts strafbarer Verstöße gegen das Tierarzneimittelrecht Haftbefehl ergangen ist.

Frau von Truchseß (SPD): Gab es 1999 und 2000 aufgrund der mitgeteilten Beobachtungen der Tierärztekammer ministerielle Anweisungen, Schlachttiere gezielt auf Antibiotikarückstände zu untersuchen und bei positi ven Ergebnissen die regionale Herkunft der Schlachttiere zu dokumentieren, bzw. die regionalen Mengenströme von Antibiotikapräparaten zu erfassen?

Antwort der Staatsregierung: Die Mitteilungen der Tierärztekammer waren zu wenig konkret, um gezielte Maßnahmen einzuleiten.

Unabhängig davon wird nach den fleischhygienerechtlichen Bestimmungen jedes positive Ergebnis einer Rückstandsuntersuchung auf Antibiotika der Kreisverwaltungsbehörde gemeldet. Diese stellt in eigener Zuständigkeit Ermittlungen an, um die Ursache der Rückstandsbildung zu ergründen.

Die regionalen Mengenströme von Antibiotikapräparaten werden statistisch mangels entsprechender Rechtsgrundlage behördlich nicht erfasst.

Heinrich (SPD): Trifft es zu, dass das Bundesgesundheitsministerium bereits 1995 die Bayerische Staatsregierung gebeten hat aufzuklären, ob von Bayern aus Tierarzneimittel illegal in Verkehr gebracht worden sind, und wenn ja, was hat die Bayerische Staatsregierung wann in dieser Angelegenheit unternommen?

Antwort der Staatsregierung: Es trifft zu, dass das Bundesgesundheitsministerium bereits 1995 den Verdacht geäußert hat, dass Tierarzneimittel illegal in Verkehr gebracht worden sind.

1. Vorgang:

Am 30.11.1995 hat das Bundesgesundheitsministerium gegenüber dem den Verdacht mitgeteilt, dass Tierarzneimittel illegal durch einen bayerischen Tierarzt in Österreich in den Verkehr gebracht worden sein sollen. Der Vorgang wurde über die Regierung von Niederbayern an das zuständige Veterinäramt weitergeleitet.

Am 11.06.1996 erfolgte eine Anzeige an die Kriminalpolizei Passau, dass in mindestens drei Fällen größere Mengen Tierarzneimittel an österreichische Landwirte abgegeben wurden. Von dort erfolgte die Abgabe an die Staatsanwaltschaft Landshut.

Am 14.03.1997 wurde das Verfahren gemäß § 154 eingestellt, da gegen den Tierarzt bereits eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten wegen eines anderen Delikts verhängt worden war und im Vergleich dazu Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz nicht beträchtlich ins Gewicht fielen. Von der Einstellung des Verfahrens am 14.03.1997 durch die Staatsanwaltschaft Landshut waren auch die mit dem Bußgeldbescheid vom 30.04. von der Regierung von Niederbayern angezeigten Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz betroffen.

Weitere Anzeigen der Regierung von Niederbayern bei der Staatsanwaltschaft Landshut wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz erfolgten am 24.03.1997, 24.03.1998, 18.05.1998 und 24.03.1999.

Am 12.02.1998 erfolgte das Urteil des Amtsgerichts Landshut in diesem Verfahren (2800,00 DM Geldbuße).

2. Vorgang

Am 30.03.2000 wurde eine Information des Österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales durch das Bundesgesundheitsministerium an das herangetragen, dass große Mengen Arzneimittel und Impfstoffe, die durch den bayerischen Tierarzt nach Österreich geschafft worden waren, beschlagnahmt wurden.

Am 12.09.2000 hat das zuständige Veterninäramt Pfarrkirchen die Regierung unterrichtet, dass das Landeskriminalamt in München bereits gegen den Tierarzt in anderer Sache ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat entschieden, dass für das widerrechtliche Verbringen von Tierarzneimitteln nach Österreich die dortigen Behörden zuständig seien, von den deutschen Justizbehörden sei somit nichts veranlasst. Das hat das Ministerium in Wien entsprechend unterrichtet.

Frau Schmidt-Sibeth (SPD): Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung generell den Einsatz von Antibiotika in den intensiven Tierhaltungen und wie beurteilt sie die zunehmende Resistenzentwicklung gegenüber Krankheitserregern bei Mensch und Tier, wie sie bei unsachgemäßem Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft gefördert wird?

Antwort der Staatsregierung: Mit dem Einsatz von Antibiotika insbesondere in intensiven Tierhaltungen ist eine weitere Zunahme antibiotikaresistenter Keime zu erwarten.

Bereits jetzt stellen derartige Resistenzen ein ernsthaftes Problem sowohl in der Human- wie auch in der Tiermedizin dar.

Ein Gesundheitsrisiko für den Menschen ist insbesondere durch das Auftreten von Keimen gegeben, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig unempfindlich sind, also durch sogenannte multiresistente Erreger. Die Behandlungsmöglichkeiten des Erkrankten werden hierdurch teils erheblich eingeschränkt, mit der Folge, dass gemeinhin als wenig schwerwiegend geltende Infektionen einen bösartigen Verlauf nehmen können.

Die Frage, inwieweit Resistenzprobleme in der Humanmedizin auf den Einsatz von Antibiotika beim Menschen bzw. bei Tierhaltungen zurückzuführen sind, lässt sich derzeit nicht abschließend beantworten. Jedenfalls besteht Grund zur Annahme, dass der Einsatz in der Tiermedizin als wesentliche Mitursache anzusehen ist.

Verantwortliches Handeln in der Human- wie in der Tiermedizin lässt daher in jedem Fall den Einsatz von Antibiotika nur bei sorgfältiger ärztlicher bzw. tierärztlich begründeter Indikation zu.

Ich begrüsse deshalb die Forderung der Sonderkonferenz der für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder am 29. Januar 2001 in Bremen. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:

Tierarzneimittel dürfen bei Tieren nur noch im Krankheitsfall angewandt werden. Davon ausgenommen sind Impfungen oder andere, einheitlich von den zuständigen Bundesoberbehörden in Zusammenarbeit mit den Ländern festzulegende Präventionsmaßnahmen. Eine Verfütterung von Tierarzneimitteln an gesunde Tiere in Form der bisher üblichen Bestandsbehandlung ist abzulehnen. Die Länder werden die Überwachung des Einsatzes von Tierarzneimitteln verstärken. Die Anwendung von Tierarzneimitteln über das so beschriebene Maß hinaus, wie zum Beispiel antibiotische Zusatzstoffe als Leistungsförderer oder ungezielt prophylaktisch, muss verboten werden. Diese Maßnahmen müssen auch EUweit umgesetzt werden. Pfaffmann (SPD): In welcher Weise sind die Landwirte verpflichtet, über den Einsatz von Tierarzneimitteln Buch zu führen und wie wurde in der Vergangenheit der Antibiotikaverbrauch in der Schweinemast mengenmäßig und bezogen auf einzelne Betriebe in Bayern erfasst.

Antwort der Staatsregierung: Nach der Verordnung über Nachweispflichten für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, hat jeder Halter von Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, über Lieferant, Art und Menge der von ihm bezogenen, zur Anwendung bei Tieren bestimmten Arzneimittel Nachweise zu führen. Diese sind drei Jahre aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen.

Der Verbrauch, mengenmäßig und bezogen auf die einzelnen Betriebe wird nicht erfasst.

Frau Peters (SPD): Seit wann hat die Staatsregierung Kenntnis von missbräuchlicher Verabreichung wachstumsfördernder Medikamente an Schweine, und wie hat die Staatsregierung bisher darauf reagiert?

Antwort der Staatsregierung: Derzeit sind vier wachstumsfördernde Medikamente ­ gemeint sind antibiotische Leistungsförderer ­ zur Verabreichung an Schweine mit dem Futter erlaubt. Am 29.01.2001 hat der Agrarrat in Brüssel beschlossen, dass diese EG-weit verboten werden. Die Kommission wird dazu in Kürze einen Vorschlag unterbreiten.

Diese vier Zusatzstoffe sind nach dem Futtermittelrecht nur mit einer bestimmten Konzentration unter teilweisen Verwendungsbeschränkungen erlaubt.

Bei Bekanntwerden missbräuchlicher Verabreichung wachstumsfördernder Medikamente werden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet.

Aktuell haben entsprechende Hinweise am 18.01. zu zahlreichen Hausdurchsuchungen geführt. Die beschlagnahmten Arzneimittel werden am Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Südbayern untersucht. Dies ist dadurch erschwert, dass auch Arzneimittel vorgefunden wurden, die nicht etikettiert und darum noch nicht identifizierbar waren.

Frau Lück (SPD): Wie viele Schweinemastbetriebe in Bayern werden von wie vielen Kontrolleuren auf die Einhaltung von EU-Richtlinien und -Verordnungen insbesondere zum Schutz gegen missbräuchliche Verabreichung von wachstumsfördernden Medikamenten überprüft, wie oft wurde 1999 und 2000 ein Betrieb durchschnittlich überprüft?

Antwort der Staatsregierung: Die Anfrage lässt sich ohne Erhebungen bei den örtlichen Behörden in der Kürze der Zeit nicht beantworten. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass es Bayern ausweislich des Bayerischen Agrarberichts 2000 über 43000 schweinehaltende und etwa 100000 rinderhaltende Betriebe gibt.

Die Verwendung wachstumsfördernder Arzneimittel, wie Hormone, wird im Rahmen des nationalen Rückstandskontrollplans untersucht.

Frau Naaß (SPD): Wie viele Lebensmittelkontrolleure gibt es derzeit in Bayern, ist diese Anzahl ausreichend, um eine gesicherte Lebensmittelkontrolle im Sinne des Verbraucherschutzes zu gewährleisten, und wenn nein, wie viele neue Einstellungen müssten vorgenommen werden?

Antwort der Ssaatsregierung: Für die amtliche Lebensmittelüberwachung in Bayern stehen derzeit 270 staatliche Lebensmittelkontrolleure an den Landratsämtern und etwa 125 bis 130 kommunale Beamte bei den kreisfreien Gemeinden zur Verfügung.

Stellenmehrungen sind dringend erforderlich. Dies wird ein Schwerpunkt des Nachtragshaushaltes sein.

Frau Voget (SPD): Trifft es zu, dass zur aktuellen BSEKrise die Lebensmittelkontrolleure lediglich mit einem Rundschreiben des Sozialministeriums darauf hingewiesen wurden, auf die Kennzeichnungspflicht bei Wurstwaren zu achten und hält sie diese Information in diesem aktuellen Fall für ausreichend?

Antwort der Staatsregierung: Es gehört zu den Aufgaben der amtlichen Lebensmittelüberwachung und damit der Lebensmittelkontrolleure vor Ort auf die richtige Kennzeichnung von Fleisch und Fleischerzeugnissen zu achten. Zu diesem Zweck wurden den Kreisverwaltungsbehörden durch mehrere Rundschreiben Hinweise zur Überwachung falsch deklarierter Fleischerzeugnisse und zur Kennzeichnung von Rindfleisch gegeben. Die im Einzelfall jeweils betroffenen Kreisverwaltungsbehörden wurden vom Gesundheitsministerium außerdem wiederholt schriftlich und fernmündlich informiert und beraten.

Frau Dr. Baumann (SPD): Wie beurteilt die Staatsregierung heute die Zerschlagung der Lebensmittelüberwachung in Bayern durch die Überleitung der Zuständigkeit auf die politischen Wahlbeamten in den Landkreisen?