Geburtstagswünsche für die Abgeordneten Günter Gabsteiger Dieter Heckel Adolf Beck und Max Brandl

Ich eröffne die 108. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Aufnahmegenehmigung wurde erteilt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Erinnerung und Gedenken geben unserer Zukunft ein humanes Fundament; denn die Rechenschaft über das Gestern ist Maßstab für das Morgen. Der 27. Januar 1945, also der Tag, an dem vor 58 Jahren das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde, setzt ein Erinnerungszeichen, das uns mahnt: Nie wieder!

Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat den 27. Januar zum Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt. Das darf kein äußerlicher Routine-Pflichttermin werden, im Gegenteil: Wir haben die innere moralische Verpflichtung, an das Unrecht zu erinnern und uns immer wieder von Neuem der ethischen und demokratischen Fundamente unseres Gemeinwesens zu vergewissern.

Heuer ragen weitere historische Ereignisse aus dem Strom der Erinnerung heraus, weil sich ihre Gedenktage runden. Sie stehen für die Zerstörung des Rechtsstaates, die Unterdrückung von Moral und Menschlichkeit und für Zivilcourage und Widerstand gegen das NS-Unrechtsregime.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 begann vor 70 Jahren eine Politik, die 12 Jahre später in der Katastrophe endete. Binnen kurzer Zeit waren die staatlichen Strukturen ausgehöhlt und die Grundrechte außer Kraft gesetzt. Die Nationalsozialisten ließen ihrem Hass gegen verfassungsmäßige Einrichtungen und gegen aufrechte Demokraten freien Lauf. Die demokratischen Parteien wurden verboten oder zur Selbstauflösung gezwungen. Agitation, Willkür und Gewalt der Straße machten auch vor den Parlamenten nicht Halt. Die föderative Ordnung des Reiches wurde zerschlagen. Bayern wurde nachgeordnete Reisprovinz und verlor für 12 Jahre seine Eigenständigkeit, die über 1000 Jahre gewährt hatte. Bereits in den ersten Wochen und Monaten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden zahlreiche bayerische Landtags- und Reichstagsabgeordnete eingeschüchtert, eingekerkert oder im KZ Dachau in so genannte Schutzhaft genommen.

Das Konzentrationslager Dachau wurde ebenfalls vor 70 Jahren am 22. März 1933 als erstes Konzentrationslager in Deutschland errichtet. Hier wurden unzählige Menschen gedemütigt, gefoltert und ermordet, hier haben die Schergen der Vernichtungslager begonnen, den rassistischen Wahn in blutige Realität umzusetzen. Mehr als 200000 Gefangene wurde in diesem Todeslager registriert, über 30000 davon mussten ihr Leben lassen. Die menschliche Vorstellungskraft reicht kaum aus, die Leiden der Opfer zu begreifen: Arbeit bis zur völligen Erschöpfung, Hunger, dauernder Terror, grausame Misshandlungen unter dem Deckmantel medizinisch-wissenschaftlicher Versuche und schließlich bei vielen ein qualvoller Tod.

Von dem Theologen Johann Baptist Metz stammt der Satz: Auschwitz standzuhalten heißt nicht, Auschwitz zu begreifen. Wer hier begreifen wollte, hätte nichts begriffen. Anders formuliert: Wissen und Verstehen allein sind keine angemessenen Kategorien, weil sie eine abschließende Betrachtung und Einordnung nahe legen würden. Es geht vielmehr darum, sich immer wieder von Neuem bewusst zu machen, zu welcher Barbarei Menschen auch in unserem Land fähig gewesen sind. Wir sind es den Opfern und den Überlebenden der Todeslager schuldig, dafür Sorge zu tragen, dass die Sensoren in unserem Land dafür nicht abstumpfen.

Hier liegt eine zentrale Aufgabe der KZ-Gedenkstätten.

Dachau und Flossenbürg sind Mahnmale in Bayern, die dauerhafte Zeichen gegen das Vergessen setzen. Sie sind Stätten der Erinnerung und des Gedenkens, aber ­ mehr noch ­ auch politische und ethische Imperative für alle Generationen.

Der Bayerische Landtag unterstützt ganz bewusst die Erinnerungsarbeit, insbesondere der KZ-Gedenkstätten.

In der letzten Sitzung des Jahres 2002 haben wir Abgeordnete mit einem einstimmigen Votum das Gesetz über die Errichtung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten beschlossen. Zweck dieser Stiftung ist es ­ ich zitiere aus Artikel 2 des Gesetzes ­, die Gedenkstätten als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus, als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten, die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen und dazu beizutragen, dass das Wissen über das historische Geschehen im Bewusstsein der Menschen wach gehalten und weitergetragen wird.

Der Freistaat hat in den zurückliegenden Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, die staatlichen Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg in wesentlichen Teilen neu zu gestalten, ihre Ausstattung zu verbessern und sie stärker in die politische Bildungsarbeit einzubeziehen. Das Gesetz soll der Gedenkstättenarbeit einen neuen rechtlichen Rahmen und darüber hinaus kräftige Impulse geben. Der Bayerische Landtag setzt mit diesen Gesetz ein Zeichen, das über den politischen Alltag hinausweist: gemäß dem Gebot unserer Verfassung wachsam zu sein gegenüber Gefährdungen der Würde des Menschen und gegen die Feinde von Freiheit und Toleranz aufzustehen und deren Ziele öffentlich anzuprangern. In diesem Zusammenhang ist es auch sehr zu begrüßen, dass weitere konkrete Schritte für ein NS-Dokumentationszentrum in München unternommen wurden, unter anderem auch in diesem Hause.

Vor 60 Jahren riefen die Mitglieder der studentischen Widerstandsgruppe. Die Weiße Rose am 18. Februar 1943 mit einer Flugblattaktion in der Münchner Universität zur Beendigung des Krieges und zur Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde auf.