Wohlfahrt

Haushalts- und Rechnungswesen mit Verwaltungsbuchführung

Das bisherige Haushalts- und Rechnungswesen mit einer Verwaltungsbuchführung (Kameralistik) soll mit Blick auf das Reformziel, die Haushaltswirtschaft von der Darstellung des reinen Geldverbrauchs auf die Darstellung des umfassenderen Ressourcenverbrauchs umzustellen, weiter entwickelt werden. Damit für die beiden Wahlformen (Doppik/Kameralistik) keine gravierenden unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Anforderungen bestehen, ist - wie bei der Doppik - eine vollständige Darstellung des Ressourcenverbrauchs vorgesehen.

Im Haushaltsplan und in der Haushaltsrechnung sind - wie bisher Einnahmen und Ausgaben nachzuweisen, wobei die wesentlichen Ertrags- und Aufwandpositionen einzubeziehen sind.

Der Haushaltsplan soll ebenfalls eine Budgetstruktur aufweisen und in der Darstellung auf Produkte ausgerichtet sein. In der Konsequenz daraus gibt der Haushaltsplan Informationen über die Produkte und Verwaltungsleistungen.

Das Sachvermögen soll vollständig erfasst und seine Wertminderung durch Nutzung in Form der Abschreibungen rechnungsmäßig dargestellt werden.

Die Abschreibungen müssen künftig zur vollständigen Darstellung des mit der Leistungserstellung verbundenen Ressourceneinsatzes über die derzeit schon bestehenden Verpflichtungen hinaus (insbesondere für die sog. kostenrechnenden Einrichtungen) vollständig ermittelt und dem Vermögenshaushalt zugeführt werden. Zu diesem Zweck ist die bisherige Haushaltsrechnung zu einer Vollvermögensrechnung auszubauen.

Die Verpflichtung zum Ansatz von Rückstellungen wird eingeführt sowohl für Zwecke des Verwaltungshaushalts (z.B. Pensionsrückstellungen) als auch für Zwecke des Vermögenshaushalts (z.B. Sanierung von Altlasten).

Da die Abschreibungen und Rückstellungen rechnungsmäßig darzustellen sind, müssen sie zwangsläufig in den Haushaltsausgleich einbezogen werden. Die Auswirkungen verschlechtern wie im doppischen Haushalts- und Rechnungswesen das Ergebnis. Insofern wird auf die entsprechenden Ausführungen hierzu verwiesen.

Der bisherigen Jahresrechnung ist eine neue Vermögensrechnung beizufügen. In der Vermögensrechnung sind außer dem Geldvermögen und den Schulden auch das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen der Gemeinde auszuweisen.

Die praktische Umsetzung der Reform des Gemeindehaushaltsrecht allein führt nicht automatisch zu einer größeren Wirtschaftlichkeit, sie öffnet auch keine neuen finanziellen Spielräume. Das neue Haushaltsrecht ist vielmehr ein Instrument, das bei konsequenter Umsetzung im Kontext mit einer sachgerechten Aufbau- und Ablauforganisation in der Kommunalverwaltung zu einer größeren Wirtschaftlichkeit in der Aufgabenerfüllung führen kann. Voraussetzung dafür ist der feste Wille der Kommunalpolitik und der Kommunalverwaltung, die zusätzlichen Informationen über die Ressourcenverbräuche auch in der gebotenen Weise bei den zu treffenden Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die strategische Ausrichtung der kommunalen Aufgabenerfüllung, zu berücksichtigen.

Diesem Gesetzentwurf sind als Anlagen beigefügt ein Entwurf für die neue Gemeindehaushaltsverordnung - Doppik - (Anlage 1) und der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der bestehenden Gemeindehaushaltsverordnung - Kameralistik - (Anlage 2). Sie geben den aktuellen Bearbeitungsstand wieder und sollen über die vorgesehenen detaillierten Regelungen des Gemeindehaushaltsrechts informieren. Sie sind aufgrund der Entscheidungen des Landtags entsprechend weiter zu entwickeln. Vor dem Erlass dieser Verordnungen wird eine Anhörung nach dem "Beteiligungsgesetz" durchgeführt.

II. Schwerpunkte im kommunalen Wirtschaftsrecht

1. Subsidiaritätsklausel

Mit dem Gesetzentwurf soll im öffentlichen Interesse und im Interesse der Privatwirtschaft eine durch den öffentlichen Auftrag nicht gerechtfertigte wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden verhindert werden. Dem Vorbild anderer Bundesländer folgend darf die Gemeinde sich künftig wirtschaftlich nur betätigen, wenn die geforderte Leistung nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erbracht werden kann. Bei Anwendung der neuen Subsidiaritätsklausel sind im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs auch die Qualität der Leistung, ihre Zuverlässigkeit sowie soziale Komponenten zu berücksichtigen. Die Gemeinde hat insoweit einen Beurteilungsspielraum. Bei der Entscheidung für eine kommunalwirtschaftliche Betätigung sind die Gründe eingehend darzustellen. Deshalb wird eine vorherige Markterkundung gesetzlich vorgeschrieben.

Anders als im bisherigen Recht wird nicht mehr auf die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens abgestellt, sondern in einem umfassenden Sinn auf die wirtschaftliche Betätigung. Damit ist künftig grundsätzlich jede kommunalwirtschaftliche Betätigung qualitativ an den Zulassungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 HGO n.F. zu messen. Hier lagen in der Vergangenheit die meisten Problemfälle im Interessenwiderstreit zwischen der Kommunalwirtschaft und den privaten Anbietern.

Der Bestandsschutz wird durch eine Stichtagsregelung gesichert.

2. Lockerung des Örtlichkeitsprinzips

Die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Kommunen werden an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst, die durch die Einführung von Wettbewerb in den bisherigen Monopolbereichen verursacht sind. Die örtlichen Beschränkungen werden zugunsten der kommunalen Unternehmen gelockert. "Verbundene Leistungen", die im Wettbewerb üblich sind, werden unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

3. Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten

Die Gemeinden werden zur Erstellung von Beteiligungsberichten verpflichtet, um die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten von Gemeindevertretung und Öffentlichkeit zu stärken. Die Informationspflichten der Vertreter des Gemeindevorstands in den kommunalen Unternehmen gegenüber dem Gemeindevorstand werden präzisiert.

4. Änderung des Eigenbetriebsgesetzes

Einige Vorschriften des Eigenbetriebsgesetzes werden, Bedürfnissen der Praxis entsprechend, vereinfacht oder den Gegebenheiten des kommunalen Haushaltsrechts angepasst.

III. Erweiterung der Prüfungsbefugnisse der überörtlichen Prüfungsbehörde

Der überörtlichen Prüfungsbehörde wird die Möglichkeit eröffnet, Prüfungen in den kommunalen Unternehmen vorzunehmen. Außerdem sollen künftig in besonders begründeten Fällen Einzelfallprüfungen möglich sein. Das gilt vor allem für Prüfungen beim Landeswohlfahrtsverband Hessen oder beim Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main; diese Verbände sind mit den Städten, Gemeinden und Kreisen nur sehr beschränkt vergleichbar. Auch sonstige singuläre Großeinrichtungen auf kommunaler Ebene können betroffen sein. In Zukunft soll darüber hinaus die Prüfung durch eigenes Personal des Rechnungshofs möglich sein, um so die Qualität der Prüfungsergebnisse weiter zu steigern.

IV. Schwerpunkte im Bereich der allgemeinen Kommunalverfassung und des Kommunalwahlrechts

1. Vertretungskörperschaften

Die 1976 in die Kommunalverfassung eingeführte - bundesweit einmalige - Regelung in § 36a Abs. 1 Satz 4 HGO/§ 26a Abs. 1 Satz 4 HKO "belohnte" jede (kleine) Partei oder Wählergruppe, der es gelang, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen und in die Vertretungskörperschaft einzuziehen, mit dem Fraktionsstatus. Im Extremfall billigte sie sogar einem einzelnen Gemeindevertreter oder Kreistagsabgeordneten Fraktionsstatus zu ("Ein-Personen-Fraktion").

Nach den Erfahrungen aus den allgemeinen Kommunalwahlen vom März 2001 - erstmals unter (vollständigem) Verzicht auf die 5 Prozeht-Hürde, also auf ein Mindestquorum für die Teilnahme an der Sitzverteilung (§ 22 Abs. 2 KWG a.F.) - ist die Streichung der bisherigen Vorschrift über die Bildung von Fraktionen kraft Gesetzes in

§ 36a Abs. 1 Satz 4 HGO/§ 26a Abs. 1 Satz 4 HKO angezeigt. Allein in die Gemeindevertretungen sind 129 Ein-Personen-Fraktionen eingezogen. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt am Main setzt sich in der laufenden Kommunalwahlperiode aus zehn Fraktionen zusammen, darunter drei Ein-Personen-Fraktionen, einer Zwei-Personen-Fraktion, einer Drei-Personen-Fraktion und zwei Vier-Personen-Fraktionen. Die Verleihung des Fraktionsstatus an die sog. Einzelkämpfer(innen) erschwert wegen der damit verbundenen besonderen Rechte (vgl. z. B. §§ 50 Abs. 2 Satz 2, 62 Abs. 4 Satz 2 HGO) eine effiziente parlamentarische Arbeit erheblich. Schon bei der Kommunalverfassungsnovelle 1999 hat die Landesregierung die Regelung des § 36a Abs. 1 Satz 4 HGO/§ 26a Abs. 1 Satz 4 HKO nur beibehalten wollen, weil in ihrem Gesetzentwurf vom 21. September 1999 (LT-Drucks. 15/425 S. 24/25) lediglich die Absenkung der Sperrklausel auf 3 v.H. - nicht aber auf 0 v.H. - vorgesehen war.

Die Abschaffung der Ein-Personen-Fraktion ist ein zentraler Punkt im "Erfahrungsbericht und Forderungskatalog Kommunalwahlen 2001" des Hessischen Städte- und Gemeindebundes vom Dezember 2001

(HSGZ 2002 S. 46, 49).

Eine weitere Steigerung der kommunalparlamentarischen Arbeits- und Funktionsfähigkeit ist möglich, wenn die Gemeindevertretungen und Kreistage Verkleinerungsbeschlüsse nach § 38 Abs. 2 HGO/§ 25 Abs. 2 HKO fassen. Je niedriger die Zahl der zu vergebenden Mandate ist, desto höher ist die faktische, rein mathematisch begründete Hürde für die Teilnahme an der Sitzverteilung.

2. Erfahrungen mit dem neuen Wahlrecht

Das durch das Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und kommunalen Selbstverwaltung vom 23. Dezember 1999 (GVBl. 2000 I S. 2) eingeführte neue Kommunalwahlsystem ist am 18. März 2001 erstmals praktiziert worden. Die Wählerinnen und Wähler haben nach entsprechender Vorarbeit durch die Parteien und Wählergruppen, die Wahlbehörden, die Kommunen und ihre Spitzenverbände sowie die Landesregierung und die Medien - in beträchtlichem Umfang von den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die mit dem Kumulieren und Panaschieren verbunden sind, Gebrauch gemacht (Hessisches Statistisches Landesamt: Kumuliert und panaschiert - die Kommunalwahlen in Hessen 2001, Juli 2001). Das neue Wahlrecht ist insgesamt, also auch von den Wahlvorschlagsträgern sowie den Wahlorganen und -behörden, gut angenommen und umgesetzt worden (Adrian/Heger: Erfahrungsbericht des Hessischen Städte- und Gemeindebundes e.V., Sonderdruck HSGZ Dezember 2001). Ungeachtet dessen hat sich in Details Änderungs- und Verbesserungsbedarf gezeigt, dem mit Regelungsvorschlägen zum Kommunalwahlgesetz Rechnung getragen werden soll. Weitergehender Änderungsbedarf wird im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Novellierung der Kommunalwahlordnung angegangen, die sich an das Gesetzgebungsverfahren anschließen soll.

Vor diesem Hintergrund werden folgende Änderungen vorgeschlagen:

- Die Bildung und Besetzung der Wahlorgane wird vereinfacht: Der besondere Wahlleiter und sein besonderer Stellvertreter werden auf unbestimmte Zeit bestellt; die Bestellung kann widerrufen werden. Wahlvorsteher und Stellvertreter müssen nicht aus dem Kreis der Wahlberechtigten rekrutiert werden, so dass verstärkt Beschäftigte der Gemeindeverwaltungen herangezogen werden können.