Kredit

Bei der selben Dienststelle habe ich auch eine Datei geprüft, die die Polizei bei der systematischen Auswertung von Printmedien im Hinblick auf Anlageund Kreditvermittlungsbetrug unterstützen soll. Dabei sollen Inserenten gespeichert werden, deren Angebote durch Inhalt oder Aufmachung den Schluss auf mögliche Betrugshandlungen zulassen. Auch bei dieser Datei habe ich datenschutzrechtliche Verbesserungen in der Errichtungsanordnung sowie die Löschung einzelner Speicherungen gefordert.

Datenschutzrechtliche Bedenken hatte ich im Einzelfall gegen die von der Polizei gewählte Form der Datenerhebung. Bei zwei Vorgängen waren die Beamten mit einem neutralen Fax an den Inserenten herangetreten, um an Informationen zu gelangen, ohne sich als Polizei erkennen zu geben:

Nach Art. 30 Abs. 3 Satz 1 Polizeiaufgabengesetz sind personenbezogene Daten von der Polizei grundsätzlich offen zu erheben. Eine Datenerhebung, die nicht als polizeiliche Maßnahme erkennbar sein soll, ist insbesondere zulässig, wenn die Erfüllung polizeilicher Aufgaben auf andere Weise gefährdet oder erheblich erschwert würde. Der Grundsatz der offenen Datenerhebung darf nicht schon durchbrochen werden, wenn eine verdeckte Datenerhebung für die Polizei einfacher oder für den einzelnen Polizeibeamten bequemer wäre, weil er die Konfrontation mit dem Betroffenen scheut. Die Polizei hatte erklärt, dass in der Regel eine offene Datenerhebung genüge.

Im Einzelfall, wenn bereits konkretere Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen, scheide eine offene Datenerhebung aber aus, da von Personen/Firmen mit Betrugsabsicht nur bereinigte oder gar keine Unterlagen mehr vorgelegt würden, so dass der Zweck der Datenerhebung, nämlich die Gefahrenabwehr und das Erkennen und Verfolgen von Straftaten, nicht mehr zu erreichen wäre. Solche Anhaltspunkte waren aber in beiden Fällen für mich nicht erkennbar.

Bei einer Polizeidirektion habe ich zwei Dateien zur Unterstützung der Bekämpfung der Jugendkriminalität, insbesondere der Gewalt an Schulen, sowie der Straßenkriminalität geprüft. Die dabei in der Datei Jugendkriminalität festgestellten Speicherungen von Schulschwänzern zusammen mit Beschuldigten und Verdächtigen von Straftaten habe ich schon deshalb nicht für zulässig gehalten, weil sie dem Zweck der Datei nicht entsprochen haben. Ich habe darüber hinaus eine sehr niedrige Speicherschwelle festgestellt. So wurde z. B. ein 5-jähriger Junge wegen eines Wohnungsbrandes gespeichert. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, dass sie eine brennende Kerze auf ein Sideboard im Flur gestellt habe. Von dort habe der Junge sie offensichtlich ins Kinderzimmer getragen und am Kopfende des Stockbettes unter der Matratze aufgestellt. Auf Grund ihrer Überprüfung ging die Polizei davon aus, dass der Betroffene und sein Bruder gezündelt hatten. Ein 8-jähriger Junge wurde gespeichert, da er mit seiner Schwester auf einer Grasfläche gezündelt und dadurch eine etwa 10 mal 2 Meter große Grasfläche gebrannt hatte. Die Speicherung einer fahrlässigen Brandstiftung begangen durch 5- bzw. 8-jährige Kinder in der Datei Jugendkriminalität halte ich nicht für zulässig. Die Polizeidirektion hat mir zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die beiden Dateien nicht mehr weitergeführt und gelöscht werden.

Speicherungen im Zusammenhang mit den Münchner Sicherheitskonferenzen 2002 und 2003

Schon in meinem 20. Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 6.3) hatte ich von meinen datenschutzrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Speicherkonzepts der Polizei im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz 2002 berichtet. Von mir vorgeschlagene Änderungen des Speicherkonzepts wurden von der Polizei abgelehnt.

Ich habe deshalb die Speicherungen vor Ort geprüft und folgende Feststellungen gemacht:

In der Zeit vom 01. bis 03.02.2002 fand in München im Hotel Bayerischer Hof die 38. Konferenz für Sicherheitspolitik (SIKO) statt. Bereits im Vorfeld dieser Veranstaltung zeichnete sich die Mobilisierung eines starken Protestpotenzials, nach polizeilichen Erkenntnissen u.a. auch durch linksextremistische/autonome Kreise ab. Nach Einschätzungen des Verfassungsschutzes und der Polizei war mit ca. 2500

­ 3000 gewalttätigen Demonstranten zu rechnen. Das Kreisverwaltungsreferat München hatte auf Antrag der Polizei nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz ein Versammlungsverbot erlassen. Dies erstreckte sich auf angemeldete Versammlungen am 01. und 02.02.2002 am Marienplatz sowie jegliche Art von Ersatzveranstaltungen unter freiem Himmel von 01.02.2002, 08.00 Uhr bis einschließlich 03.02.2002, 20.00 Uhr. Dieses Verbot wurde auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 31.01.2002 bestätigt. Trotzdem wurden Versammlungen durchgeführt.

Im Laufe der drei Tage wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 816 Personen in Gewahrsam und 67 Personen festgenommen. Die Daten dieser Betroffenen wurden - je nach Kategorie - in unterschiedlichen Dateien (Vorgangsverwaltung, Kriminalaktennachweis, Staatsschutzdatei) gespeichert.

Bei meiner Prüfung habe ich festgestellt, dass Betroffene, die in Gewahrsam genommen worden waren und die eine oder mehrere Ordnungswidrigkeiten begangen hatten, auch dann - wenn auch mit ver kürzten Fristen - in der Staatsschutzdatei (SDBY) gespeichert wurden, wenn über sie bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Staatsschutzerkenntnisse vorlagen. Darüber hinaus waren von den weit über 500

Betroffenen dieser Kategorie 457 noch nie zuvor polizeilich in Erscheinung getreten.

Bereits bei der Neufassung der Errichtungsanordnung der Staatsschutzdatei und der damit zusammenhängenden Modifizierung des bundesweiten kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD-PMK) hatte ich datenschutzrechtliche Bedenken gegen die erhebliche Erleichterung und die damit verbundene Erweiterung der Speicherungsmöglichkeit von Ordnungswidrigkeiten geltend gemacht (vgl. Nr. 6.7 des 20. Tätigkeitsberichts). Insbesondere durch die Aufnahme der Formulierung wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tat den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen soll oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richtet, ist die Möglichkeit eröffnet worden, sämtliche Ordnungswidrigkeiten in der Staatsschutzdatei zu speichern, soweit Anhaltspunkte für einen politischen Hintergrund vorliegen. Trotz meiner Bedenken war das Innenministerium zu einer Änderung der Errichtungsanordnung, die diese Speicherung ermöglicht, nicht bereit.

Wegen der massenhaften Speicherung von Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der SIKO 2002 in der bayerischen Staatsschutzdatei, bin ich nochmals an das Innenministerium wegen einer Änderung der Errichtungsanordnung und der Löschung der Daten der von der Speicherung Betroffenen herangetreten. Die zum Teil noch sehr jungen Betroffenen wurden nur deswegen mit dem Motiv Linksextremismus in der Staatsschutzdatei erfasst, weil sie an einer Demonstration teilgenommen hatten, die im Vorfeld verboten worden war. Solche Speicherungen bergen die Gefahr, dass junge Menschen, die sich bisher sonst nichts haben zu Schulden kommen lassen, durch die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten in großer Zahl in die Nähe des politischen Extremismus gerückt werden und dadurch Schaden erleiden. Die Verhältnismäßigkeit ist hier aus meiner Sicht nicht mehr gewahrt.

Das Innenministerium hat leider erneut eine Änderung der Speicherungsvoraussetzungen in der Errichtungsanordnung u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass die Speicherung solcher Ordnungswidrigkeiten unerlässlich für das Erkennen und Abbilden von staatsschutzrelevanten möglichen kriminellen Karrieren sei. Die Speicherung der Betroffenen sei für eine lageorientierte polizeiliche Reaktion bei künftigen ähnlich gelagerten Anlässen erforderlich, die in Anbetracht von Ereignissen in der jüngsten Vergangenheit (z.B. Genf, Genua) durchaus zu erwarten seien. Im Hinblick darauf halte es die Speicherung auch nicht für unverhältnismäßig.

Diese Argumentation räumt meine Bedenken gegen die massenhafte Speicherung junger Leute in der Staatsschutzdatei wegen der bloßen Teilnahme an einer verbotenen Demonstration nicht aus. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die der Speicherung zugrundeliegenden Erwartung der Polizei, dass sich unter den Betroffenen möglicherweise einzelne befinden, die später in staatsschutzmäßiger Hinsicht (nochmals) in Erscheinung treten werden.

Ich sehe deshalb in diesen Speicherungen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen, der auch durch berechtigte Staatsschutzinteressen nicht gerechtfertigt ist.

Im Rahmen der Prüfung der Speicherung von Daten Ingewahrsamgenommener habe ich festgestellt, dass neben Ordnungswidrigkeiten auch der Eintrag Sonstige polizeiliche Gefahrenabwehr (Nr. 2.2. gespeichert war. Die Voraussetzungen zur Speicherung dieses belastenden Zusatzes liegen nach meiner Auffassung aber grundsätzlich nicht vor, da es an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme fehlt, dass dieser Zusatz zur Aufklärung oder vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung (Art. 30 Abs. 5 PAG), zur Ergreifung von zur Festnahme gesuchten Personen oder zur Abwehr einer im einzelnen Fall bestehenden erheblichen Gefahr erforderlich ist. Ich habe deshalb die Polizei aufgefordert, diesen Zusatz bei allen Betroffenen sowohl in der PSV und - soweit auch dort erfasst - im KAN zu löschen.

Das Polizei wollte die Speicherung zunächst unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Verhinderung schwerer Straftaten wie sie bei vergleichbaren Veranstaltungen in Genua, Seattle oder Davos vorgekommen waren, beibehalten. Sie hat aber nach nochmaligem Vorhalt von mir inzwischen mitgeteilt, dass eine Löschung dieses Eintrags im Kriminalaktennachweis erfolgen werde.

Im Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz 2002 hatte sich auch ein Jugendlicher an mich gewandt, der von der Polizei in Gewahrsam genommen worden war. Ihm war vorgeworfen worden, trotz Verbotes an einer Versammlung teilgenommen zu haben. Seine personenbezogenen Daten waren wegen dieser Ordnungswidrigkeit von der Polizei in der Staatsschutzdatei und in der PSV gespeichert worden. Die speichernde Polizeidienststelle teilte dem Betroffenen auf Anfrage mit, dass der Kriminalaktennachweis zu seiner Person keine Eintragungen aufweise und lediglich noch regionale Verwaltungsdaten vorgehalten werden. Seite 36 Bayerischer Landtag 15. Wahlperiode Drucksache 15/2074

Nach einem erneuten an das Landeskriminalamt (LKA) gerichteten Auskunftsantrag des Petenten wurde ihm von dort mitgeteilt, dass über die Vorgangsverwaltungsdaten hinaus keine Auskünfte erteilt werden. Nachdem der Petent mir dieses Schreiben übermittelt hatte, habe ich mich an das LKA gewandt, um die Auskunftserteilung aus datenschutzrechtlicher Sicht zu prüfen. Das LKA berichtete mir, dass der Betroffene nicht nur in der Vorgangsverwaltung, sondern wegen des selben Sachverhalts auch in der Staatsschutzdatei gespeichert sei. Die Auskunftsverweigerung über diese Speicherung stützte das LKA auf Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 PAG, wonach eine Auskunft an den Betroffenen unterbleiben kann, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, insbesondere eine Ausforschung der Polizei, zu besorgen ist.

Ich habe diese Begründung für eine Ablehnung der Auskunftserteilung im vorliegenden Fall für unzureichend gehalten. Der Petent war zwar in Gewahrsam genommen worden. Er war zu diesem Zeitpunkt aber noch Jugendlicher und vorher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Auch in der Staatsschutzdatei waren mit Ausnahme der betreffenden Speicherung keine weiteren Erkenntnisse über ihn gespeichert.

Hinweise, dass der Petent als Mitglied der linksextremistischen Szene durch sein Auskunftsersuchen Kenntnis über polizeiliche Maßnahmen oder Dateien erlangen wollte oder das Vorliegen sonstiger Geheimhaltungsgründe, waren nicht erkennbar.

Ich habe deshalb die Polizei gebeten ihr Verhalten zu überprüfen und vollständige Auskunft an den Petenten zu erteilen. Das LKA hat dem Petenten daraufhin vollständige Auskunft über seine gespeicherten Daten erteilt. Die speichernde Polizeidienststelle habe ich darauf hingewiesen, dass die von ihr erteilte Auskunft unrichtig war, da sie unzutreffenderweise den Eindruck vermittelt hatte, dass damit Auskunft über alle in diesem Zusammenhang gespeicherten Daten erteilt worden sei. Für den Wiederholungsfall habe ich eine förmliche Beanstandung angekündigt.

Die Polizei hat mir auf Anfrage mitgeteilt, dass für die Speicherungen im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz 2003 auf ein Konzept wie im Jahr 2002 verzichtet worden war. Allerdings sind im Jahr 2003 auch weit weniger Betroffene gespeichert worden als im Jahr 2002. Im Zusammenhang mit einer Bürgereingabe habe ich eine Reihe von KANSpeicherungen wegen sonstiger polizeilicher Gefahrenabwehr - Nr. 2.2.11 (siehe oben) geprüft.

Diese hat die Polizei auch hier auf meine Aufforderung hin gelöscht.

Im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz 2003 steht auch eine Eingabe einer 17-jährigen Jugendlichen, die sich wegen der datenschutzrechtlichen Prüfung ihrer Speicherungen bei der Polizei an mich gewandt hat. Sie hatte am Marienplatz in München ihre 14-jährige Schwester und deren gleichaltrige Freundin abholen wollen. Durch ein Telefongespräch mit ihrer Schwester hatte sie dann erfahren, dass beide hinter dem Rathaus im Zusammenhang mit der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Sicherheitskonferenz vorläufig festgenommen worden waren. Daraufhin war die Petentin zur Gefangenensammelstelle der Polizei hinter dem Rathaus gegangen, um persönlich Kontakt mit ihrer Schwester aufzunehmen. Nach den Stellungnahmen von Polizeibeamten habe sie versucht, die Personalienaufnahme bei den beiden Betroffenen zu stören. Nachdem sie deshalb des Platzes verwiesen worden war, beleidigte sie die Polizeibeamten. Aufgrund dieser Beleidigung wurde sie vorläufig festgenommen, wobei sie nach Angaben der Polizeibeamten, insbesondere durch Stemmen beider Beine gegen den Boden bzw. den Versuch, sich zu Boden fallen zu lassen, Widerstand geleistet habe. Anschließend wurde sie auf der Polizeidienststelle einer erkennungsdienstlichen Behandlung (Foto, Fingerabdrücke) unterzogen.

Die Polizei hat mir aufgrund meiner Zweifel an der Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung mitgeteilt, dass eine spätere Überprüfung des Sachverhalts ergeben habe, dass die Voraussetzungen für diese Maßnahme nicht vorgelegen haben. Von einer förmlichen Beanstandung habe ich in diesem Fall aber abgesehen, da die erkennungsdienstlichen Unterlagen vernichtet und die polizeilichen Speicherungen dazu gelöscht wurden.

Darüber hinaus war die Petentin wegen dieses Vorgangs auch in der Staatsschutzdatei SDBY gespeichert worden, obwohl diese bisher weder polizeilich, vor allem aber nicht in staatsschutzmäßiger Hinsicht in Erscheinung getreten war. Bei den der Petentin zur Last gelegten Straftaten handelt es sich weder um sog. Staatsschutzdelikte noch um politisch motivierten Straftaten. Die Petentin wollte Kontakt zu ihrer vorläufig festgenommenen Schwester aufnehmen was ihr durch die Polizei verwehrt wurde. Offensichtlich aus Verärgerung darüber kam es zu der Beleidigung und in der Folge zu dem Versuch, sich der Festnahme zu entziehen. Ein Grund, eine unbelastete 17-Jährige deswegen landesweit in der Staatsschutzdatei zu speichern, ist dies aber nicht. Die Polizei ist erfreulicherweise meiner Aufforderung, diese Speicherung aus der SDBY zu löschen, nachgekommen.

INPOL-neu

In meinem 19. Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 5.5.1) habe ich von der Neukonzeption des bundesweiten polizeilichen Informationssystems INPOL berichtet.