Feuerwehrführerschein auch in Bayern
Der Entwurf einer so genannten EU-Führerscheinrichtlinie sieht vor, dass europaweit der Führerschein für die Fahrerlaubnisklasse C 1 nur noch für Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von 6 statt bisher 7,5 Tonnen gelten soll.
Dieser Vorschlag der EU-Kommission würde zu einer erheblichen Verschärfung der Führerscheinproblematik bei den kommunalen Feuerwehren in Bayern führen. Nach Angaben des deutschen Feuerwehrverbandes wären in Deutschland von der Regelung 12.000 Feuerwehrautos betroffen.
Entsprechend müssten ehrenamtliche Feuerwehrleute mit hohem Zeit- und Geldaufwand den Führerschein der höheren Fahrerlaubnisklasse erwerben. Die Kommunen protestieren daher gegen auf sie zukommende zusätzliche und kaum verkraftbare Kosten, zumal die zum 1. Januar 1999 erfolgte Neuregelung der Fahrerlaubnisklassen ohnehin schon für erhebliche Mehrkosten bei den Gemeinden gesorgt hatte.
Ich frage die Staatsregierung:
1. Befürwortet sie eine Zulassung von nationalen Ausnahmen bei der geplanten EU-Führerscheinrichtlinie, also eine Öffnungsklausel für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehren und evtl. auch bei technischen Hilfsdiensten?
2. Wenn ja, ist sie bereit, diesen Vorschlag über den Bundesrat im Anhörungsverfahren der Richtlinie vorzubringen und in Brüssel dafür zu werben?
3. Wie bewertet die Staatsregierung die Erfahrungen in Österreich mit dem so genannten Feuerwehrführerschein?
4. Befürwortet sie einen dem österreichischen Feuerwehrführerschein vergleichbaren Sonderführerschein für die bayerischen Feuerwehren und wenn ja, unter welchen Bedingungen ließe sich dessen Einführung realisieren?
5. Sieht die Staatsregierung kostengünstigere Lösungswege als bisher, damit die Feuerwehrleute die für die jeweiligen Fahrzeugtypen notwendigen Führerscheine erlangen können, insbesondere für jene Ehrenamtlichen, die die Fahrerlaubnis für höhere Klassen nicht beruflich, sondern lediglich im Feuerwehreinsatz nutzen?
Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 25.06.
Durch die Neueinteilung der Fahrerlaubnisklassen aufgrund der EG-Richtlinie 91/439/EWG vom 29.07.1991 (EU-Führerscheinrichtlinie) sind Probleme im Bereich der Freiwilligen Feuerwehren, des Katastrophenschutzes und der Hilfsorganisationen entstanden, weil insbesondere ehrenamtlich tätige Nachwuchskräfte mit der EU-Fahrerlaubnisklasse B vorhandene Einsatzfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t nicht fahren dürfen. Die Bundesrepublik Deutschland war jedoch verpflichtet, die international üblichen Einteilungen der Fahrerlaubnisklassen zu übernehmen.
Die Schwierigkeiten, die sich durch die Neueinteilung der Fahrerlaubnisklassen aufgrund der EG-Richtlinie für die Hilfsorganisationen ergeben haben, resultieren daraus, dass die Grenze zwischen der Pkw-Klasse B (früher: 3) und der Lkw-Klasse C (früher: 2) nicht wie bisher im deutschen Recht bei 7,5 t, sondern bei 3,5 t zulässiger Gesamtmasse verläuft. Die Bundesrepublik Deutschland hat zudem von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Unterklasse C1 für Kraftfahrzeuge zwischen 3,5 t und 7,5 t zulässiger Gesamtmasse einzuführen. Das Anforderungsprofil für die Klasse C1 ist hinsichtlich der Ausbildung und Fahrerlaubnisprüfung etwas geringer als für die Klasse C, hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen (Sehvermögen, Gesundheitsnachweis) aber gleich.
Nach der geltenden EU-Führerscheinrichtlinie ist es nicht zulässig, Fahrzeuge der Feuerwehren, des Katastrophenschutzes und der Hilfsorganisationen mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 t und 7,5 t mit einer Fahrerlaubnis der Klasse B zu führen. Die Einteilung der Fahrerlaubnisklassen, insbesondere die Beschränkung der Pkw-Klasse B auf 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht, entspricht internationalen Einteilungen und ist von der Bundesrepublik Deutschland im Zuge der Einführung der Richtlinie 91/439/EWG in nationales Recht umgesetzt worden. In nahezu allen europäischen Ländern bestand diese Grenze bereits vor Erlass der Richtlinie 91/439/EWG, so dass sich sowohl die Wirtschaft als auch die Fahrerlaubnisinhaber darauf eingestellt hatten.
Vor diesem Hintergrund können die Fragen wie folgt beantwortet werden:
Zu 1. und 2.: Öffnungsklausel für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehren
Die Staatsregierung hat sich von Anfang an für die Lösung der Probleme der Feuerwehren, Katastrophenschutzdienste und Hilfsorganisationen eingesetzt. Auch der Bayerische Landtag hat mit Beschluss vom 02.02.2000 die Staatsregierung aufgefordert, zu prüfen, ob Erleichterungen für Angehörige der Feuerwehren für den Erwerb der für das Führen von Feuerwehrfahrzeugen erforderlichen Fahrerlaubnisse möglich sind.
Leider ist es der Bayerischen Staatsregierung trotz umfangreicher Bemühungen in den vergangen Jahren nicht gelungen, im nationalen Fahrerlaubnisrecht Ausnahmen für die betroffenen Organisationen zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen C1 sowie C1E durchzusetzen. Vielmehr hat die Europäische Kommission eindeutig mitgeteilt, dass es mit der Richtlinie 91/439/EWG nicht vereinbar sei, Angehörigen von Freiwilligen Feuerwehren, Rettungsdiensten und Technischen Hilfsdiensten in Abweichung von den sonst gültigen Vorschriften zu ermöglichen, im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit mit einer Fahrerlaubnis der Klasse B Fahrzeuge der Klasse C1 zu führen. An dieser Haltung hält die Kommission nach wie vor fest. Das geltende europäische Fahrerlaubnisrecht sieht an keiner Stelle eine Verzahnung oder Aufweichung der Abgrenzung der Fahrerlaubnisklassen nach anderen Kriterien als der zulässigen Gesamtmasse vor. Davon ausgehend hat die Europäische Kommission auch keinen entsprechenden Vorschlag in den neuen Richtlinienentwurf aufgenommen. Für eine Initiative zur Einfügung einer Öffnungsklausel für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehren im Rahmen der geplanten 3. EU-Führerscheinrichtlinie, damit durch Fahrer der Feuerwehren mit einem Führerschein der Klasse B im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit auch Fahrzeuge der Klasse C1 geführt werden können, bestehen deshalb leider keine Erfolgsaussichten.
Der Bundesrat hat zudem in seiner Sitzung am 12.03. zur Vorlage über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein (Neufassung) zur geplanten Beschränkung der Klasse C1 auf Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von nur noch 6 t wie folgt Stellung genommen: Die Begrenzung der Klasse C1 auf 6.000 kg zulässige Gesamtmasse und die Änderung der Vorschriften über das Mitführen von Anhängern sind abzulehnen. Der weitaus größte Teil der Fahrzeuge im Brand- und Katastrophenschutz verfügt über eine Gesamtmasse zwischen 3.500 kg und 7. kg, wobei wiederum eine sehr große Anzahl dieser Fahrzeuge eine zulässige Gesamtmasse von über 6.000 kg und </= 7.500 kg aufweist. Auch der Bestand der Anhänger hat überwiegend eine zulässige Gesamtmasse > 750 kg. Zum Einsatz dieser Fahrzeuge mit oder ohne Anhänger kann nach geltendem Recht auf Inhaber der Führerscheinklasse C1 und C1E zurückgegriffen werden. Im Falle einer Neuregelung der Führerscheinklassen gemäß dem Richtlinienvorschlag sind zukünftig bei altersbedingtem Wechsel der Fahrer erhebliche Schwierigkeiten bei der Besetzung der Einsatzfahrzeuge zu erwarten. Im Einsatzfall könnte dann auf eine geringere Anzahl von Fahrberechtigten zurückgegriffen werden, mit der Folge längerer Ausrückezeiten und damit erheblich längerer Hilfsfristen. Deshalb ist alleine aus einsatztaktischen Erwägungen eine solche Regelung unbedingt zu vermeiden. Andernfalls müssten erheblich mehr Fahrer als bisher zusätzlich eine Fahrerlaubnis der Klasse C erwerben. Dies wäre für die Länder und Kommunen mit Kostenbelastungen in Millionenhöhe verbunden, da die Kosten für eine zusätzliche Ausbildung den ehrenamtlich Tätigen größtenteils erstattet werden müssten, da der Brand- und Katastrophenschutz fast ausschließlich auf der Freiwilligkeit der Einsatzkräfte beruht.
Die Notwendigkeit zu privat nicht erforderlichen und nicht zu nutzenden Fahrausbildungen belastet die Kräfte über ihre freiwillige Arbeit hinaus, die Einsatzfähigkeit der Organisationen wird in Frage gestellt, die Attraktivität des Ehrenamts nimmt deutlichen Schaden. Im Übrigen hält die von der Kommission vorgetragene Begründung einer Nachprüfung nicht stand. Weder die fahrzeugtechnische Begründung druckluftunterstützte Bremsanlagen können angesichts der Möglichkeit der Auf- und Ablastung von Fahrzeugen ein Kriterium sein noch das angebliche Erfordernis anderer Fahrfertigkeiten sind im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes als Probleme bekannt.
Dieser Beschluss spricht die Problematik im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes sowie der Hilfsorganisationen deutlich an.
In der neuesten Entwurfsfassung einer 3. EU-Führerscheinrichtlinie hat die Europäische Kommission ihren ursprünglichen Plan, die Klasse C1 auf Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 6 Tonnen zu begrenzen, wieder fallen gelassen. Damit wurde der bayerischen Forderung, wie sie in der o.g. Stellungnahme des Bundesrats zum Ausdruck kommt, Rechnung getragen.
Zu 3. und 4.: Österreichischer Feuerwehrführerschein:
Der Vorschlag, das österreichische Modell zu übernehmen, wurde bereits umfangreich geprüft. Nach einem Vergleich der Anforderungen nach den österreichischen Regelungen mit den Anforderungen nach der Fahrerlaubnis-Verordnung hat sich gezeigt, dass ein Vorgehen nach österreichischem Muster abzulehnen ist.
Entgegen weit verbreiteter Meinung wird in Österreich der Feuerwehrführerschein nicht automatisch erteilt. Auch die österreichischen Regelungen verlangen von Inhabern der Klasse B Ausbildung, Prüfung und Gesundheitsuntersuchungen. Der Aufbau einer neuen kostenintensiven Ausbildungsund Prüfungsorganisation bei Feuerwehren, der die Änderung von Bundesrecht erfordern würde, würde zusätzliche Kosten und Bürokratie bringen. Dies widerspricht den Bestrebungen der Bayerischen Staatsregierung nach Verwaltungsvereinfachung.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlich geregelten Halterverantwortlichkeit nur geeignete Kraftfahrer entsprechend dem Einsatzzweck eingesetzt werden dürfen.
Gerade die Inanspruchnahme von Sonderrechten bei Einsatzfahrten erfordert eine besonders gründliche Ausbildung und Beherrschung des Fahrzeugs und kann von den Bürgern aus Gründen der Verkehrssicherheit auch erwartet werden.
Die umfangreichere und bessere Ausbildung im Rahmen der Fahrerlaubnisklasse C1 bzw. C, von der vor allem die jugendlichen Fahranfänger nach Beitritt zur Feuerwehr oder den technischen Hilfsdiensten besonders profitieren, wird zwischenzeitlich sogar von Freiwilligen Feuerwehren anerkannt und gefordert.
Zu 5.: Erleichterungen:
Soweit die Feuerwehren, Katastrophenschutzdienste und Hilfsorganisationen aufgrund der Neuregelung nicht mehr über genügend Fahrer mit den erforderlichen Fahrerlaubnisklassen verfügen, müssen ggf. die Träger der jeweiligen Organisation zur Erfüllung ihrer Aufgaben dafür Sorge tragen, dass genügend Fahrer mit der erforderlichen Fahrerlaubnisklasse zur Verfügung stehen. Dies lässt sich u.U. nur dadurch sicherstellen, dass die Kosten für den Erwerb der erforderlichen Fahrerlaubnisklassen ganz oder teilweise übernommen werden.
Für den Bereich der Feuerwehren ist nach dem Bayerischen Feuerwehrgesetz die Sicherstellung des Brandschutzes Pflichtaufgabe der Gemeinden. Diese erstatten den Maschinisten der Feuerwehren die Ausbildungskosten in der Regel nur anteilig, da der Führerschein auch zu anderen als Feuerwehrzwecken genutzt werden kann. Eine Beschränkung der Fahrerlaubnis lediglich für Einsatzzwecke ist nicht möglich.
Die Kommunen können aber beispielsweise über vertragliche Vereinbarungen regeln, dass die Höhe des Zuschusses von einer gewissen Dauer der Dienstleistung bei der Feuerwehr, zu der sich z. B. der betreffende Maschinist verpflichtet, abhängig gemacht wird. Abhängig von der Dauer der jeweiligen Verpflichtung ist es u.U. auch möglich, in den vollen Genuss des Zuschusses zu kommen.
Von staatlicher Seite wird in Bayern der Führerscheinerwerb nicht bezuschusst. Der Staat gewährt den Kommunen aus der Feuerschutzsteuer Zuschüsse für Investitionen im Feuerwehrbereich, die sich auf die Förderung der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen und -geräten und des Baus von Feuerwehrgerätehäusern beschränken. Eine darüber hinausgehende Mittelbereitstellung für die Führerscheinausbildung ist angesichts der knappen Fördermittel nicht möglich und auch nicht vorgesehen.
Die Bayerische Staatsregierung hat jedoch wenigstens im Rahmen der landesrechtlichen Möglichkeiten folgende Erleichterungen geschaffen:
1. Einsatzfahrzeuge können als Ausbildungs- und Prüfungsfahrzeuge eingesetzt werden, wenn Doppelbedienungseinrichtung und zusätzliche Spiegel vorhanden sind. Zu bedenken ist hier aber, dass die Verwendung eines Einsatzfahrzeuges als Ausbildungs- oder Prüfungsfahrzeug steuer- und versicherungsrechtliche Folgen haben kann.
2. Die Kostenlast kann durch die Zusammenfassung von Bewerbern, z. B. auf Landkreisebene, und die Inanspruchnahme von Kompaktausbildungen durch private Fahrschulen reduziert werden.
3. Es ist möglich, die für Klasse C bzw. C1 erforderliche Gesundheitsuntersuchung mit den z.T. erforderlichen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen terminlich und inhaltlich zusammenzulegen. Dadurch wird eine zeitliche und finanzielle Doppelbelastung weitgehend vermieden.