Auswirkungen des in Sachen Altmark Trans (C-280/00) auf ÖPNV-Förderung

Ich frage die Staatsregierung:

1. Welche Auswirkungen des Urteils vom 24. Juli 2003 des Europäischen Gerichtshofs zum Magdeburger Urteil in Sachen Altmark Trans (C-280/00) erwartet die Staatsregierung auf von ihr über das FAG, das GVFG, das und das Regionalisierungsgesetz bezuschusste ÖPNV-Leistungen, für die keine Betrauungsakte vorliegen?

2. Bei welchen Förderwegen sieht die Staatsregierung nach dem Handlungsbedarf?

3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Ermittlung der Parameter zur Berechnung des Ausgleichs hinsichtlich Objektivität und Transparenz?

4. Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass von ihr gewährte ÖPNV-Ausgleichszahlungen nicht zu Überkompensationen bei den begünstigten Unternehmen führen?

5. Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die Höhe der gewährten ÖPNV-Ausgleichszahlung im Vergleich mit den Kosten bestimmt wird, die ein durchschnittliches Verkehrsunternehmen zu tragen hätte?

Vorbemerkung:

Die Altmark-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs enthält wichtige neue Aussagen zur ÖPNV-Finanzierung, führt jedoch noch nicht zu einer umfassenden Klärung der zentralen beihilfe- und vergaberechtlichen Fragen im Bereich des ÖPNV. Daher sind sowohl die nationale Rechtsprechung wie auch die Mitteilungen oder Regelungen der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang sorgfältig zu beobachten. Ein unter Mitwirkung Bayerns erstellter Bericht des Bund-Länder-Fachausschusses Straßenpersonenverkehr (veröffentlicht als Beilage zu. Der Nahverkehr, Ausgabe 5/04) enthält, eine vorläufige Bewertung der Auswirkungen des Urteils auf die Finanzierungs- und Ausschreibungspraxis im ÖPNV in Deutschland.

Zu 1.: Vorab ist festzuhalten, dass die vier vom aufgestellten Kriterien nicht unmittelbar für Verträge gelten, die sich im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 bewegen, wie dies beispielsweise bei Bestellung von Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs der Fall ist. Die Kriterien können ­ wenn überhaupt ­ allenfalls eine ergänzende Zielvorgabe für Verträge nach dieser Verordnung haben.

Gegenstand des Altmark-Urteils ist die öffentliche Finanzierung von Betriebskostendefiziten im (allgemeinen) ÖPNV. Ob bzw. wie sich das Urteil auf die Finanzierung von Investitionen (GVFG, Regionalisierungsgesetz) auswirkt, wird derzeit vom Bund/Länder-Arbeitskreis Verkehrsanlagen des ÖPNV näher untersucht.

Die vier vom in seinem Urteil aufgestellten Kriterien sind im Zusammenhang mit dem Prüfungsschema des Artikel 87 Abs. 1 EGV zu sehen. Eine Beihilfe im Sinne des Artikel 87 Abs. 1 EGV liegt erst dann vor, wenn alle Tatbestandsmerkmale (Staatliche Mittel/Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige/Wettbewerbsverfälschung/Handelsbeeinträchtigung) zu bejahen sind. Eine Beihilfe liegt insbesondere nicht vor, wenn eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt wurde und der Zuschuss lediglich dem Zweck dient, die damit verbundenen Mehrkosten unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns auszugleichen. Diesen Grundsatz konkretisiert der nun im Altmark-Urteil in Form von vier Einzelkriterien.

Zunächst muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein.

Der führt selbst an, dass sich die gemeinwirtschaftlichen Pflichten etwa aus nationalen Rechtsvorschriften oder aus der Genehmigung ergeben können. Im Bereich des Personenbeförderungsgesetzes kommen hierfür insbesondere die Betriebspflicht (§ 21 die Beförderungspflicht (§ 22 oder die Tarifpflicht (§ 39 in Betracht.

Die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung kann sich im Einzelfall für den Unternehmer aber auch deshalb aus der Genehmigung ergeben, da diese nach § 15 Abs. 3 unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden kann. Darüber hinaus können Grundlage gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auch die ÖPNV-Gesetze der Länder, Nahverkehrspläne oder sonstige, ggf. vertragliche, Festlegungen der Aufgabenträger sein, soweit diese den Verkehr planen und im Einzelnen festlegen, wie die Verkehrsleistungen durchzuführen sind (konkrete Ausgestaltung, Qualitätsstandards, Struktur und Höhe der Tarife).

Nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung ist deshalb im Fall einer öffentlich bezuschussten allgemeinen ÖPNV-Leistung kaum ein Fall denkbar, in dem kein Betrauungsakt vorliegt.

Zu 2.: Im Hinblick auf die Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten bei den einzelnen Förderwegen, sind generelle Aussagen nicht möglich. Bei Betriebskostenzuschüssen für eigenwirtschaftliche Verkehre werden etwa ein nachträglicher Verlustausgleich (hierzu auch Antwort zu Frage 3) oder pauschalierte Ausgleichszahlungen in aller Regel nicht mehr möglich sein. Bei der Kooperationsförderung in Bayern in ihrer bisher praktizierten Form erscheint der Vergleich mit einem durchschnittlich gut geführten Unternehmen nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand herstellbar. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr, und Technologie hat dem Bayerischen Landtag deshalb berichtet, dass die Kooperationsförderung in ihrer bisherigen Form (unmittelbare Bewilligung durch die Regierung) im Jahr 2004 eingestellt und in die allgemeinen ÖPNV-Zuweisungen an die Aufgabenträger (Landkreise und kreisfreie Städte) integriert wird.

Zu 3.: Die Berechnungsfaktoren für den Ausgleich müssen schon vorab nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Bei allgemeinen Förderprogrammen, die z. B. in Richtlinien konkretisiert sind, wird dies in aller Regel gewährleistet sein. Ein nachträglicher Verlustausgleich, der sich ausschließlich an der Höhe des individuellen Unternehmensverlustes bemisst, ist danach jedoch ausgeschlossen. Transparent bedeutet, dass die vorherige Aufstellung der Parameter in einem eventuellen Prüfungsverfahren nachvollziehbar sein muss; eine öffentliche Bekanntmachung ist nicht Voraussetzung.

Zu 4. und 5.: Die Verantwortung für die Beihilferechtskonformität von ÖPNV-Ausgleichszahlungen im konkreten Fall liegt bei den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen. Die Bayerische Staatsregierung kann insoweit nur beratende Hilfestellung leisten.

Ausgleichszahlungen dürfen weder zu einer Überkompensation im konkreten Einzelfall führen, noch dürfen sie den Maßstab eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens übersteigen. Die verschiedenen Ermittlungs- bzw. Berechnungsmethoden, die den einzelnen Finanzierungsinstrumenten zugrunde liegen, machen es unmöglich, eine generelle Aussage zur Frage der Überkompensation zu treffen.

Die Beurteilung muss deshalb den Aufgabenträgern in jedem konkreten Einzelfall überlassen bleiben. Für die Umsetzung des vierten Kriteriums (durchschnittlich, gut geführtes Unternehmen) wurden bisher verschiedene Lösungsmöglichkeiten angedacht, wie z. B. ein direkter Unternehmensvergleich (Benchmarking) oder auch eine Analyse durch einen neutralen Sachverständigen (analytischer Ansatz), die einer weiteren Konkretisierung noch bedürfen. Ferner wird erwartet, dass sich die Kommission zu einer Verdeutlichung dieses Kriteriums äußert. Abhängig von dieser derzeit noch laufenden Diskussion ist das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie bereit ­ soweit kommunale Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen dies wünschen ­ eine bayernweite Analyse der Kosten von durchschnittlich gut geführten Unternehmen vorzunehmen und den Beteiligten zur Unterstützung an die Hand zu geben.