Berufung von Professorinnen und Professoren an bayerische Lehrstühle

Ich frage die Staatsregierung:

Aus welchen Gründen wurde die Berufungsliste für den Lehrstuhl für Politische Wissenschaft an der Universität Augsburg (Nachfolge von Prof. Dr. Theo Stammen) vom Ministerium an die Universität zurückgegeben?

Aus welchen Gründen erfolgte die Berufung des Drittplatzierten der Berufungsliste nicht?

Aus welchen Gründen erfolgte seit März/April 2004 keine Berufung, obwohl dem Wissenschaftsministerium seit diesem Zeitpunkt die Berufungsliste für den Lehrstuhl für Politische Wissenschaft an der Universität erneut vorliegt?

Wann wird die Berufung erfolgen?

Wie lange dauern Berufungsverfahren durchschnittlich?

Wie lange benötigt das Ministerium für Bearbeitung und Abschluss eines Berufungsverfahrens nach Übermittlung der Berufungsliste in der Regel?

Wie sieht ein regulärer Ablauf eines Berufungsverfahrens aus (organisatorisch und zeitlich)? Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 20.01.

Zu 1.1:

Die von der Universität Augsburg vorgelegte erste Vorschlagsliste zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft (sog. Berufungsliste) enthielt die Namen von drei Bewerbern in der Reihung von Platz 1 bis 3. Die Rufe an den Erstplatzierten und an den Zweitplatzierten blieben erfolglos. Im Rahmen seiner nach Art. 57 Abs. 1 und 2 zugewiesenen Entscheidungskompetenz entschied sodann der damals amtierende Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dem verbliebenen Drittplatzierten den Ruf nicht zu erteilen (siehe auch unten zu 1.2). Mit Schreiben vom 18.07.2003 wurde dies der Universitätsleitung mitgeteilt; ihr wurde anheim gestellt, die Professorenstelle erneut auszuschreiben (was geschah).

Zu 1.2:

Mit zwei Lehrstühlen und einer C 3-Professur ist das Fach Politische Wissenschaft zur Durchführung des Diplomstudiengangs, des Magisterstudiengangs und der Ausbildung von Lehramtsstudenten im Fach Sozialkunde an der Universität Augsburg unterkritisch ausgestattet. Neben der hohen Bereitschaft der Professoren zu besonderem persönlichem Einsatz in der Lehre ist es insbesondere erforderlich, dass die drei Professoren zusammen ein breites fachliches Spektrum abdecken.

Aus den Bewerbungsunterlagen des Drittplatzierten und den gutachtlichen Stellungnahmen zur Berufungsfähigkeit des Bewerbers ergaben sich Hinweise auf Defizite im gewünschten fachlichen Spektrum, insbesondere ein qualitativ deutlicher Abstand gegenüber den vorrangig platzierten Bewerbern. Ferner enthielt das Votum der studentischen Vertretung zur Bewerberliste (siehe Art. 56 Abs. 3 Satz 6 Hinweise auf gewisse Probleme des Drittplatzierten bei seinem Probevortrag. Der Bewerber habe auf den Einsatz von Medien verzichtet, sein Vortrag sei zum Teil schwer verständlich gewesen. Seine Bemühung um Herstellung einer Seminarsituation mit den Studenten bei der anschließenden Diskussion sei nicht besonders gut gelungen.

Insgesamt ergaben sich daher nach Auffassung des Ministeriums Bedenken zur didaktischen und fachlichen Eignung des Drittplatzierten, die auch unter folgender Überlegung zu würdigen waren: Nachdem seit der ersten Ausschreibung der Professur (mit Bewerbungsschluss 31.05.2001) bereits über zwei Jahre vergangen waren, bestand die berechtigte Erwartung, dass sich bei erneuter Ausschreibung wieder eine ausreichende Bewerberlage mit neuen Nachwuchswissenschaftlern ergeben würde, die eine bessere Besetzung ermöglichen könnte. Es erschien deshalb notwendig, diese Chance zu nutzen und die Vorschlagsliste zurückzugeben.

Zu 2.1: Gegenstand des von der Bayerischen Staatsregierung eingeleiteten Verfahrens für eine Strukturreform an den staatlichen Hochschulen ist auch die Frage, ob und auf welche Standorte das Fach Politische Wissenschaft an den bayerischen Universitäten konzentriert werden soll. Die vorzeitige Wiederbesetzung des fraglichen Lehrstuhls in Augsburg würde den Entscheidungsspielraum der mit der Strukturreform befassten Gremien und Stellen auf Jahre hinaus einschränken.

22.02.

Zu 2.2:

Die Entscheidungsphase für die Strukturreform verdichtet sich nun auf das Frühjahr 2005. Das Berufungsverfahren wurde deshalb im Hinblick darauf ausgesetzt. Der Lehrstuhl wird derzeit ordnungsgemäß vertreten (durch den Erstplatzierten der zweiten Berufungsliste).

Zu 3.1:

Die Dauer der Berufungsverfahren für Professorinnen/Professoren ­ einschließlich der Zeit für das Ausschreibungsverfahren und die Bewerbungsfrist ­ ist höchst unterschiedlich und bewegt sich in der Regel in einem Rahmen von neun Monaten bis zu zwei Jahren. Gründe für die unterschiedliche Verfahrensdauer: siehe unten zu Frage 3.3.

Zu 3.2:

Der durchschnittliche Zeitraum von der Vorlage der Berufungsliste an das Ministerium bis zur Ausstellung der Ernennungsurkunde beträgt im Normalfall etwa drei bis sechs Monate. Verzögerungen darüber hinaus sind im Wesentlichen auf Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Ministeriums zurückzuführen (siehe unten zu Frage 3.3).

Um das Verfahren ab Erteilung des Rufs zu beschleunigen, hat das Staatsministerium im Einvernehmen mit der Bayerischen Rektorenkonferenz seit Ende Juli 2002 die Bindung an das Rufschreiben grundsätzlich auf sechs Monate, bei C 3 /W 2-Professuren auf drei Monate, befristet. Diese Befristung hat sich in der Praxis bewährt und bindet auch die bayerischen Hochschulen, ihre Verhandlungen mit den Bewerbern entsprechend zügig zu führen.

Zu 3.3:

Das Berufungsverfahren teilt sich organisatorisch und zeitlich in zwei Abschnitte: A: Ausschreibung und Verabschiedung einer Vorschlagsliste (Berufungsliste) durch die Universität (Dauer: etwa 10 bis 18 Monate):

· Etwa zwei Jahre vor dem altersbedingten Ausscheiden einer Professorin/eines Professors prüft die Hochschule, ob die Wiederbesetzung der Stelle geboten ist und ob sie der bisherigen oder einer anderen Fachrichtung dienen soll (Art. 56 Abs. 2

Der Ausschreibungstext wird vom Fachbereichsrat und Leitungsgremium, je nach Grundordnung zum Teil auch vom Senat der Hochschule, verabschiedet.

Beratungs- und Entscheidungszeitraum: insgesamt etwa drei Monate.

Wird eine Professur durch Wegberufung frei, hat die Hochschule diese Prüfung unverzüglich nach Kenntnis von der Rufannahme des/der Wegberufenen einzuleiten. Entsprechendes gilt bei Vakanzeintritt aus sonstigen Gründen (Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit des Stelleninhabers, Todesfall).

· Vorlage des Ausschreibungstextes an das Ministerium zur erforderlichen Zustimmung und danach Veröffentlichung der Ausschreibung. Verfahrensdauer von der Vorlage bis zur Veröffentlichung: etwa ein bis drei Monate.

· Bewerbungsfrist: zwei bis drei Monate.

· Einsetzung einer Berufungskommission, Sichtung der Bewerbungen, Vorträge der in die engere Wahl genommenen Bewerber, Beratungen der Berufungskommission, Anforderung von vergleichenden Gutachten für die Bewerber, die für die Vorschlagsliste ausgewählt wurden, endgültige Verabschiedung der Vorschlagsliste mit Reihung der Bewerberinnen und Bewerber. Dauer des Verfahrens im Normalfall (ohne Kontroversen innerhalb der Berufungskommission): etwa vier bis sechs Monate.

· Befassung der Vorschlagsliste im Fachbereichsrat, Senat und Leitungsgremium und Vorlage der Liste an das Ministerium: Dauer etwa zwei bis drei Monate.

Verzögerungen können sich ergeben, wenn die Liste hochschulintern keine Zustimmung findet und an die Berufungskommission zurückgegeben wird oder Sitzungstermine wegen zwischenzeitlicher Semesterferien verschoben werden müssen.

B: Erteilung des Rufs, Berufungsverhandlungen, Ernennung durch den Staatsminister (Dauer: 4 bis 6 Monate, in besonderen Fällen bis zu einem Jahr):

· Rufschreiben durch den Staatsminister (in der Regel ein bis drei Monate nach Listenvorlage): Verzögerungen ergeben sich, wenn die anzuhörenden Stellen nicht unverzüglich antworten oder wenn die Reihung der Kandidaten nicht eindeutig ist und insoweit Rückfragen erforderlich werden. Zur Vorbereitung des Rufs sind insbesondere folgende externen Zustimmungen bzw. Stellungnahmen erforderlich:

­ Auskunft aus dem Bundeszentralregister,

­ ggf. Zustimmung des bisherigen Dienstherrn nach Art. 107 b Beamtenversorgungsgesetz (wegen Verteilung der Versorgungslasten),

­ Anhörung des bisherigen Dienstherrn nach der KMK-Vereinbarung über die Besetzung von Professorenstellen an den Hochschulen,

­ ggf. Stellungnahmen im Vollzug der Bekanntmachung der Staatsregierung betreffend die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst vom 3. Dezember 1991

­ bei der Besetzung von Theologieprofessuren: vorherige Anfrage nach dem Kirchenvertrag beim zuständigen Bischof.

· Daran anschließend Berufungsverhandlungen:

­ Berufungsverhandlungen der Hochschulleitung mit der Bewerberin/dem Bewerber.

­ Berufungsverhandlung mit der Bewerberin/dem Bewerber im Ministerium, insbesondere Bezügeverhandlungen (diese werden seit 1.01.2005, der Einführung der W-Besoldung, nur noch mit der Hochschulleitung geführt).

­ Schriftliche Angebote an die Bewerberin/den Bewerber zur Ausstattung des Lehrstuhls und zu den künftigen Bezügen.

­ Bleibeverhandlungen der Bewerberin/des Bewerbers mit dem bisherigen Dienstherrn und der bisherigen Heimathochschule und ggf. daran anschließend Nachverhandlungen mit der neuen Hochschule bzw. dem künftigen Dienstherrn,

­ Erklärung der Bewerberin/des Bewerbers, ob sie/er den Ruf annimmt.

­ Vorlage des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung zur gesundheitlichen Eignung (wenn Bewerberin/Bewerber nicht bereits im bayerischen Staatsdienst steht). Erhebliche Verzögerungen können sich ergeben, wenn sich die Berufungsverhandlungen zu den Ausstattungsfragen und zu den künftigen Bezügen komplex und schwierig gestalten oder die/der Berufene nicht zügig verhandelt, insbesondere zur Führung paralleler Bleibeverhandlungen die Entscheidung über die Rufannahme hinausschiebt.

· Nach Rufannahme: Ausstellung der Ernennungsurkunde durch den Staatsminister und Versand der Urkunde an die Hochschulleitung zur Aushändigung an die Berufene/den Berufenen.