Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung

Vorbemerkung der Fragesteller:

Die Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung ist nach den §§ 40 ff. des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes Aufgabe der Bundesländer. Es wird jedoch immer deutlicher, dass viele Bundesländer infolge ihrer Finanzlage die ihnen nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben gar nicht wahrnehmen können. Allenthalben fehlt es den Untersuchungsämtern an Personal und Ausstattung. Das ist zuletzt bei der Beratung der Anträge "Lebensmittelüberwachung effizienter gestalten" (Bundestagsdrucks. 15/2339), "Wirksamere und breitere Lebensmittelüberwachung und -kontrolle in Deutschland" (Bundestagsdrucks. 15/2386) und "Verbraucher aufklären und schützen - Innovation und Vielfalt in der Produktentwicklung und Werbung für Lebensmittel erhalten" (Bundestagsdrucks. 15/1789) im Bundestag in seinem federführenden Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft deutlich geworden. Es "ist bislang nicht gewährleistet, dass die Betriebe im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung mindestens alle zwei Jahre kontrolliert werden", heißt es in dem Bericht dieses Bundestagsausschusses vom 3. März 2004 (Bundestagsdrucks. 15/2595). "Die Lebensmittelkontrolle ist praktisch zusammengebrochen. Die Sicherheit der Verbraucher ist nicht mehr gewährleistet. Wir brauchen mehr als doppelt so viele Kontrolleure, um nur annähernd die Vorschriften durchsetzen zu können", klagte kürzlich Hans-Henning Viedt, der Vorsitzende des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure. Die Presse nimmt sich zunehmend des Themas Lebensmittelkontrolle an und fordert Abhilfe.

Schon die damalige Präsidentin des Bundesrechnungshofs, Dr. Hedda von Wedel, hat in ihrem im Herbst 2001 erstatteten Gutachten "Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes" eine drastische Erhöhung der Kontrolldichte in der Lebensmittelüberwachung gefordert, um eine präventive Wirkung zu erzielen.

Die Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung ist Sache der Bundesländer. Immer häufiger wird wegen der schlechten Situation eine koordinierende Funktion des Bundes gefordert. Ein Gesamtkonzept für die künftige Gestaltung der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle muss erarbeitet werden. Die amtliche Überwachung muss für qualifizierte freiberufliche Lebensmittelsachverständige und private Lebensmittellabors geöffnet werden. Aufgaben der amtlichen Überwachung müssen ihnen als "staatlich beliehene Unternehmer" übertragen werden.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat nach einem Bericht der FAZ vom 2. Februar 2004 zu einer regelmäßigen, institutionalisierten Überprüfung der Staatstätigkeit aufgerufen. "Die Übernahme von Aufgaben durch den Staat darf keine Einbahnstraße darstellen. Einmal übernommene Staatsaufgaben bedürfen der periodischen Überprüfung dahin gehend, ob ihre Wahrnehmung durch die öffentliche Hand noch angebracht ist und ob die Aufgabe besser in privater Trägerschaft erfüllt werden könnte." Das gilt auch für die staatliche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle.

Vorbemerkung des Ministers für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz:

Die amtliche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung befindet sich vor allem aufgrund normativer Aktivitäten auf EU-Ebene in einer Umbruchsituation. In immer stärkerem Umfang besteht die Notwendigkeit, sich an EU-Vorgaben auszurichten und die dortige Lebensmittelgesetzgebung national auch mit neuen Ansätzen bis hin zu der Neuorganisation von Behörden bzw. der Neudefinition von Aufgaben zu etablieren. So wurden aufgrund der Basisverordnung EG Nr. 178/2002 die amtliche Lebensmittelüberwachung und die Futtermittelüberwachung in einer einzigen Abteilung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz konzentriert.

Auch nationale gesetzliche Vorgaben führen zu Neuerungen bei den Lebensmittelüberwachungsbehörden, wie beispielsweise aktuell durch das im Gesetzgebungsverfahren befindliche neue Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch oder aber auch durch die Absicht des Bundes, Belange der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung zunehmend in Form allgemeiner Verwaltungsvorschriften zu regeln.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantwortet der Minister für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Große Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Frage 1. Welche Schlussfolgerungen hat die Landesregierung aus dem seit bald drei Jahren vorliegenden Gutachten von Dr. von Wedel, "Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes", gezogen?

Die Landesregierung hat schon vor der Veröffentlichung des Gutachtens von Frau Dr. von Wedel zum 1. Juli 2001 aus den ehemaligen drei selbstständigen Staatlichen Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsämtern Südhessen in Wiesbaden, Mittelhessen in Gießen und Nordhessen in Kassel ein "Staatliches Untersuchungsamt Hessen" (SUAH) mit Sitz in Gießen und Standorten in Dillenburg, Kassel und Wiesbaden geschaffen. Mit der damit verbundenen Konzentration von Aufgaben, Gerätschaften, Liegenschaften und Personal hat die Landesregierung bereits frühzeitig die Weichen gestellt, um den stetig wachsenden Anforderungen der Lebensmitteluntersuchung und -beurteilung Rechnung tragen zu können. Das Gutachten von Frau Dr. von Wedel hat im Ergebnis die bereits erfolgte Neuorganisation der hessischen Untersuchungsämter bestätigt.

Die Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode weiterhin bereits die amtliche Lebensmittelüberwachung vom Sozialministerium in das Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz umressortiert.

Zum einen wurde damit der Verbraucherschutz insgesamt in diesem Ministerium konzentriert. Zum anderen wurden Entwicklungen auf EU- und nationaler Ebene, Ergebnisse des zitierten Gutachtens aufnehmend, aufgegriffen und Lebensmittelüberwachung und Futtermittelkontrolle in einer Abteilung konzentriert. Damit wurde dem EU-Überwachungsansatz "vom Acker bis auf den Teller ­ from field to fork" Rechnung getragen.

Frage 2. Ist der Landesregierung das Gutachten der BDO Unternehmensberatung GmbH, "Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im Rahmen der Neuorganisation der Untersuchungseinrichtungen Nordrhein-Westfalen", vom Dezember 2003 bekannt?

Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesem Gutachten?

Das Gutachten der BDO Unternehmensberatung GmbH über die Untersuchungslandschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ist bekannt. Ziel dieses Gutachtens ist es, den dort politisch Verantwortlichen ein Konzept zu empfehlen, wie die derzeit in Nordrhein-Westfalen noch bestehenden 22 Untersuchungsämter ­ sowohl staatliche als auch kommunale ­ konzentriert und in der Anzahl reduziert werden können.

Schlussfolgerungen hierzu muss und kann die Hessische Landesregierung keine ziehen, da sie mit der Neuorganisation der hessischen Untersuchungsämter zu einem einzigen Staatlichen Untersuchungsamt dem Land Nordrhein-Westfalen weit voraus ist.

Frage 3. Wie viele Personen sind in der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle des Landes Hessen tätig?

Hält die Landesregierung den Stand der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle für ausreichend?

In welchen Kontrollbereichen sind Schwachstellen vorhanden?

Den Ämtern für Veterinärwesen und Verbraucherschutz (ÄVV) wurden aktuell insgesamt 387,5 Stellen zugewiesen. Hiervon entfällt auf die Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrollen schätzungsweise knapp die Hälfte dieser Stellen.

Dem SUAH sind insgesamt 282 Stellen zugewiesen, wovon mehr als die Hälfte im Bereich der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeuntersuchung und -beurteilung angesiedelt sind.

Eine genauere Aufschlüsselung der genannten Zahlen ist nicht darstellbar, da die Bereiche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle einerseits und Veterinärmedizin, Tierschutz andererseits z.T. fließend ineinander übergehen bzw. Personal auch anlassbezogen in den unterschiedlichen Bereichen eingesetzt wird.

Die Landesregierung ist sich bewusst, dass die amtliche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle einen sehr sensiblen Bereich darstellt. Zugleich gilt es, ein Gleichgewicht zwischen ausreichenden Kontrollen einerseits und Finanzierung dieser Kontrollen andererseits herzustellen. Wie in sonstigen Lebensbereichen gibt es für die Bürgerinnen und Bürger beim Konsum von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen ein Restrisiko, welches auch durch erhebliche Aufstockung des Kontrollpersonals niemals auszuschließen wäre.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Verpflichtung zur Sorgfalt aller am Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen Beteiligten (Hersteller, Importeure, Groß- und Einzelhändler), nur solche Produkte anzubieten, von denen für die Verbraucher keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen. Diese Verpflichtung ergibt sich beispielsweise aus der EU-Basisverordnung 178/2002, aber auch aus der EU-Lebensmittelhygienerichtlinie bzw. dem hierzu geltenden nationalen Recht (siehe hierzu auch unter Antwort zu Frage 4).

Soweit Schwachstellen in einzelnen Kontrollbereichen bekannt werden sollten, wird diesen durch die erforderlichen Maßnahmen begegnet. Die Erforderlichkeit von Art und Umfang der Kontrollen ist eine Frage des anzulegenden Maßstabes z. B. hinsichtlich der Inspektionsfrequenz und Inspektionstiefe von Betrieben, aber auch hinsichtlich der Anzahl der zur Untersuchung anstehenden Proben bzw. der damit ganz wesentlich verbundenen jeweiligen Untersuchungstiefe.

Frage 4. Wie viele Ämter sind in Hessen in der amtlichen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständekontrolle tätig?

Wie sieht es mit der Ausstattung der Ämter aus?

Reichen nach Auffassung der Landesregierung die Zahlen hinsichtlich des Personals und der Ämter für eine qualifizierte Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben aus?

Das Land Hessen verfügt derzeit über 26 Ämter für Veterinärwesen und Verbraucherschutz. Darüber hinaus unterstützt das Staatliche Untersuchungsamt Hessen (SUAH) mit Standorten in Gießen, Kassel und Wiesbaden durch Untersuchungen und gutachterliche Beurteilungen die Vollzugsverwaltung, die Regierungspräsidien und das Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

Die Ausstattung des SUAH mit analytischer und diagnostischer Infrastruktur befindet sich derzeit auf einem Stand, von dem aus in der Regel sämtliche Fragestellungen der amtlichen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung bearbeitet werden können. Jährlich wird der Gerätepark nachgerüstet, modernisiert oder es werden auch völlig neue Analysengeräte angeschafft. Stehen Analysengeräte ausnahmsweise nicht zur Verfügung bzw. ist deren Beschaffung im Verhältnis zu anfallenden Analysenzahlen zu teuer, wird - wie im Fall von Dioxinuntersuchungen mehrfach durchgeführt - diese Art von Analytik entweder an akkreditierte freie Sachverständige oder aber auch an andere Bundesländer vergeben.

Die Landesregierung hat bereits in der letzten Legislaturperiode die von der damaligen Vorgängerregierung drastisch reduzierte Anzahl der Lebensmittelkontrolleure auf weniger als 100 wieder auf die alte Sollstärke von ca. 135 aufgestockt. Darüber hinaus wurden für die zentrale Überwachung der Anwendung von Tierarzneimitteln (9) bzw. für die Bereitstellung der so genannten Task-Force für die Tierseuchenbekämpfung im Krisenfall (6) insgesamt 15 neue Tierarztstellen geschaffen. Die Landesregierung ist darum bemüht, diesen Personalstand zu halten; sie ist sich jedoch bewusst, dass es eine allumfassende Kontrolle auch mit uneingeschränkt viel Personal nicht geben und dass demzufolge die amtliche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung immer nur auf dem Stichprobenprinzip beruhen kann.

Insofern wird der Eigenkontrolle und der Sorgfaltsverpflichtung der Betriebe eine hohe Bedeutung beigemessen. Vor diesem Hintergrund ist die Landesregierung der Auffassung, dass der vorhandene Personalstand sowohl in den Vollzugsämtern als auch beim SUAH ausreicht, um die gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können.