Körperschaftsrechte

Als einzige Handlungsmöglichkeit des Staates kommt der Entzug der Körperschaftsrechte in Betracht.

Gesetzliche Bestimmungen hierzu gibt es jedoch nicht. Für den Entzug der Körperschaftsrechte bedarf es auf Grund des Vorbehalts des Gesetzes einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

Wegen des Gewichts einer solchen Entscheidung, wegen ihrer Gestaltungswirkung und wegen der ansonsten ungeklärten Rechtsfolgen muss der Gesetzgeber selbst regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sowie mit welchen Rechtsfolgen Körperschaftsrechte entzogen werden dürfen.

Gesetzlich nicht geregelt sind bislang ferner der Erwerb und der Verlust von Körperschaftsrechten bei Orden und ähnlichen Vereinigungen (kirchlichen Vereinigungen) sowie deren Zusammenschluss.

Der Gesetzentwurf schließt diese Regelungslücken im Normzusammenhang des Bayerischen Kirchensteuergesetzes, da zu den Voraussetzungen für die Erhebung von Kirchensteuern durch Kirchen, Religions- oder weltanschauliche Gemeinschaften die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV, Art. 143 Abs. 3 BV, Art. 1 Abs. 1 Bestimmungen zu Orden und kirchlichen Vereinigungen, die keine Kirchensteuer erheben können, werden als Annex zur geregelten Materie behandelt und deshalb in das Gesetz (Art. 26 a) mit aufgenommen.

In der Systematik wird daher unterschieden zwischen Kirchen, Religions- und weltanschaulichen Gemeinschaften einerseits (Art. 1) und Orden bzw. kirchlichen Vereinigungen andererseits (Art. 26 a). Geregelt werden Verleihung, Rücknahme, Widerruf, außerdem die rechtlichen Folgen von Rücknahme und Widerruf sowie der Beendigung der religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft.

Mit dem Einfügen der neuen Regelungen erfolgt eine redaktionelle Umstellung bestehender Bestimmungen (Art. 2 bis 4).

Die Änderungen im 4. Teil sind terminologischer Art. Sie erfolgen, um eine unterschiedliche Bedeutung der Bezeichnung glaubensverschiedene Ehe in Art. 9 Abs. 2 einerseits und im bisherigen Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 und im 4. Teil des Gesetzes andererseits zu vermeiden.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu § 1 Nr. 1

Art. 1 Abs. 2 Satz 1 führt die Voraussetzungen für die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften im Einzelnen auf. Mit der Voraussetzung in Nr. 1 lehnt sich der Gesetzentwurf dabei eng an die bundesverfassungsrechtliche Richtnorm des Art. GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV an, wo verlangt wird, dass eine Gemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet. Die Auslegung dieses Merkmals ist durch Rechtsprechung, Literatur und übereinstimmende Verwaltungspraxis der Länder im Wesentlichen geklärt.

Damit sind nähere Präzisierungen entbehrlich.

Das in Nr. 2 genannte Erfordernis der Rechtstreue folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 102, 370), das auf dieses Kriterium ausdrücklich abgestellt und den Begriff im gegebenen Zusammenhang näher erläutert hat. Danach muss eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht beachten, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben werde und durch ihr künftiges Verhalten die in Artikel 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.

Nr. 3 bestimmt in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis der Länder als Anknüpfungspunkt für die Verleihung den Sitz der Gemeinschaft. Hat die Gemeinschaft ihren Sitz in einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland, so kann eine Verleihung der Körperschaftsrechte in Bayern erst erfolgen, wenn die Gemeinschaft im Sitzland bereits die Körperschaftsrechte erworben hat.

Satz 2 stellt im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 66, 1) klar, dass die Gewähr der Dauer nur bejaht werden kann, wenn die Gemeinschaft auch in der Lage ist, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen.

Die Verleihung der Körperschaftsrechte setzt daher ein Prognose über die wirtschaftliche Stabilität der Gemeinschaft voraus. Sie wird in der Regel auf der Grundlage eines von Wirtschaftsprüfern erstellten Gutachtens zu treffen sein.

Art. 1 Abs. 3 regelt Rücknahme und Widerruf. Bei der Rücknahme einer rechtswidrigen Verleihung von Körperschaftsrechten übernimmt das Kirchensteuergesetz inhaltlich im Wesentlichen die allgemeine Regelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Beim Widerruf einer rechtmäßigen Verleihung ist Art. 1 Abs. 3 Satz 2 des Kirchensteuergesetzes angesichts des Gewichts der Entscheidung enger gefasst als die allgemeine Regelung des Art. 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. In Satz 2 Nummern 1 bis 6 wird die Zulässigkeit des Widerrufs auf begrenzte Fallgruppen beschränkt. Ein nachträglicher Wegfall einzelner Verleihungsvoraussetzungen, wie etwa ein deutlicher Rückgang der Mitgliederzahlen, ist dabei für sich gesehen noch kein Widerrufsgrund. Der Widerruf kann nach Nr. 1 auf Antrag der betreffenden Gemeinschaft erfolgen. In Nr. 2 wird der Fall erfasst, dass eine Gemeinschaft ihren Charakter so verändert, dass sie nicht mehr als Religionsgemeinschaft oder als weltanschauliche Gemeinschaft angesehen werden kann. Dies wäre etwa dann anzunehmen, wenn die Gemeinschaft primär wirtschaftliche Ziele verfolgt. Nr. 3 stellt auf ein geändertes Verhalten der Körperschaft hinsichtlich ihrer Rechtstreue ab. Die Zweifel an der Rechtstreue müssen durch konkrete Tatsachen begründet sein. In Nr. 4 und Nr. 5 werden die Fälle erfasst, in denen eine Gemeinschaft in eine wirtschaftliche oder strukturelle Krise gerät und in denen der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine gemeinwohlverträgliche Lösung der Krise behindern könnte.

Schließlich erfasst Nr. 6 den Fall, dass die Gemeinschaft ihren Sitz in das Ausland verlegt. Rücknahme und Widerruf sind stets Ermessensentscheidungen, bei denen die Folgen des staatlichen Eingriffs zu berücksichtigen sind.

Satz 3 begrenzt den Anwendungsbereich der Rücknahme- und Widerrufsregelung (mit Ausnahme des Widerrufs auf Antrag) auf Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften, die nach In-Kraft-Treten der Bayerischen Verfassung Körperschaft des öffentlichen Rechts geworden sind. Für die älteren Körperschaften gilt die Regelung des Art. 143 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Verfassung: Sie bleiben kraft Verfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bei In-Kraft-Treten der Bayerischen Verfassung waren. Ihr öffentlich-rechtlicher Status kann nur durch Verfassungsänderung entzogen werden.

Bei den Rechtsfolgen von Rücknahme und Widerruf beschränkt sich das Kirchensteuergesetz in Art. 1 Abs. 4 auf die Aberkennung der besonderen öffentlich-rechtlichen Stellung; die Gemeinschaft wird damit als solche nicht zur Auflösung gezwungen. Mit der Unanfechtbarkeit der Verwaltungsentscheidung finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Vereine Anwendung, sofern sich aus der Verfassung der Gemeinschaft nichts anderes ergibt. Die Bestimmung verweist dabei auf das anzuwendende materielle Recht, sie regelt jedoch nicht den Zeitpunkt der Wirksamkeit. Die Anordnung der Rückwirkung nach Abs. 3 Satz 1 wird damit nicht ausgeschlossen. Mit Satz 2 respektiert der Gesetzentwurf möglichst weitgehend das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinschaften; er bietet lediglich subsidiär die Gestaltungsformen des nicht rechtsfähigen Vereins oder des eingetragenen Vereins an.

Art. 1 Abs. 5 regelt die Zuständigkeit und die amtliche Bekanntmachung der Entscheidungen. Außerdem sieht die Bestimmung im Fall der Selbstauflösung einer Gemeinschaft eine amtliche deklaratorische Feststellung vor, dass die Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht mehr besteht.

Zu § 1 Nr. 2

§ 1 Nr. 2 ordnet zur Verbesserung der Systematik die bisherigen Bestimmungen von Art. 1 Abs. 2 bis Art. 4 neu an. Inhaltlich ergeben sich dabei keine Änderungen. Lediglich die Bezeichnung Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe wird durch die Bezeichnung besonderes Kirchgeld ersetzt.

Art. 2 übernimmt die bisher in Art. 4 enthaltene Regelung, wobei die von weltanschaulichen Gemeinschaften eingerichteten gemeindlichen Verbände nunmehr als örtliche Verbände bezeichnet werden. Die Änderung ist lediglich terminologischer Art.

Art. 3 Abs. 1 übernimmt die bisher in Art. 3 enthaltene Regelung.

Art. 3 Abs. 2 bis 4 übernimmt die bisher in Art. 2 enthaltene Regelung.

Art. 4 übernimmt die bisher in Art. 1 Abs. 2 enthaltene Regelung.

Zu § 1 Nr. 3 bis 5

Die Änderungen sind lediglich terminologischer Art.

Zu § 1 Nr. 6

Art. 26 a Abs. 1 regelt die Verleihung von Körperschaftsrechten an Orden und kirchliche Vereinigungen. Unter Orden sind die traditionellerweise so bezeichneten Institute innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche zu verstehen, deren Mitglieder sich durch öffentliche (kirchenamtliche) Gelübde auf die evangelischen Räte (Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam) verpflichtet haben und in klösterlicher Gemeinschaft zusammenleben. Ähnliche Vereinigungen wie Orden, die einer öffentlich-rechtlichen Kirche, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gemeinschaft angehören, werden nach der Legaldefinition als kirchliche Vereinigungen bezeichnet und den Orden gleichgestellt. Zu ihnen gehören etwa innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche die Säkularinstitute, innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche die Vereinigungen von Diakonissen.

Bisher wurde die Verleihung der Körperschaftsrechte an Orden und kirchliche Vereinigungen auf Art. 2 Abs. 2 des Bayerischen Konkordats gestützt. Durch die Kodifizierung soll eine ausdrückliche landesgesetzliche Regelung geschaffen werden; eine Ausweitung der bisherigen Praxis ist aber nicht intendiert.

Mit dem Erfordernis der Gewähr der Dauer knüpft Art. 26 a Abs. 1 Satz 1 an die Voraussetzungen an, die Art. 140 GG i. V. m.

Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV bei der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aufstellt. Die Rechte können - wie bei Kirchen, Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften - außerdem nur verliehen werden, wenn die Vereinigung rechtstreu ist. Der Sitz muss sich in Bayern befinden. Die Bestimmung ist als Ermessensvorschrift ausgestaltet, die auch die Erteilung von Auflagen erlaubt. Insbesondere soll das Gesetz ermöglichen, Auflagen hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der betroffenen Orden und kirchlichen Vereinigungen zu erteilen. Die Führung von risikobehafteten Unternehmungen - auch von solchen, die gemeinnützig sind, - soll möglichst nicht im Rahmen der öffentlichrechtlichen Körperschaft erfolgen. Schließlich regelt Abs. 1 Satz 4 in Anlehnung an Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV den Zusammenschluss von Orden und kirchlichen Vereinigungen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Im Unterschied zum Zusammenschluss von öffentlich-rechtlichen Kirchen, Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften entsteht die neue Körperschaft in diesem Fall aber nicht automatisch; vielmehr bedarf es eines Verleihungsverfahrens mit der Möglichkeit, dass auch Auflagen erteilt werden.

Art. 26 a Abs. 2 verweist hinsichtlich des Verlusts der Körperschaftsrechte bei Orden, kirchlichen Vereinigungen und Verbänden (Art. 26 a Abs. 1 Satz 4) auf die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des Art. 1 Abs. 3 bis 5. Darüber hinaus ermöglicht Satz 2 den Widerruf auch für den Fall, dass die bei der Verleihung der Körperschaftsrechte erteilten Auflagen nicht oder nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt werden. Die Rücknahme- und Widerrufsregeln finden nach Satz 4 keine Anwendung auf Orden und kirchliche Vereinigungen, die bei des Reichskonkordats bereits Körperschaften des öffentlichen Rechts waren und deren Rechtsstellung durch das Konkordat geschützt wird, weil das Konkordat diesen Körperschaften den öffentlich-rechtlichen Status unmittelbar garantiert.

Ein Entzug könnte hier nur durch Konkordatsänderung erfolgen.

Zu § 2:

Die Bestimmung regelt das In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes.