Abwahl von Wahlbeamten aus dem Amt und beamtenrechtliche Versorgung

Nach Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten in Hessen wurden zwischenzeitlich mehrere direkt gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister abgewählt und strafrechtliche Verfahren wegen unterschiedlicher Delikte eingeleitet. Zuletzt gegen die Bürgermeisterinnen von Hanau, Härtel (CDU), und Maintal, Diehl (CDU). Unter Auflagen (Zahlung von Geldstrafen) wurden diese Verfahren zwischenzeitlich eingestellt. Nach dem Bundesbesoldungsgesetz und dem Beamtenversorgungsgesetz erhalten die abgewählten Wahlbeamten, wenn sie vor Ablauf ihrer Amtszeit abgewählt wurden, noch für den Monat, in dem sie ausscheiden, sowie für die folgenden drei Monate Dienstbezüge und im Anschluss daran Versorgungsbezüge bis zum Ablauf der regulären Amtszeit.

Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz wie folgt:

Frage 1. Wie viele Abwahlverfahren hat es seit Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten in Hessen gegeben?

Seit der Einführung der Direktwahl 1993 haben die Bürger in sieben hessischen Gemeinden/Städten über die vorzeitige Abwahl des (Ober-)Bürgermeisters nach § 76 Abs. 4 Hessische Gemeindeordnung (HGO) abgestimmt.

Frage 2. In wie vielen Fällen ergab sich die durch die Hessische Gemeindeordnung notwendige Mehrheit?

In fünf Fällen ist der (Ober-)Bürgermeister vorzeitig abgewählt worden.

Frage 3. In wie vielen Fällen ging der Abwahl die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren voraus bzw. wurden strafrechtliche Verfahren nach der Abwahl eingeleitet?

In drei Fällen sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Frage 4. In wie vielen Fällen wurden die Strafprozesse gegen Zahlung einer Auflage eingestellt?

Nach dem derzeitigen Stand sind zwei Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden.

Ein weiteres Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Frage 5. Um welche Auflagen handelte es sich jeweils, um welche Höhe bei finanziellen Auflagen geht es und auf welcher rechtlichen Grundlage wurden die Auflagen erteilt?

Ein Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 4.000 nach § 153a StPO, das zweite gegen Zahlung einer Geldauflage von 3.500 gleichfalls nach § 153a StPO eingestellt.

Frage 6. In wie vielen Fällen wurden disziplinarrechtliche Maßnahmen der entsprechenden Organe angekündigt, eingeleitet und in wie vielen Fällen zum Abschluss gebracht?

In zwei Fällen wurden Disziplinarverfahren eingeleitet.

Ein Disziplinarverfahren ist abgeschlossen, das andere ist noch anhängig.

Frage 7. Welche disziplinarrechtlichen Maßnahmen wurden eingeleitet?

In einem Fall hat die zuständige Aufsichtsbehörde Vorermittlungen, in dem anderen Fall ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet. Das förmliche Disziplinarverfahren ist zwischenzeitlich abgeschlossen.

Frage 8. In wie vielen Fällen wurden zivilrechtliche Schadensersatzklagen gegen abgewählte kommunale Wahlbeamte angekündigt, eingeleitet und zu welchem Ergebnis haben sie geführt?

Zivilrechtliche Schadensersatzklagen sind nicht erhoben worden.

In zwei Fällen prüft die Stadt, ob Ansprüche gegen den abberufenen Wahlbeamten geltend zu machen sind.

Frage 9. Welche Dienstbezüge haben die abgewählten Wahlbeamtinnen und -beamten jeweils erhalten?

Die konkreten Dienstbezüge der einzelnen vorzeitig abberufenen Wahlbeamten gehören zu den vertraulichen Personaldaten, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen und ihrem Wesen nach geheim zu halten sind (§ 107 HBG).

Ob und inwieweit Wahlbeamten auch nach der vorzeitigen Abwahl ein Rechtsanspruch auf Besoldung zusteht, ist im Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) geregelt. Danach hat der vorzeitig abberufene Wahlbeamte nach § 4 Abs. 3 BBesG für den Monat, in dem die Abberufung wirksam wird, und für die folgenden drei Monate Anspruch auf die bisherigen Bezüge.

Frage 10. Welche Versorgungsleistungen erhielten oder erhalten die abgewählten kommunalen Wahlbeamten im Einzelnen und mit welchen Summen werden die jeweiligen kommunalen Haushalte finanziell belastet?

Die konkreten Versorgungsbezüge der einzelnen vorzeitig abberufenen Wahlbeamten gehören zu den vertraulichen Personaldaten, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen und ihrem Wesen nach geheim zu halten sind (§ 107 HBG).

Dies gilt sinngemäß auch für die zur Versorgung des konkreten Wahlbeamten erforderlichen Haushaltsaufwendungen der jeweiligen Kommune.

Ob und inwieweit Bürgermeistern und Landräten nach der vorzeitigen Abwahl ein Rechtsanspruch auf Versorgung zusteht, ist im Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) geregelt.

Nach einer Abwahl und nach Ablauf des Zeitraums, in dem dem abgewählten Bürgermeister oder Landrat noch Dienstbezüge zustehen (vgl. Frage 9), erhält der betroffene Wahlbeamte zunächst eine spezielle Versorgung nach § 66 Abs. 8 BeamtVG bis zum Ablauf der regulären Amtszeit (höchstens aber für fünf Jahre). Das Ruhegehalt beträgt in diesem Fall (grds.) 75 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus (der Endstufe) der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Abwahl befunden hat.

Danach erhält der (ehemalige) Bürgermeister oder Landrat das erdiente Ruhegehalt (§ 14 Abs. 1 BeamtVG).

Eine Ausnahme gilt in den Fällen, in denen der Wahlbeamte die fünfjährige Wartezeit nach § 4 BeamtVG nicht erfüllt. In diesem Fall hat er keinen Versorgungsanspruch. Die Zeit nach der vorzeitigen Abberufung bis zum fiktiven Ende der regulären Amtszeit zählt bei der Berechnung der Wartezeit nach § 4 BeamtVG nicht mit.

Frage 11. Hält die Landesregierung die derzeitigen rechtlichen Regelungen der Versorgung bei einer Abwahl für ausreichend oder beabsichtigt sie, hier Änderungen zu initiieren, damit bei kommunalen Wahlbeamten bei einer vorzeitigen Abwahl und bei strafrechtlichem Fehlverhalten auch Konsequenzen beim Bezug von Dienstbezügen wie beim Versorgungsanspruch ergriffen werden können?

Die Landesregierung hält die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen im Falle der vorzeitigen Abberufung eines kommunalen Wahlbeamten für angemessen und ausreichend.

Das gilt auch für den Fall, dass der Wahlbeamte durch ein dienstliches Fehlverhalten oder gar eine Straftat das Vertrauen der Vertretungskörperschaft und der Bürger verloren hat. Das Hessische Beamtengesetz (§§ 46, 47; vgl. auch § 24 Beamtenrechtsrahmengesetz) und das bundeseinheitlich geltende Beamtenversorgungsgesetz (§ 59) sehen den zwingenden Verlust der Beamtenansprüche im Falle einer gerichtlichen Verurteilung des Beamten bzw. des Versorgungsempfängers ab einem bestimmten Strafmaß vor. Die Hessische Disziplinarordnung sieht als disziplinarrechtliche Sanktionen unter anderem die Entfernung aus dem Dienst sowie die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts vor (§ 5 HDO).

Darüber hinausgehende weitere Instrumente sind nicht erforderlich.

Frage 12. Wie beurteilt die Landesregierung die zurzeit geltenden Regelungen zur Anrechnung von Vorzeiten bei der Versorgung von kommunalen Wahlbeamten?

Die Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit der kommunalen Wahlbeamten ist im Beamtenversorgungsgesetz (bundesrechtlich) geregelt. Neben der Amtszeit als Wahlbeamter sind - wegen der Identität des Alterssicherungssystems - vorausgegangene Beamtenzeiten zu berücksichtigen.

Da für die kommunalen Wahlbeamten in Hessen keine gesetzlichen Eignungsund Zugangsvoraussetzungen gefordert werden (§§ 39 Abs. 2, 39a Abs. 1 HGO; §§ 37 Abs. 2, 37a Abs. 1 HKO), kommt die Anerkennung von so genannten Vordienstzeiten nach dem BeamtVG grundsätzlich nur bis zu einer Höchstdauer von vier Jahren in Betracht (§ 66 Abs. 9 BeamtVG) und darüber hinaus nur im Ausnahmefall (z.B. Ausbildungs- und Rechtsanwaltszeiten, §§ 10 bis 12 BeamtVG).

Eine Verschärfung dieser Anrechnungsvorschriften ist nicht vertretbar, um die Attraktivität der kommunalen Wahlämter für qualifizierte Bewerber, deren Gewinnung auch aus der Sicht der Landesregierung äußerst wünschenswert ist, nicht zu beeinträchtigen.

Frage 13. Wie viele direkt gewählte Bürgermeister und Landräte haben seit Einführung der Direktwahl nach Ablauf nur einer Wahlperiode nicht wieder für das Amt kandidiert?

Zu dieser Frage gibt es keine amtliche Statistik der Landesregierung.

Was direkt gewählte Bürgermeister und Landräte angeht, haben die Kommunen lediglich die Pflicht, das Wahlergebnis dem Statistischen Landesamt zu melden (§ 73 Abs. 3 Kommunalwahlordnung).

Frage 14. Wie beurteilt die Landesregierung die Versorgungsregelung für diesen Personenkreis?

Die Landesregierung ist sich bewusst, dass die hessische Regelung, wonach die direkt gewählten Bürgermeister und Landräte (schon) nach einer Amtszeit unabhängig von ihrem Lebensalter einen Versorgungsanspruch erwerben (§ 211 Abs. 5 Hessisches Beamtengesetz), im Ländervergleich durchaus günstig ist. Sie beabsichtigt jedoch nicht, dem Landtag einen Vorschlag zur Änderung dieser gleichzeitig mit der Einführung der Direktwahl (1993) beschlossenen gesetzlichen Regelung vorzulegen, um die Attraktivität dieser Ämter nicht herabzusetzen.