Zum Beispiel wird eine Herdimmunität für Diphtherie bei ca

Frage 7. Hat eine sinkende Impfdichte Auswirkungen auf Dritte?

Neben dem Schutz des Individuums gegen Erreger, die von Mensch zu Mensch übertragen werden, haben viele Impfungen noch einen weiteren Effekt: Sie führen zu einem Kollektivschutz der Bevölkerung, der so genannten Herdimmunität. Dadurch wird das Auftreten von Epidemien verhindert. Insbesondere werden Personen geschützt, bei denen aus medizinischen Gründen eine Impfung nicht durchgeführt werden kann. Ein Nutzen für den Gesundheitsschutz der Allgemeinbevölkerung setzt aber erst dann ein, wenn hohe Impfraten erzielt werden. Der Prozentsatz an Personen, die in einer Bevölkerung geimpft sein müssen, um einen sicheren Kollektivschutz zu gewährleisten, ist dabei für jede Infektionskrankheit unterschiedlich hoch.

Zum Beispiel wird eine Herdimmunität für Diphtherie bei ca. 80 v.H., für Mumps bei ca. 90 v.H. und für Masern bei 92 bis 95 v.H. erreicht. Bei hohen Durchimpfungsraten können einige Krankheitserreger (ausschließliches Reservoir Mensch; Ausheilung nach der Akutphase mit Eliminierung aus dem Körper) regional eliminiert und schließlich weltweit ausgerottet werden.

Frage 8. Wie beurteilt unter diesen Bedingungen die Landesregierung die Forderung von Kinderärzten (z.B. des Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte) nach einer Impfpflicht?

Eine Impfpflicht wird in Fachkreisen gefordert, da die Bereitschaft zum Impfen in der Bevölkerung - insbesondere bei älteren Kindern bzw. Jugendlichen und Erwachsenen - nachlasse. Hauptgrund ist, dass wegen der erfolgreichen Impfungen die einzelnen Krankheiten nur noch selten vorkommen und dadurch die Gefahren der Bevölkerung nicht mehr präsent sind. Die Impfstoffe sind heute so gut verträglich, dass eine Durchimpfung der Bevölkerung - mindestens in den zur Herdimmunität erforderlichen Bereichen - als hoch effektive Präventionsmaßnahme anzusehen ist und eine hohe Durchimpfung daher unbedingt anzustreben ist.

Allerdings lässt sich eine Impfpflicht in der derzeitigen Gefahrenlage gegenüber der Bevölkerung aus verschiedenen Gründen nicht mehr durchsetzen.

In den letzten Jahrzehnten wurde die Impfung auf die niedergelassenen Ärzte übertragen. Eine Logistik für die Kontrolle der durchgeführten Impfungen wurde aber nicht geschaffen (Impfregister). Dies brauchte man aber, um fehlende Impfungen zu erkennen. Möglicherweise könnte man die Krankenkassen zu einer entsprechenden Datenerfassung und Weiterleitung (Abrechungsdaten) verpflichten, fraglich wäre es dann, wer mit welchen Mitteln eine Person zur Durchführung einer Impfung zwingen könnte. Eine Einschränkung der körperlichen Unversehrtheit (Grundrecht) durch Zwangsimpfung ist nur dann durchsetzbar, wenn der Einschränkung eine hohe Gefahr der Gemeinschaft gegenübersteht.

Tatsächlich wird der Anteil überzeugter Impfgegner eher niedrig geschätzt (ca. 1 v.H.). Zum Schutz der Gesamtbevölkerung sind in der Regel Durchimpfungsraten von 85 bis 95 v.H. ausreichend, die zumindest bei den Kindern häufig erreicht werden. Man kann diesen Anteil an Impfgegnern also verkraften, auch wenn deren Verhalten als "unsolidarisch" anzusehen ist.

Sollte der Anteil an Impfgegnern jedoch deutlich zunehmen, steigt die Gefahr von Epidemien in der Gesamtbevölkerung. Bei konkreter Gefährdung kann dann nach dem Infektionsschutzgesetz eine Impfpflicht mittels einer Rechtsverordnung angeordnet werden. Derzeit besteht keine derartige Gefährdung.

Es ist jedoch wichtig, dem Problem der sinkenden Impfakzeptanz (auch bedingt durch Bequemlichkeit und Vergesslichkeit) frühzeitig mit Aufklärung und Impfangeboten zu begegnen. Dafür ist eine nachhaltige politische Unterstützung unbedingt erforderlich.

Frage 9. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, in Hessen eine solche Pflicht einzuführen, bzw. welche anderen Möglichkeiten gibt es, die Durchimpfungsraten zu verbessern?

Die Einführung einer Impfpflicht ist derzeit nicht erforderlich. Es müssen jedoch immer wieder Aufklärungsaktionen stattfinden - wo erforderlich, auch mit Angeboten zur Durchimpfung.

Problematisch ist zunächst die mangelnde Durchimpfung von Jugendlichen.

Die Gesundheitsämter sind regelmäßig in den Schulen tätig, um entsprechende Aufklärung zu betreiben. Zusätzlich wurde jetzt von der Landesärztekammer Hessen ein Projekt zur gemeinsamen Aufklärungsarbeit von niedergelassenen Ärzten und den Gesundheitsämtern in besonderen Schulen begonnen.

Dringend erforderlich ist eine Erhöhung der Durchimpfungsraten für Influenza - hier sind sowohl die besonders gefährdeten Personengruppen (>60

Jahre, chronisch Kranke) als auch die Personengruppen, die die Erkrankung leicht übertragen können - z. B. das Medizinpersonal -, bei weitem nicht ausreichend geimpft. Im nächsten Jahr sind verschiedene Aktionen zur verstärkten Aufklärung geplant. Die Aktionen werden im Rahmen eines BundLänder-Programms erfolgen, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu erhöhen.

Bei Erwachsenen fehlen häufig die regelmäßige Auffrischimpfung gegen Diphterie und Tetanus sowie die Pneumokokkenimpfung bei den älteren Menschen.

Neben Aufklärungsaktionen, z. B. bei Gesundheitstagen, muss immer wieder an die niedergelassenen Ärztekollegen appelliert werden, auf die notwendigen Impfungen bei jedem Arztbesuch hinzuweisen. Nach allen Untersuchungen ist die Beratung durch den Hausarzt die erfolgreichste Form, die Akzeptanz einer Impfung zu erhöhen.