Finanzamt

7.18 Meldung suchtkranker oder suchtgefährdeter Personen an die Gesundheitsämter

Das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz ist mit der Bitte an mich herangetreten, die Frage der Meldung von suchtkranken oder suchtgefährdeten Personen von der Polizei an die Gesundheitsämter im Hinblick auf das zum 01.01.2001 in Kraft getretene Infektionsschutzgesetz zu beurteilen. Nach einer aus dem Jahr 1996 stammenden und auf der damaligen Rechtslage beruhenden Richtlinie des Staatsministerium des Innern hatte die Polizei ihr bekannt gewordene suchtkranke oder suchtgefährdete Personen stets an das Gesundheitsamt zu melden, um diesem die Suchtkrankenfürsorge und Seuchenbekämpfung zu ermöglichen.

Nachdem mit dem Erlass des Infektionsschutzgesetzes die seuchenrechtlichen Pflichtuntersuchungen entfallen sind, hielten einige Gesundheitsämter die Beibehaltung der pauschalen Datenübermittlungen durch die Polizei für entbehrlich, während andere weiterhin auf die genannten Personen zugingen und eine Untersuchung anboten. Die Staatsministerien des Innern sowie für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz vertraten hierzu die Auffassung, der primäre Aspekt der Suchtkrankenfürsorge sei nur durch die polizeiliche Datenübermittlung der betreffenden Personen an die Gesundheitsbehörden möglich.

Ich habe das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz darauf hingewiesen, dass nach Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes eine pauschale Datenweitergabe der Namen von suchtkranken oder suchtgefährdeten Personen durch die Polizei an die Gesundheitsämter mit den Bestimmungen des Datenschutzes nicht mehr vereinbar ist.

Nach Art. 40 Abs. 3 PAG darf die Polizei von sich aus lediglich dann bei ihr vorhandene personenbezogene Daten an andere Behörden oder öffentliche Stellen, die für die Gefahrenabwehr zuständig sind, übermitteln, soweit die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich erscheint. Die Kenntnis sämtlicher suchtkranker oder suchtgefährdeter Personen ist aber nach der Rechtsänderung zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr erforderlich, da zugunsten einer möglichst frühzeitigen Beratung auf freiwilliger Basis auf Zwangsuntersuchungen oder -beratungen verzichtet wird. Somit kommt nur noch die Übermittlung der Daten derjenigen Personen in Betracht, bei denen es aus der Sicht der Polizei im Einzelfall aufgrund bestimmter Umstände möglich erscheint, dass das Gesundheitsamt bestimmte Anordnungen treffen kann, weil Erkenntnisse darüber vorliegen, dass diese Personen durch ihr Verhalten Gesundheit oder Leben anderer gefährden.

Darüber hinaus bin ich auch der Argumentation entgegengetreten, die namentliche Kenntnis von Suchtkranken sei für die Gesundheitsbehörden auch zum Vollzug des Unterbringungsgesetzes unabdingbar.

Diesbezüglich habe ich darauf hingewiesen, dass nicht die Gesundheitsämter, sondern die Kreisverwaltungsbehörden für den Antrag im Unterbringungsverfahren zuständig sind. Liegen Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Unterbringung vor, darf die Polizei daher lediglich die Kreisverwaltungsbehörde unterrichten, die dann ihrerseits über die Einbindung des Gesundheitsamts entscheidet.

Das Staatsministerium des Innern hat die Richtlinie zur Meldung suchtkranker oder suchtgefährdeter Personen durch die Polizei an die Gesundheitsämter entsprechend meinen Ausführungen geändert. Dabei hat es zutreffend darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, dass die zu übermittelnden Daten für die Aufgaben des Gesundheitsamts aus der Sicht der Polizei erforderlich erscheinen, während die endgültige Klärung der Frage, ob die Person durch ihr Verhalten Gesundheit und Leben anderer gefährdet und daher eine Anordnung zulässig ist, vom Gesundheitsamt vorgenommen wird.

7.19 Abfragen im polizeilichen Informationssystem

Auch in diesem Berichtszeitraum waren - wie in den zwei vorangegangenen - wieder problematische Abfragen im polizeilichen Informationssystem festzustellen, die das soziale Umfeld der abfragenden Polizeibediensteten betrafen. Wie in meinem 20. Tätigkeitsbericht ausgeführt (vgl. Nr. 6.25), hat das Innenministerium die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes gegen die Gefahr des Missbrauchs interner (polizeilicher) Daten für private Zwecke (z.B. Einbindung eines Vorgesetzten vor der Datenabfrage) abgelehnt. Die nachfolgenden Beispiele zeigen deutlich die Gefahren:

Eine Bürgerin hatte sich an mich gewandt, da sie eine im privaten Interesse durchgeführte Abfrage ihrer personenbezogenen Daten durch einen Polizeibeamten vermutete, der gleichzeitig ihr Vermieter war.

Eine von mir veranlasste Auswertung des Protokollbestandes der Polizei ergab, dass der betreffende Polizeibeamte personenbezogene Daten der Petentin im Einwohnermeldeverfahren (EWO) abgefragt hatte. Das zuständige Polizeipräsidium teilte mir auf Anfrage mit, dass die betreffenden Datenabfragen von dem Polizeibeamten von dessen dienstlichem Arbeitsplatz auf Grund des von der Petentin vermuteten privaten Anlasses (Mietverhältnis) durchgeführt worden waren.

Der Datenabgleich mit dem Bestand des Einwohnermeldeverfahrens ist nach dem Bayerischen Meldegesetz nur zulässig, wenn im Einzelfall die Kenntnis der Daten zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich ist. Des Weiteren ist geregelt, dass der Empfänger der Daten diese nur für den Zweck verwenden darf, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Das Informationsinteresse des Beamten hatte sich aber aus seiner privaten Stellung als Wohnungsvermieter ergeben. Der Datenabgleich und die Datennutzung, die zu privaten Zwecken erfolgten, waren deshalb unzulässig. Ich habe die Polizei aufgefordert darauf hin zu wirken, dass künftig solche datenschutzrechtlichen Verstöße vermieden werden.

In einem ähnlichen Fall hatte ein Polizeibeamter ein Fahrzeug über das Zentrale Verkehrsinformationssystem (ZEVIS) zur Feststellung des Halters abgefragt. Die Abfrage stand im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit auf Grund des Mietverhältnisses zwischen dem Polizeibeamten und der Fahrzeugführerin. Diese hatte Prozesskostenhilfe beantragt, wobei der abfragende Beamte als Beklagter vom zuständigen Amtsgericht zur Stellungnahme aufgefordert worden war. Nach seinen Angaben habe er im Hinblick auf ein von der Mieterin geführtes Kfz mit ortsfremden Kennzeichen einen Betrug durch Verschleierung der Vermögensverhältnisse vermutet und deshalb eine Halterabfrage durchgeführt. Zwar ist eine solche Abfrage nach dem Straßenverkehrsgesetz zur Verfolgung von Straftaten zulässig. Jedoch war offensichtlich, dass sich das Informationsinteresse des Beamten aus der Vermischung privater Interessen als Hausvermieter bzw. Prozessbeklagter und möglichen dienstlichen Interessen als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ergeben hat. Der Fall macht deutlich, dass vor dienstlichen Ermittlungen im sozialen Umfeld des Polizeibeamten, noch dazu wenn seine eigenen Interessen berührt sind, eine innerdienstliche Überprüfung durch den Vorgesetzten und die Abgabe des Vorganges an einen nicht befangenen Beamten grundsätzlich notwendig sind.

In einem anderen Fall vermutete eine Bürgerin eine unzulässige Datenabfrage und Datenübermittlung ihrer Halterdaten aus dem Fahrzeugregister an eine Privatperson durch einen Polizeibeamten, nachdem ihr ein entsprechender E-Mail-Schriftverkehr zwischen dem Beamten und einer Privatperson bekannt geworden war. Darin hatte der Beamte dem offenbar befreundeten Empfänger mitgeteilt, dass das Fahrzeug der Petentin noch unter einer früheren Wohnanschrift angemeldet war. Eine von mir veranlasste Protokolldateiauswertung beim LKA ergab, dass die personenbezogenen Daten der Petentin von einem Polizeibeamten im Zentralen Verkehrsinformationssystem (ZEVIS) abgefragt worden waren. Der Beamte hat die unzulässige Datenabfrage und -übermittlung zwischenzeitlich eingeräumt. Eine innerdienstliche Überprüfung der Angelegenheit im Hinblick auf evtl. straf-, bußgeld- bzw. disziplinarrechtliche Konsequenzen wurde eingeleitet.

Wegen der Gefahr zukünftiger unzulässiger Abfragen aus privaten Motiven halte ich neben den von mir vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen auch die Durchführung der im Jahr 1998 vom Staatsministerium des Innern angeordneten anlassunabhängigen Auswahlprüfung von Datenabfragen für unerlässlich.

Diese sollte sich allerdings nicht auf Abfragen des KAN-Bestandes beschränken.

7.20 Entbindung von der Schweigepflicht im Strafverfahren

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 6.18) hatte ich auf meine Bedenken gegen das bei der bayerischen Polizei verwendete Formblatt Einwilligung zur Weitergabe personenbezogener Daten hingewiesen, durch dessen Unterzeichnung sowohl Geschädigte und Zeugen als auch Beschuldigte bestimmte Behörden oder sonstige Stellen (z.B. Arzt, Krankenkasse, Arbeitsamt, Finanzamt) gegenüber den Ermittlungsbehörden von der Schweigepflicht entbinden bzw. zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigen. Zwischenzeitlich wurde ich über die beabsichtigte Verwendung des Formblatts auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren in Kenntnis gesetzt.

Ich habe das Staatsministerium des Innern darauf hingewiesen, dass die Anwendung des Formblatts in Ordnungswidrigkeitenverfahren noch wesentlich stärkeren Bedenken begegnet, als die Anwendung im Strafverfahren. Ich halte es schon für bedenklich, wenn in besonders sensiblen und gesetzlich besonders geschützten Bereichen, in denen es um die Entbindung von beruflichen Schweigepflichten geht, die Datenerhebung nicht auf die gesetzlichen Eingriffsbefugnisse des Ordnungswidrigkeitengesetzes sondern auf die Einwilligung des Betroffenen gestützt werden soll. Im Hinblick darauf kommt der umfassenden und eindeutigen Aufklärung des Betroffenen, die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist, besondere Bedeutung zu. Die Hinweise auf dem Formblatt erwecken aber den unzutreffenden und irreführenden Eindruck, dass die Daten, für die die Einwilligung zur Weitergabe erklärt wird, in einem umständlicheren, langwierigeren und belastenderen Verfahren auch ohne diese Einwilligung von der Polizei erhoben werden könnten und die Einwilligung lediglich einer Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens diene. Gerade durch den Hinweis, dass im Einzelfall die Einholung richterlicher Anordnungen sowie die Notwendigkeit von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen entfällt wird der Eindruck erweckt, die Polizei könne die erforderlichen Informationen auch ohne Zustimmung des Betroffenen mittels richterlicher Anordnung erheben. Dies ist jedoch bei Ordnungswidrigkeitenverfahren sogar in der Mehrzahl der Fallkategorien unzutreffend.

Ich habe deshalb das Staatsministerium des Innern aufgefordert, die Anwendung des Formblatts gerade in Ordnungswidrigkeitenverfahren, bei denen es nicht um strafrechtlich relevantes Verhalten sondern nur um sog. Verwaltungsunrecht geht, aus datenschutzrechtlichen Gründen zu unterlassen. Dieses hat mir zugesagt, von einer Verwendung des Formblatts im Ordnungswidrigkeitenverfahren abzusehen.

7.21 Auskunft über präventive Speicherungen bei laufenden Ermittlungsverfahren

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 6.23) hatte ich die Problematik der Auskunftserteilung über präventivpolizeiliche Daten bei laufenden Ermittlungsverfahren dargestellt. Ich hatte darauf hingewiesen, dass - im Gegensatz zur Auffassung des Staatsministeriums des Innern - die Polizei als speichernde Stelle dieser Daten und nicht die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Bürger für die Entscheidung über seinen Antrag auf Auskunftserteilung zuständig ist.

Nach der zwischenzeitlich mit dem Staatsministerium des Innern erzielten Einigung bezüglich der Auskunftserteilung über die im Kriminalaktennachweis auf der Grundlage präventiv polizeilicher Befugnisse gespeicherten Daten laufender Ermittlungsverfahren an den Betroffenen ist von der Polizei behördenintern stets die Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen. Sofern die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommt, dass die Auskunftserteilung aus Gründen der Gefährdung des Ermittlungsverfahrens abzulehnen ist, ist die Polizei an diese Entscheidung gebunden. Als speichernde Stelle ist sie aber selbst für die ggf. erforderliche Ablehnung des Antrags gegenüber dem Bürger zuständig. Eine Verweisung des anfragenden Bürgers an die Staatsanwaltschaft kommt nicht in Betracht.

§ 491 regelt die Auskunftserteilung an Betroffene im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur effektiveren Nutzung von Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften ergänzt. § 491 Abs. 1 sieht nun vor, dass über Ermittlungsverfahren, deren Einleitung im Zeitpunkt der Beantragung der Auskunft noch nicht mehr als sechs Monate zurückliegt, keine Auskunft erteilt wird. Diese Frist kann im Einzelfall verlängert werden. Diese Ergänzung wird sich auch auf die Auskunftserteilung über präventivpolizeiliche Daten bei laufenden Ermittlungsverfahren auswirken.

7.22 Generelle Auskunftsablehnung bei Betäubungsmittelhandel

Nach Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 PAG unterbleibt die Auskunft an den Betroffenen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, insbesondere eine Ausforschung der Polizei, zu besorgen ist. Im Hinblick auf diese Regelung hatte das Staatsministerium des Innern festgelegt, dass in allen Fällen des unbefugten Rauschgifthandels eine Auskunft unterbleibt. In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Ziffer 6.24) hatte ich darauf hingewiesen, dass diese Verfahrensweise mit der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang steht. Die Ablehnung der Auskunftserteilung ist nur ausnahmsweise und nur nach Prüfung und Beurteilung des Einzelfalls zulässig.

Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Staatsministerium des Innern hat dieses einen erneuten Verfahrensvorschlag vorgelegt:

Im Unterschied zu den bisherigen Vorschlägen wird darin erstmals dem aus datenschutzrechtlicher Sicht entscheidenden Erfordernis Rechnung getragen, dass in den Fällen des unbefugten Rauschgifthandels keine pauschale Entscheidung zu treffen ist, sondern eine Einzelfallprüfung durch die Polizeidienststelle zu erfolgen hat. Dabei sei allerdings davon auszugehen, dass bei der Betäubungsmittelkriminalität eine deliktsspezifisch eng verflochtene Händler- und Konsumentenstruktur vorhanden sei und deshalb im Zweifel von einer Ausforschungsgefahr auszugehen sei und eine Auskunft zu unterbleiben habe.

Wann ein derartiger Zweifelsfall anzunehmen ist, bleibt offen. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird die Polizei keine Erkenntnisse darüber haben, ob der Auskunftsbegehrende Teil der kriminellen Strukturen der Szene ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn bei der Polizei nur eine einzige Speicherung wegen Betäubungsmittelhandels zu einer ansonsten polizeilich nicht näher bekannten Person besteht. In diesen Fällen, in denen der Polizei keine näheren Erkenntnisse vorliegen, erscheint es nicht gerechtfertigt, aufgrund allgemeiner Überlegungen von Zweifeln auszugehen und die Auskunft zu verweigern. Ich habe deshalb im Interesse einer echten Verbesserung des polizeilichen Auskunftsverhaltens vorgeschlagen, dass nicht schon im Zweifel von einer Ausforschungsgefahr ausgegangen werden müsse, sondern erst bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte.

Dies wurde vom Staatsministerium des Innern mit dem Hinweis abgelehnt, die besondere Problematik bei der Auskunftserteilung bei Fällen des unbefugten Rauschgifthandels bestehe gerade darin, dass der Polizei in zahlreichen Fällen gerade noch keine entsprechenden Anhaltspunkte vorliegen und aufgrund