Dr Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Was sagen die Bürger Wir stellen uns der Verantwortung

Plenarprotokoll 14/68 v. 27.06.2001 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode 4929 hältnissen im Aufsichtsrat nichts geändert. Der Freistaat nimmt seine Verantwortung umfassend wahr, konzeptionell, technologisch, in Verantwortung für Gesundheit und Umwelt, für Bürger und die Region. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Aufregung, die in Ihren Anträgen zum Ausdruck kommt, unbegründet.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was sagen die Bürger?)

Wir stellen uns der Verantwortung. Ich bin aber nicht bereit, über ein solch wichtiges Thema leichtfertig hinwegzugehen; denn letzten Endes schließen wir für unsere Wirtschaft Zukunftsperspektiven, wenn wir die Entsorgung kippen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hohes Haus, das kann letzten Endes niemand wollen. Wenn wir in Bayern auf allerhöchstem Niveau ­ ich wiederhole, dass sich unsere Sonderabfallentsorgung in der internationalen Spitzenklasse befindet ­ Abfälle umweltgerecht und umweltverträglich entsorgen können, dann müssen wir auch in Zukunft die Basis, die Grundlage dafür erhalten.

(Beifall bei der CSU) Präsident Böhm: Um das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Kollegin Paulig gebeten. Zwei Minuten stehen dazu zur Verfügung.

Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister Schnappauf, wir sind uns sicher einig, dass das Sondermüllaufkommen verringert und wo möglich vermieden werden soll. Da ist aber die Industrie in der Verantwortung. Ich habe einige Fragen an Sie. Wir haben zunehmende Defizite zu verzeichnen. Von 1999 auf 2000 hat das Defizit in Schwabach und Ebenhausen um 82% auf insgesamt 45 Millionen DM zugenommen. Ich frage Sie: Wie wollen Sie diesem Defizit entgegenwirken? Wird die Industrie über höhere Kosten mit eingeschlossen; denn schließlich hat die Industrie am Export und an der Produktion des Sondermülls verdient. Wird sie höhere Gebühren zu entrichten haben, oder wollen Sie das Defizit über höhere Importmengen giftiger Stoffe auffangen? Diese Fragen möchte ich endlich beantwortet haben; denn wir stehen hier wirklich an einem Scheidepunkt, der zeigt, dass in Bayern keine Konzeption für die Sondermüllproblematik auf dem Tisch liegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Böhm: Der Redner ist berechtigt, auf die Zwischenbemerkung zu antworten. ­ Wenn das nicht der Fall ist, fahren wir in der Aussprache fort. Als nächster hat Herr Kollege Werner das Wort.

Werner (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Schnappauf, wissen Sie, was mir eingefallen ist, als ich jetzt Ihren Beitrag hörte? ­ Einfallslos, hilflos und perspektivlos, nur wortreich war er.

(Beifall bei der SPD)

Die Vergangenheit der GSB ist eine traurige Geschichte, meine Damen und Herren, und jetzt wird ein weiteres dunkles Kapitel hinzugefügt.

Niemand in Ebenhausen und Schwabach und in den umliegenden Gemeinden kann verstehen, dass ausgerechnet der Umweltminister in Sachen GSB so krass versagt. Ihnen ist offensichtlich das Ergebnis des Unternehmens in der Bilanz heilig ­ das Ergebnis gesundheitlicher Schädigungen der Menschen lässt Sie, so wird vielfach kritisiert, kalt. So sehen das jedenfalls die Menschen, die in Ebenhausen und in der Nachbarschaft der Sondermüllverbrennungsanlage wohnen. Eigentlich müsste doch der Umweltminister der Fürsprecher der Menschen sein, die sich Sorgen um die Umwelt und um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Kinder machen.

Die Zahl der Störfälle in Ebenhausen allein ist Legion.

Was ist da von den Verantwortlichen der GSB nicht alles vertuscht worden. Die haben nur zugegeben, was für jedermann am Himmel unschwer als Jod- oder Bromwolke sowieso zu erkennen war. Sie haben in letzter Zeit die Verschleierungstaktik allerdings etwas zurückgefahren. Das ist aber nicht etwa der Einsicht des Umweltministeriums oder gar des Managements der GSB zu verdanken ­ nein, das haben einzig und allein die Menschen in Ebenhausen und in der Nachbarschaft, vor allen Dingen die mehr als 3000 Mitglieder der Bürgerinitiative erreicht. Auf deren Druck, wenn überhaupt, sind die Verbesserungen zustande gekommen.

(Beifall bei der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD)) Herr Minister, wir bleiben dabei: Sie stehlen sich aus der Verantwortung ­ und ich füge ausdrücklich hinzu ­ als einer, der sich hier als Vertreter der dort lebenden Menschen fühlt: Sie versündigen sich an den Menschen, die in der Nachbarschaft der GSB wohnen. Es geht nicht nur darum, diese Anlage umweltfachlich zu beaufsichtigen.

Der Freistaat muss auf die Geschäftspolitik Einfluss nehmen. Das wäre Ihre Aufgabe als Aufsichtsratsvorsitzender gewesen. Dabei wäre das Vertrauen der Menschen in Sie als Aufsichtsratsvorsitzender gering genug.

Das Verfahren zur Auswahl des Neuen, das Sie gewählt haben ­ offensichtlich hat das in der Besenkammer der GSB stattgefunden ­, hat dieses Vertrauen weiter erschüttert. Das Vertrauen in Herrn Prof. Kohl ist gleich Null ­ wie sollte es auch anders sein.

(Willi Müller (CSU): Das ist eine Unverschämtheit!)

Er ist ein Vertreter der chemischen Industrie, und als solcher wird er wahrscheinlich noch mehr als der Umweltminister auf die wirtschaftliche Seite der Angelegenheit achten. Wir fordern: Nehmen Sie auch Ihre persönliche Verantwortung ernst. Stellen Sie sich dieser Verantwortung. Übernehmen Sie wenigstens den Vorsitz im Aufsichtsrat. Nehmen Sie Einfluss auf die Geschäftspolitik.

Sorgen Sie vor allem dafür, dass sich die GSB auf die Aufgaben konzentriert und beschränkt, die auch die Bevölkerung akzeptieren würde, nämlich den Giftmüll, der in Bayern anfällt, zu entsorgen, und zwar so zu ent sorgen, dass damit keine Gefährdung der Menschen verbunden ist.

(Beifall bei der SPD) Präsident Böhm: Nächster Redner ist Herr Kollege Hufe.

Hufe (SPD) (vom Redner nicht autorisiert): Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, weil ich einen bemerkenswerten Satz von Frau Schweder gehört habe. Sie hat nämlich gesagt: Wir haben unter dem Eindruck der Proteste auf die Anlieferung des Mülls verzichtet. Das heißt doch: Wir machen trial and error; wenn die Proteste nicht groß genug sind, holen wir Müll wieder von irgendwo her, und das machen wir solange, bis die Bevölkerung ermüdet ist.

(Beifall bei der SPD) Sehr geehrter Herr Umweltminister, ich habe von Ihnen auf meine Schriftliche Anfrage vom September letzten Jahres am 28. November eine Antwort erhalten, wie Sie denn die Belastungen der Bevölkerung reduzieren wollen. Da schreiben Sie ­ ich zitiere: Mit der Fusion von GSB und SEF ist es insbesondere gelungen, den Umfang erforderlicher Sonderabfalltransporte zu reduzieren. Das Ergebnis sehen wir jetzt: Wenn wir in Schwabach nicht protestiert hätten, hätten wir den Transport von Venezuela nach Bayern gehabt. Sie schreiben weiter: Dies ist sowohl aus betriebswirtschaftlichen als auch aus umweltpolitischen Aspekten zu begrüßen. Jetzt hören Sie genau zu: Ziel ist und bleibt es, Belastungen für die Bevölkerung sowohl aus dem Betrieb der vorhandenen Anlagen als auch aus erforderlichen Sondermülltransporten auf ein Minimum zu beschränken.

Diesen Eindruck habe ich eben nicht. Ihr Ziel ist es, diese Anlage auszulasten, weil 45 Millionen DM Miese dahinterstehen. Wenn aber nicht genügend Müll vorhanden ist, muss man die Konsequenzen ziehen und eine Anlage schließen. Es ist so, dass in Schwabach die Menschen vor der Anlage da waren; sie waren in Walpersdorf und in Vogelherd, dann erst ist diese Anlage hingekommen. Deshalb gibt es nur eine Möglichkeit: die Anlage in Schwabach, die die Menschen 30 Jahre lang belastet hat, zu schließen. Wenn Sie das nicht tun, wird sich das Motto, mit dem Sie antreten wollen, näher am Menschen umdrehen; denn weiter entfernt vom Menschen als jetzt waren Sie noch nie.

(Beifall bei der SPD) Präsident Böhm: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Bevor ich über die Dringlichkeitsanträge der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/6969 und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/7018 in namentlicher Form abstimmen lasse, stelle ich den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der CSUFraktion auf Drucksache 14/7010 zur Abstimmung.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf der Drucksache 14/7010 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. ­ Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? ­ Keine. Stimmenthaltungen? ­ Auch nicht. Dann ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 14/6969. Diese soll auf Wunsch der Fraktionen in namentlicher Form erfolgen. Für die Stimmabgabe sind entsprechend gekennzeichnete Urnen bereitgestellt. Die Urne für die Ja-Stimmen befindet sich auf der Oppositionsseite, die Urne für die Nein-Stimmen auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren, und die Urne für die Enthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch.

Es kann jetzt mit der Stimmabgabe begonnen werden.

Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 15.51 bis 15.56 Uhr) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich werde es später bekannt geben.

Jetzt führen wir die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/7018 durch. Die Urnen sind wie vorhin aufgestellt: die Urne für die bei der CSU-Fraktion, die Urne für die Ja-Stimmen auf der Oppositionsseite.

Mit der Abstimmung kann jetzt begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 15.57 bis 16.02 Uhr) Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaales ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt.

Zu einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung erteile ich Herrn Abgeordneten Freller das Wort.

Freller (CSU): Herr Präsident! Hohes Haus! Als Abgeordneter möchte ich erklären, warum ich mich der Stimme enthalten habe. Ich gebe diese Erklärung auch für den Kollegen Regensburger ab.

Wir sind örtlich betroffen. Ohne Zweifel ist die Sondermüllentsorgung in Schwabach und Ebenhausen ein großes Problem.

Präsident Böhm: Ich bitte um etwas Aufmerksamkeit, damit Herr Freller nicht nur für das Protokoll spricht.

Bitte, Herr Kollege Freller.

Plenarprotokoll 14/68 v. 27.06.2001 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode 4931

Freller (CSU): Die Sondermüllentsorgung in Schwabach und in Ebenhausen ist tatsächlich ein großes Problem.

Wir haben daher Sympathien für eine Reihe von Forderungen, die auch von Oppositionsseite erhoben wurden.

Ich möchte jetzt für mich persönlich ausdrücklich erklären, dass sich in vielem, was Frau Schmitt erklärt hat, auch meine Meinung sowie die der Schwabacher Bürgerschaft wiederfindet. Trotzdem enthalte ich mich der Stimme und stimme ebenso wie der Kollege Regensburger nicht für die beiden Oppositionsanträge, und zwar aus zwei Gründen, die ich Ihnen gern bekannt gebe.

Zum einen möchten wir uns nicht vor den Wahlkampfkarren in Ingolstadt spannen lassen. Es hat uns weh getan, dass dieses Problem offensichtlich genutzt wird, in Ingolstadt Wahlkampf zu machen.

Zum Zweiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, stelle ich eine große Widersprüchlichkeit bei der Argumentation der GRÜNEN fest. Ich wiederhole noch einmal, was ein grüner Stadtrat in den Nürnberger Nachrichten erklärt hat:

Da wird Stimmung gegen ausländischen Müll gemacht, der eigentlich aus Europa kommt. Wir sollten uns vielmehr darüber freuen, dass die Pestizide nicht einfach in den Urwald gekippt werden.

In dem Antrag der GRÜNEN kommt genau das Gegenteil zur Sprache. Wegen dieser Widersprüchlichkeiten und wegen dieser Wahlkampfstrategie in Ingolstadt sind wir nicht bereit, den Anträgen zuzustimmen, sondern enthalten uns der Stimme. Ich bitte um Verständnis bei den Kollegen.

Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es tut mir fast Leid, unseren netten Umweltminister schon wieder attackieren zu müssen. Da haben wir zunächst die Geschichte mit dem Dosenpfand gehabt, danach die Problematik mit dem Sonderabfall und jetzt haben wir auch noch die Einzelhandelsgroßprojekte auf der grünen Wiese, in Stadtrandlage oder weiter weg oder auch im Zentrum. Nur, ich kann es einfach nicht verstehen, wie sich ein Umweltminister zum Vorreiter bei dem Bemühen macht, die restriktive Haltung beispielsweise gegen Factory-Outlet-Centers zur Disposition zu stellen und das in der Presse auch noch als Erfolg zu verkaufen. In dieser Weise handelt Herr Umweltminister Schnappauf tatsächlich umweltfeindlich und mittelstandsfeindlich.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wir wissen doch aus der jahrelangen Diskussion und auch aus der Bewährung der restriktiven Haltung, dass es nur dann gelingt, die Innenstädte attraktiv und lebendig zu erhalten, wenn wir die Einzelhandelsgroßprojekte auf der grünen Wiese verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Genau dies soll jetzt mit einem Beschluss, der wohl durch das Kabinett gedeckt ist und ins Landesentwicklungsprogramm übergeführt werden soll, ausgehebelt werden. Das ist, wie viele CSU-Abgeordnete mit Recht gesagt haben, ein Dammbruch. Das ist ein Dammbruch; denn ist erst einmal in Ingolstadt grünes Licht gegeben, dann wird es in vielen weiteren Projekten zu weiteren Großverkaufsflächen kommen und dann ist hier keine Schwelle mehr einzuziehen, dann ist hier der Damm gebrochen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dem Einzelhandel in den Städten wird mit dieser Vorgehensweise das Wasser abgegraben.

Und ein Zweites ist festzustellen: Vor wenigen Wochen haben wir Bayern als Spitzenreiter bei der Flächenversiegelung kennen gelernt. Bayern ist im Vergleich mit allen Bundesländern, was die Flächenversiegelung betrifft, mit 28,6 Hektar täglich absoluter Spitzenreiter.

Und jetzt plötzlich öffnen wir für diese Großverkaufsflächen Tür und Tor.

(Dr. Bernhard (CSU): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Damit werden wir den Flächenfraß nicht vermindern, sondern massiv beschleunigen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns die einzelnen Argumente anschauen, so haben sich doch gerade jetzt die Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern und der Landesverband des Bayerischen Einzelhandels ganz klar dagegen ausgesprochen, in dieser Weise Großverkaufsflächen zuzulassen. Mit großem Unverständnis ­ so wörtlich ­ hat sich die Arbeitsgemeinschaft geäußert. Der Präsident des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels, Erich Vorwohlt, sagte: Gerade die Entwicklung in den neuen Bundesländern hat gezeigt, dass der Handel auf der grünen Wiese funktioniert, allerdings zulasten der Innenstädte. Und eine bisher relativ erfolgreiche bayerische Strukturpolitik in diesem Bereich wird damit ausgehebelt.