Sozialhilfe

Besonders in der Sommerzeit entsteht somit eine Leerphase, die beispielsweise Landschulheimaufenthalte von körper- und/oder geistig behinderten Schülerinnen und Schülern erschwert. Die Möglichkeit von freiwilligen Verlängerungszeiten für Zivildienstleistende, die auf der Basis von BAT-Verträgen als Zwischenlösung für das Schuljahr 2002/2003 eingerichtet wurden, wird der Problemlage langfristig nicht gerecht.

Vorbemerkung der Kultusministerin:

Zu den Aufgaben der allgemein bildenden Schule (im Sinne des Schulgesetzes sind dies auch die Sonderschulen) zählen die Erteilung von Unterricht und das Verfolgen von Erziehungszielen. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule wird in § 2 Hessisches Schulgesetz (HSchG) konkretisiert, ohne dass es hierbei zu einer Ausweitung des Auftrages in den Bereich der Pflege und Therapie kommt. Hiermit stellt das Gesetz die Aufgabe der Schule ebenso klar, wie damit auch diese Aufgabe von anderen Aufgaben abgegrenzt wird. Pflegerische und medizinisch-therapeutische Ziele obliegen folglich nicht der Schule.

Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den §§ 49 ff. HSchG, in denen die sonderpädagogische Förderung ihre nähere Ausgestaltung erfährt. Schon aus der Wortwahl "sonderpädagogische Förderung" wird klar, dass es sich hierbei ausschließlich um eine pädagogische und nicht um eine pflegerische und medizinisch-therapeutische Tätigkeit handelt.

Im § 151 Abs. 4 und 5 HSchG ist abschließend und definitiv festgelegt, dass das Land die Personalkosten für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, für die an öffentlichen Schulen tätigen sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen zu übernehmen hat. Dies schließt auf dieser Grundlage zunächst per se die Übernahme von Personalkosten für therapeutisches und pflegerisches Personal aus.

Ohne Zweifel steht die Notwendigkeit einer pflegerischen und therapeutischen Versorgung behinderter Schülerinnen und Schüler in den Schulen mit sonderpädagogischer Förderung fachlich außer Frage; vielfach wird durch Therapie- und Pflegeleistung - etwa für schwere und mehrfach behinderte Schülerinnen und Schüler - die Teilnahme am Unterricht erst ermöglicht.

Die entsprechenden Sonderschulen können somit ihren pädagogischen Auftrag nur erfüllen, wenn im Zuge einer Zusammenarbeit von Lehrkräften und medizinisch-therapeutischen sowie pflegerischen Leistungserbringern eine ganzheitlich orientierte Förderung der behinderten Schülerinnen und Schüler verwirklicht werden kann.

Dies heißt jedoch nicht, dass "Schule" die Personalkosten für diese Leistungen erbringen kann oder erbringen muss. Dem stehen die Regelungen des Hessischen Schulgesetzes und damit auch die Festlegungen des Haushaltsgesetzgebers des Landes Hessen entgegen. Vielmehr sind hier Kostenträger z. B. auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) sowie des Sozialgesetzbuches V (SGB V) und des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX) einzubeziehen.

Um den fachlich anerkannten Förderbedürfnissen der behinderten Schülerinnen und Schüler entsprechen zu können, hat das Hessische Kultusministerium im Rahmen einer freiwilligen Leistung für die Grundausstattung der Schulen für Praktisch Bildbare und für Körperbehinderte im sozialpflegerischen Bereich in Abstimmung mit dem Bundesamt für den Zivildienst vor Jahrzehnten eine angemessene Zahl an Zivildienstplätzen einrichten lassen.

Auf diese allgemeine Helferfunktion in den Schulen durch Zivildienstleistende des Landes besteht kein Rechtsanspruch. Dennoch wird die schulfachliche Notwendigkeit dieser Unterstützungsleistung, die für die Aufrechterhaltung des Unterrichtsbetriebes in den vorgenannten Schulen unverzichtbar ist, betont.

Ein individueller Rechtsanspruch im obigen Sinne besteht dagegen für Schülerinnen und Schüler, die im Sinne des § 39 BSHG als behinderte und von Behinderung bedrohte Personen gelten können. Es ist dies ein Rechtsanspruch auf "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" nach § 40 Abs. 1 Ziff. 3 des BSHG, etwa in Form einer Hilfe durch eine Integrationshelferin/einen Integrationshelfer - auch im Rahmen der schulischen Förderung an einer Sonderschule. Dies wird durch die Rechtsprechung bestätigt und durch eine ganze Reihe von Sozialhilfeträgern vor Ort eingelöst.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele Zivildienststellen standen im Schuljahr 2002/2003 für die hessischen Sonderschulen zur Verfügung?

Wie viele werden es im Schuljahr 2003/2004 sein?

Im Schuljahr 2002/2003 standen an den öffentlichen Schulen für Praktisch Bildbare und den Schulen für Körperbehinderte in Hessen 236 Zivildienstplätze zur Verfügung. Diese Anzahl an Plätzen hat auch für das Schuljahr 2003/2004 Bestand.

Frage 2. Wie viele Zivildienstleistende haben im Schuljahr 2002/2003 ihren Dienst freiwillig verlängert?

Eine Verlängerung des Zivildienstes ist auf der Grundlage des Zivildienstgesetzes nicht möglich. Vielmehr war es unter anderem möglich, mit ehemaligen Zivildienstleistenden über den Abschluss von anschließenden BATVerträgen die sozialpflegerische Betreuung in den Schulen zu stützen und den ungesicherten Zeitraum personell zu überbrücken, der bis zur Beschäftigung der nächsten Zivildienstleistenden und wegen der Verkürzung der Dienstzeit der bisherigen Zivildienstleistenden auf zehn Monate durch bundespolitische Entscheidungen entstanden war. Dabei ist eine Beschäftigung dieser Arbeitnehmer zu untertariflichen Bedingungen (z.B. über Honorarverträge) aufgrund der Tarifbindung des Landes nicht eröffnet.

Insgesamt wurden zum Schuljahresende 2002/2003 von den Staatlichen Schulämtern 76 BAT-Verträge (Vertretungsverträge) zur Überbrückung von Engpässen, die durch die oben angegebene Verkürzung der Zivildienstzeit an den Schulen für Praktisch Bildbare und an den Schulen für Körperbehinderte entstanden sind, abgeschlossen. Davon waren 63 ehemalige Zivildienstleistende, die im Anschluss an ihren Zivildienst Aufgaben in der sozialpflegerischen Betreuung von Schülerinnen und Schülern der oben angegebenen Schulen übernommen haben, und 13 andere geeignete Personen.

Frage 3. Hält es die Landesregierung für durchführbar, BAT-Verträge auch vor Antritt des Zivildienstes abzuschließen, sodass künftige Zivildienstleistende bereits im Vorfeld ihres Dienstes in den Schulen tätig werden und eine Vergütung erhalten können?

Budgetverantwortlich sind die Staatlichen Schulämter und das Amt für Lehrerausbildung. Dabei ist das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen TzBfG - vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I 59/2000, S. 1966) zu beachten.

Frage 4. Besteht die Möglichkeit, die BAT-Mittel auf das freiwillige soziale Jahr auszudehnen?

Es wird zurzeit geprüft, ob und wie Personen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ableisten wollen, als Assistenzkräfte an Schulen für Praktisch Bildbare und Schulen für Körperbehinderte beschäftigt werden können. Dies könnte über anerkannte Beschäftigungsträger des FSJ realisiert werden. Die Beschäftigten im Freiwilligen Sozialen Jahr würden neben den Zivildienstleistenden als Assistenzkräfte an den Schulen für Praktisch Bildbare und für Körperbehinderte eingesetzt werden.

Da das Freiwillige Soziale Jahr in der Regel bis zur Dauer von zwölf zusammenhängenden Monaten (möglich sind bis zu achtzehn Monate) abgeleistet wird, würde die Notwendigkeit einer Ausdehnung über BAT-Verträge und -Mittel für diesen Personenkreis nicht bestehen.

Frage 5. Wie hoch ist das Budget für die BAT-Verträge?

Unterstellt, dass hier generell die Mittel für Vertretungsunterricht gemeint sind, stehen in den Kapiteln 04 40, 04 57, 04 59, 04 64, 04 71 und 04 76, jeweils Titel 461 02, und Kapitel 04 76 Titel, 461 64 insgesamt 33.890. für Vertretungszwecke im Haushaltsjahr 2003 zur Verfügung. Aus diesem Deckungskreis sind die Mittel für die so genannten BAT-Verträge zu tragen, aus diesem Deckungskreis wird auch die Beschäftigung der Zivildienstleistenden unter Berücksichtigung der entsprechenden Zuschüsse des Bundesamtes für den Zivildienst finanziert.

Frage 6. a) Ist sich die Landesregierung der Entwicklung bewusst, dass die in der Diskussion stehende Umstrukturierung der Bundeswehr und damit des Zivildienstes eine weitere Reduzierung der Zahl der Einzuziehenden und die Länge des Ersatzdienstes zur Folge haben wird?

b) Wie gedenkt die Landesregierung dieser Entwicklung zu begegnen?

Der Landesregierung ist bekannt, dass die in der Diskussion stehende weitere Umstrukturierung der Bundeswehr und damit auch des Zivildienstes möglicherweise eine Reduzierung der Anzahl der Einzuziehenden sowie des zivilen Ersatzdienstes zur Folge haben wird.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass organisatorische Entscheidungen in Sachen Bundeswehr bzw. Zivildienst in der Zuständigkeit des Bundes liegen.

Betreffend geplante Maßnahmen des Landes verweise ich auf die Beantwortung der Frage 7.

Frage 7. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um langfristig sicherzustellen, dass die Sonderschulen in Hessen über ausreichende Assistenzkräfte verfügen?

Für das Haushaltsjahr 2004 ist nach dem derzeitigen Stand des Haushaltsplan-Entwurfes vorgesehen, zur ersten notwendigen Sicherung des Assistenzbereiches an den öffentlichen Schulen für Körperbehinderte und für Praktisch Bildbare insgesamt 57 Stellen neu zu schaffen. Dafür sollen Mittel im Umfang von rund 2,3 Mio. zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus wird zurzeit geprüft, inwieweit die zu erwartende Reduzierung der Anzahl an besetzten Zivildienstplätzen durch eine entsprechende Anzahl Freiwilliger im Sozialen Jahr ausgeglichen werden kann.

Wiesbaden, 6. November 2003

In Vertretung: Joachim Jacobi