Veränderung des Grundwasserregimes im (FFH)-Gebiet Naturschutzgebiete am Lech südlich Augsburg

In den letzten Jahren kam es zu erhöhten Grundwasserständen in Königsbrunn, die auf den Anstau durch die Lechstaustufe 23 und erhöhte Niederschläge zurückgeführt wurden.

In Königsbrunn gab und gibt es auch Probleme durch in Kellerräume eindringendes Grundwasser. Um diese Probleme zu reduzieren, soll nun der in einem FFH-Gebiet fließende Lochbach, der in Teilabschnitten auch Wasser an den Grundwasserleiter abgibt, abgedichtet werden. Die als Lebensraum nach der FFH-Richtlinie geschützten Kalkflachmoore im FFH-Gebiet sind im hohen Maße vom Grundwasser und damit auch vom Lochbach abhängig.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Ist der Staatsregierung die durchgeführte Verträglichkeitsuntersuchung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Lochbachabdichtung bekannt?

a) Wenn ja, wie wird sie von der Staatsregierung bewertet?

2. Wie vereinbart sich das Ergebnis der Verträglichkeitsuntersuchung mit der geplanten Maßnahme?

a) Wie wird dem Verschlechterungsverbot der FFHRichtlinie (betroffen sind prioritäre Lebensräume) entsprochen?

b) Wie verträgt sich die geplante Maßnahme mit § 3 Nr. 4d der Naturschutzgebietsverordnung Stadtwald Augsburg: Zweck der Ausweisung des Naturschutzgebietes ist, Quellen und Quellhorizonte zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln.?

3. Stimmt die Staatsregierung der Aussage zu, dass der Einfluss des Lochbachs auf das Grundwasser in den 50 m vom Lochbach entfernten Quellgebieten gravierender sein wird als im 1500 m entfernten Königsbrunn, hält die Staatsregierung die Durchführung der Maßnahme als Unterhaltsmassnahme für rechtlich zulässig und inwiefern wird für eine entsprechende ökologische Bestandsaufnahme vor Durchführung der Maßnahme Sorge getragen?

4. Welche Sicherheit liegt in den rein rechnerisch prognostizierten Grundwasserabsenkungen durch die Lochbachabdichtung für die Grundwassersituation in Königsbrunn?

a) Wie hoch liegt der Schwankungsbereich des Grundwassers in den Pegeln in Königsbrunn und auf wie viele cm wurde der Einfluss des Lochbachs prognostiziert?

b) Wie viel cm würde der Einfluss des Lochbachs auf die Grundwassersituation in den unmittelbar benachbarten Quellgebieten des Naturschutzgebietes betragen?

5. Warum wurden keine Markierungsexperimente durchgeführt, um den Einfluss des Lochbachs auf die Grundwassersituation in Königsbrunn zu ermitteln?

6. Wie erklärt sich die äußerst heterogene Verteilung der nassen Keller in Königsbrunn, welche Sanierungsmaßnahmen sind auch nach Lochbachwasserabdichtung erforderlich?

7. Welche Kosten verursacht die Abdichtung des Lochbachs (inkl. eventuell geplanter Ausgleichsmaßnahmen zur Bewässerung des FFH-Gebietes)?

8. Gibt es Vorgaben der Stadt Königsbrunn, bei Neubauten auf Keller zu verzichten oder diese zumindest grundwassersicher zu errichten?

Antwort des Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 04.03.

Allgemeine Problematik:

In Königsbrunn, nördlich von Augsburg, wurde durch umfangreiche Gutachten festgestellt, dass die Verbauung des Lechs entlang der Staustufen im Bereich von Königsbrunn, vor allem im Gefolge von Hochwasserereignissen, zu einem verzögerten Abfluss des Grundwassers führt. Diese Trägheit des Grundwassersystems hatte in den Jahren 2001 bis Anfang 2003 dazu geführt, dass Kellerräume in Königsbrunn monatelang durch hohes Grundwasser vernässt waren. Die betroffenen Bürger fordern deshalb Abhilfe durch eine Kappung der Grundwasserhöchststände. Dem stehen auf der anderen Seite Befürchtungen des Naturschutzes entgegen, dass eine Absenkung des Grundwassers zu einer Schädigung verschiedener Feuchtbiotope, vor allem in trockenen Zeiten, führen könnte. Eine generelle Absenkung der Grundwasserstände ist aber weder geplant, noch erwünscht und auch nicht zielführend. Es geht vielmehr um die Beseitigung von Abflusshemmnissen im Grundwasserleiter, bzw. um eine Begrenzung der höchsten Grundwasserstände, soweit technisch machbar. Insofern muss eine Entlastung für die betroffenen Bürger nicht automatisch im Gegensatz zu den Zielen des Naturschutzes stehen: In Zeiten hoher Grundwasserstände ist nicht mit einem Austrocknen der Biotope zu rechnen und bei niedrigen Grundwasserständen steht kein Wasser in den Kellern.

Gleichwohl sind wegen dieser möglicherweise konkurrierenden Interessen einfache Lösungen nicht möglich, weshalb unter Beteiligung verschiedener Experten und bei Anwesenheit der betroffenen Parteien an einem Runden Tisch bei der Regierung von Schwaben in zahlreichen Sitzungen ein komplexes Maßnahmenpaket (s. Frage 6) einvernehmlich mit allen beteiligten Stellen vereinbart worden ist. Hierzu wurden die Ergebnisse umfangreicher Untersuchungen auf hohem wissenschaftlichem Niveau ausgewertet.

Es wäre den betroffenen Bürgern nicht mehr vermittelbar, wenn dieses Maßnahmenpaket nun erneut in Frage gestellt würde.

Zu der Problematik hat die Staatsregierung, auf Grund der Eingabe des Herrn Franz Rossmann, zuletzt am 28.11. ausführlich im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen berichtet.

Zu den Fragen im Einzelnen:

Zu 1.: Die Studie der Stadt Augsburg zur Prüfung der FFH-Verträglichkeit der Lochbachabdichtung westlich und nördlich der Lechstaustufe 23 vom 25.06.2004 liegt dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vor.

Zu 1. a):

Die geplanten Abdichtungsarbeiten am Lochbach sind der erste und wichtigste Baustein aus dem Maßnahmenpaket des Runden Tisches. Es handelt sich um Gewässerunterhaltungsmaßnahmen, zu denen die Stadt Augsburg gemäß § 28

Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Art 42 Bayer. Wassergesetz ohnehin verpflichtet ist. Vor Durchführung der vorgesehenen Arbeiten am Lochbach bedarf es keiner FFHVerträglichkeitsprüfung, da die Ausleitungsrechte der Stadt Augsburg aus dem Lech in den Lochbach und die damit verbundenen Unterhaltsverpflichtungen an diesem Gewässer Dritter Ordnung vor In-Kraft-Treten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) vom 21.05.1992 begründet wurden. Soweit ein Recht und die damit verbundenen Verpflichtungen vor In-Kraft-Treten der FFH- Richtlinie bestanden haben, bedarf dieses Recht keiner nachträglichen Verträglichkeitsüberprüfung im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot von Natura-2000-Gebieten, sondern genießt Bestandsschutz. Es geht demnach lediglich um die Beseitigung eines nicht ordungsgemäßen Zustandes, einen Rechtsanspruch auf die Beibehaltung dieses Zustandes kann es dagegen nicht geben.

Im Übrigen stellt die Unterhaltung von Gewässern sowie die Unterhaltung und Instandsetzung wasserbaulicher Anlagen im Umfang der gesetzlichen Verpflichtung in der Regel keine erhebliche Verschlechterung eines Natura-2000-Gebietes dar. Auf die Nr. 10.2 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 4. August 2000 Nr. 62 - 8645.4 - 2000 / 21 Nr. 16 / 2000) wird verwiesen.

Zu 2. a):

Auch wenn das Verschlechterungsverbot der FFH-Richtlinie in diesem Natura-2000-Gebiet bei der vorgesehenen Unterhaltsmaßnahme Lochbachabdichtung nicht entgegensteht, sind gleichwohl die Belange des Naturschutzes vor Durchführung der notwendigen Arbeiten durch die Stadt Augsburg zu prüfen. Wenn nämlich durch diesen Eingriff eine Beeinflussung der abstromigen Feuchtbiotope erfolgt, soll sie ausgeglichen werden. Dies kann nur im Rahmen eines Beweissicherungsprogramms geklärt werden. Deshalb sind eventuelle Auswirkungen der Abdichtungsarbeiten durch ein geeignetes Monitoring, das die Stadt Augsburg zu veranlassen hat, zu dokumentieren und gegebenenfalls durch geeignete Versickerungsmaßnahmen zu beheben.

Zu 2. b):

Entsprechend § 4 der Verordnung über das Naturschutzgebiet Stadtwald Augsburg vom 25. April 1994 sind im Naturschutzgebiet alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Gebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können.

Ausgenommen von diesen Verboten ist gemäß § 5 Nr. 10 c) der Verordnung die Gewässerunterhaltung am Lochbach im Einvernehmen mit der Stadt Augsburg.

Zu 3.: Der Aussage kann nicht zugestimmt werden. Aus den Gutachten zur Grundwassersituation von Königsbrunn geht hervor, dass die ­ unzulässige ­ massive Versickerung von Grundwasser aus dem Lochbach einer der maßgeblichen Gründe für die Abflussverzögerung des aus dem Süden zuströmenden Grundwassers ist. Hierdurch kommt es zum Aufstau. Alle anderen Bausteine aus dem Maßnahmenpaket des Runden Tisches greifen also nur, wenn dieser Einfluss des Lochbachs beseitigt wird. Dann kann das aufgestaute Grundwasser aus Königsbrunn, das zur Zeit die Bausubstanz in Königsbrunn schädigt, in Richtung auf die Quellgebiete abfließen. In Zeiten hoher Grundwasserstände ergibt sich insofern praktisch kein Einfluss auf die Quellgebiete. In Trockenzeiten sind Einflüsse denkbar und müssen daher beobachtet werden. Durch eine gezielte Aussickerung aus dem Lochbach können sie ggf. wieder behoben werden. Während für Königsbrunn damit eine Verbesserung der ungünstigen Situation erreicht werden kann, bleibt der Einfluss auf die Quellgebiete insgesamt gering und behebbar.

Zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit s. Antwort zu Frage 1a und 2a.

Zu 4.: Das für die Berechnungen eingesetzte Grundwassermodell berücksichtigt alle relevanten Daten und gibt die Auswirkungen der untersuchten Maßnahmen auf die Grundwasserverhältnisse bestmöglichst wieder. Sicherheiten können nicht quantifiziert werden. Aus fachlicher Sicht dürfen auch nicht nur rechnerische Grundwasserstände aus dem Grundwassermodell miteinander verglichen werden, sondern es muss das Zusammenspiel aller geplanten Maßnahmen in zusätzlicher Abhängigkeit von den natürlichen jahreszeitlichen Schwankungen des Grundwassers gesehen werden.

Zu 4. a):

Der Schwankungsbereich des Grundwassers liegt in Königsbrunn im bebauten Gebiet bei etwa 1 ­ 1,5 m. Für die mit dem Grundwassermodell berechneten Lastfälle entfallen anteilig auf die Lochbachabdichtung rechnerische Absenkungsbeträge im Durchschnitt zwischen 10 und 20 cm. Diese geringen Absenkungsraten ändern aber entscheidend das Grundwassergefälle, und beschleunigen so den Abfluss des Grundwassers aus Königsbrunn.

Zu 4. b):

Beim Ablassen des Lochbachs wurden ebenfalls 10 - 20 cm Absenkung in den Quellgebieten beobachtet, was mit den Berechnungen übereinstimmt.

Zu 5.: Ziel von Markierungsversuchen ist i. d. R. die Bestimmung von Grundwasserfließrichtungen, Fließwegen und der Grundwasserfließgeschwindigkeit. Diese Fragen stehen hier aber nicht zur Diskussion. Bei der vorliegenden Grundwasserproblematik ist nicht ersichtlich, welche Fragen durch Markierungsversuche überhaupt oder besser hätten gelöst werden können. Darüber hinaus wäre das Einbringen von Markierungsstoffen in das Grund- und Oberflächenwasser des Naturschutzgebietes und des Wasserschutzgebietes kritisch zu prüfen gewesen.

Zu 6.: Die Keller sind unterschiedlich tief gegründet, die Grundwasserflurabstände variieren damit und die Bauweise (abgedichtet/wasserdurchlässig) ist verschieden.

Die Abdichtung des Lochbaches ist ein Baustein aus dem oben erwähnten Maßnahmenpaket (s. Allgemeine Problematik und Antwort zu Frage 3). Als weitere Bausteine sind geplant: die Optimierung der Binnenentwässerung an den Staustufen 21, 22, 23, die Absenkung des Ilsesees, die Optimierung der geplanten Trinkwasserentnahme Fohlenau durch die Stadtwerke Augsburg und Königsbrunn im Hinblick auf eine Entspannung der Grundwasserstände, sowie möglicherweise gezielte Absenkbrunnen in Königsbrunn selbst.

Zu 7.: Nach Auskunft der Stadt Augsburg betragen die Baukosten für die Abdichtung dieses Lochbachabschnittes ca. 175.000.­?.

Zu 8.: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Bauherren sich vor hohen Grundwasserständen zu schützen. Im Übrigen hat das Wasserwirtschaftsamt bei der Beteiligung im Rahmen von Bauleitplänen und Genehmigungsverfahren auf die hohen Grundwasserstände hingewiesen.

In den Bebauungsplänen werden nach unserer Kenntnis je nach örtlicher Grundwassersituation in den von Grundwasserhochständen gefährdeten Gebieten durch die Stadt Königsbrunn zusätzlich die jeweils erforderlichen Vorgaben gemacht.