Krebsgefahr durch Keramik-Abgasreiniger

Hauptbestandteil eines Kfz-Abgaskatalysators ist ein Monolith aus Metall oder Keramik. Dieser Monolith dient als Träger der katalytischen Schicht.

Bei Keramikkatalysatoren wird der Keramikmonolith von einer so genannten Quellmatte aus keramischen Fasern umhüllt. Die Quellmatten sind notwendig zur dichten und bruchsicheren Lagerung der dünnwandigen Monolithwaben. Metallkatalysatoren benötigen keine Quellmatten aus künstlichen Mineralfasern.

Bei 5 bis 10 v.H. der Keramikkatalysatoren kann der Monolith durch einen Temperaturschock oder durch mechanische Einflüsse brechen. Die Bruchstücke zermahlen sich gegenseitig und zersetzen die Quellmatte zu Faserstaub, der durch den Abgasstrang in die Umwelt emittiert wird.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Sozialministerin wie folgt:

Frage 1. Welche Untersuchungen zur Freisetzung potenziell Krebs erregender Fasern bei Produktion, Betrieb und Entsorgung/Recycling von Keramik-Abgasreinigern sind der Landesregierung bekannt und zu welchen wesentlichen Ergebnissen kommen die Untersuchungen?

Eine Szenariorechnung der Bergischen Universität - Gesamthochschule Wuppertal aus dem Jahr 1999 zeigte, dass in einer "Worst-Case"-Betrachtung mit bis zu 5 bis 10 v.H. Ausfall der Katalysatoren und dadurch mit einem Austrag der Keramikfasern aus den Lagermatten in die Umwelt gerechnet werden muss. Für diese Berechnungen aus dem Jahr 1999 ergäbe sich damit ein Austrag von bis zu 19 t Keramikfasern als diffuse Emission in die Umwelt.

Es ist aber zu vermuten, dass hiervon vor allem ungeregelte Nachrüstkatalysatoren und Katalysatoren der ersten Generation betroffen waren, da die Informationen aus der Erfolgskontrolle Abgasuntersuchung (ASU) und vonseiten der Fahrzeughersteller auf deutlich geringere Ausfallraten hinweisen (Größenordnungen von etwa 1 bis 2 v.H. oder kleiner). Spezielle Untersuchungen über die Freisetzung von Keramikfasern bei Produktion, Betrieb und Entsorgung/Recycling in hessischen Betrieben liegen nicht vor.

Andere unabhängige Untersuchungen oder Feldstudien zur Situation in Deutschland oder Europa wurden bisher nicht vorgenommen oder veröffentlicht. Derartige Studien zur flächendeckenden Erfassung wären in Deutschland auch mit großen Schwierigkeiten verbunden, da mehr als die Hälfte der in Deutschland abgemeldeten Kraftfahrzeuge nicht hier entsorgt, sondern ins außereuropäische Ausland ausgeführt wird.

Frage 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über besondere Freisetzungsschwerpunkte vor und wo liegen gegebenenfalls solche Punkte in Hessen?

Aus den in der Antwort zu Frage 1 genannten Gründen liegen keine gesicherten Erkenntnisse zu Freisetzungsschwerpunkten in der Umwelt vor.

Arbeitsplatzbezogen liegen die Expositionsschwerpunkte bei Arbeitsplätzen in den Bereichen Katalysator-Recycling und Entsorgung.

Frage 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz von Keramik-Abgasreinigern in PKW hinsichtlich der Krebsgefahr für die Beschäftigten bei Produktion, Wartung und Entsorgung/Recycling sowie für die Bevölkerung?

Keramikfasern werden vor allem im (industriellen) Feuerfestbau, aber auch in anderen Hochtemperaturanwendungen eingesetzt. Glasige Keramikfasern aus Aluminiumsilikat kommen am häufigsten vor; seltener und deutlich teurer sind polykristalline Produkte aus Aluminiumoxid oder Siliciumcarbid.

Da die Keramikfaserprodukte zumeist keine Bindemittel enthalten, führt dies in Verbindung mit einem produktionsbedingt höheren Anteil an dünnen Fasern zu einem ungünstigeren Verstaubungsverhalten als bei herkömmlichen Mineralwollen. Daher kommt es bei der offenen Handhabung und Bearbeitung von Produkten aus Keramikfasern zu höheren Belastungen mit Faserstäuben als bei anderen Mineralfasererzeugnissen.

Mit der Richtlinie 97/69/EC der Europäischen Kommission vom 5. Dezember 1997 wurden keramische Mineralfasern als Karzinogene der Kategorie 2 eingestuft, d.h. "sie sollten als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden". Die Richtlinie 97/69/EG wurde mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) umgesetzt und trat zum 1. Januar 2000 in Deutschland in Kraft.

Die öffentliche Diskussion und eine gemeinsame Anhörung des Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin führte bei den Herstellern dazu, Keramikfasern durch weniger gefährliche Produkte zu ersetzen.

Im Bereich des Fahrzeugbaus werden derzeit noch Keramikfasern in Reibbelägen, Katalysatoren und im Motorbau eingesetzt. In "Airbags" wurden sie durch neue Technologien entbehrlich. Insgesamt kann der Substitutionsprozess - vergleichbar zur Situation bei den Mineralwolle-Dämmstoffen - mit Ausnahme der Kfz-Abgaskatalysatoren als weitgehend abgeschlossen betrachtet werden; eine unmittelbare Gefährdung der Bevölkerung kann nach Ansicht des Umweltbundesamtes weitgehend ausgeschlossen werden.

Frage 4. Welche Maßnahmen zur Untersuchung der Problematik und zur Abwendung von Gesundheitsgefahren für die potenziell betroffenen Beschäftigten und die Bevölkerung hat die Landesregierung ergriffen bzw. beabsichtigt sie zu ergreifen?

Der Umgang mit diesen Fasern wird in der Gefahrstoffverordnung und der entsprechenden technischen Regel - TRGS 521 Faserstäube - geregelt. Der Arbeitgeber muss den zuständigen Behörden (Arbeitsschutzdezernate bei den Regierungspräsidien) den Umgang mit diesen krebserzeugenden Fasern unverzüglich anzeigen. In dieser Anzeige muss er unter anderem die zutreffenden technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen beschreiben.

Bei der Einhaltung der, insbesondere in der TRGS 521, vorgegebenen Schutzmaßnahmen ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer nicht geschädigt werden.

Frage 5. Welche Haltung haben Automobilhersteller und Zulieferer in Hessen zur Krebsgefahr durch Keramikfasern hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung der potenziell betroffenen Beschäftigten und der Bevölkerung?

Frage 6. In welchem Zeitraum planen die Automobilhersteller in Hessen auf den Einsatz von Keramik-Abgasreinigern zu verzichten?

Soweit zu den Fragen 5 und 6 Stellungnahmen von in Hessen ansässigen Automobilherstellern vorliegen, haben diese erklärt, dass die Automobilindustrie gemäß Gefahrstoffverordnung verpflichtet sei, nicht als Krebs erzeugend eingestufte Stoffe einzusetzen und ständig und proaktiv an der Ersatzstoffsuche arbeite. Dies treffe auch auf Anwendungen von Keramikfasermatten im Bereich der Abgasreinigungsanlage zu.

Zum augenblicklichen Zeitpunkt könne die Automobilindustrie nicht vollständig auf Keramikfaserprodukte verzichten, da nicht für alle Anwendungen die Forderungen wie z. B. thermische, chemische oder mechanische Beständigkeit erfüllt seien. Insbesondere sei hier die vom Gesetzgeber geforderte Dauerhaltbarkeit der Abgasreinigungsanlage im Rahmen der europäischen Abgasgesetzgebung (70/220/EWG) zu beachten.

Obwohl die toxikologische und arbeitsmedizinische Diskussion zur Krebs erzeugenden Wirkung von lungengängigen Keramikfasern noch nicht abgeschlossen sei, sei die Automobilindustrie sich ihrer Sorgfaltspflicht bewusst, im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes die Exposition gegenüber diesen Stoffen soweit wie möglich zu minimieren. Was den Austrag an keramischen Mineralfasern aus PKW-Katalysatoren anbelange, ließen sich auf Basis der derzeitigen Erkenntnisse keine erhöhten Gefährdungspotenziale für die Bevölkerung ableiten. Bei den in der Öffentlichkeit diskutierten Studien hätten nach internen Recherchen signifikante methodische Fehler hinsichtlich eines potenziellen Volumens ausgetragener Fasern identifiziert werden können.

Die Beschäftigten, die direkten Kontakt zu den in Kategorie 2 eingestuften Fasern hätten, seien über gesetzliche Regelungen wie z. B. die Gefahrstoffverordnung und die TRGS 521 "Faserstäube" und somit durch Maßnahmen am Arbeitsplatz geschützt. Regelmäßige Arbeitsplatzmessungen belegten die Sicherheit der Beschäftigten.

Frage 7. Wie unterstützt die Landesregierung die hessischen Hersteller und Verarbeiter beim Umstellungsprozess in Richtung auf einen Einsatz von KeramikAbgasreinigern?

Der geschätzte Weltmarktanteil der Metallkatalysatoren liegt derzeit bei etwa 20 v.H. Sie sind derzeit noch etwas teurer als Keramikkatalysatoren. Mit einer zunehmenden Stückzahl wird sich der Preisunterschied aufheben. Aufgrund der einfacheren Verarbeitung ohne die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen wird sich der Metallkatalysator am Markt durchsetzen.

Eine über Beratungen hinausgehende Unterstützung der Landesregierung ist nicht geplant.