Sichere Aufbewahrung von Schusswaffen und deren Munition

Ein 14-Jähriger war am 7. März 2005 nach einem Streit mit seinem Lehrer mit einem Revolver in den Klassenraum der Grund- und Hauptschule von Rötz zurückgekommen. Bei einem Handgemenge zwischen dem Jugendlichen und dem Pädagogen löste sich ein Schuss. Der Revolver stammte aus dem Waffenschrank des Vaters, der als Jäger im Besitz des Revolvers und mehrerer Gewehre ist. Immer wieder kommt es zu dramatischen Vorkommnissen mit Schülern in psychischen Ausnahmesituationen in Schulen, bei denen es den Schülern fatalerweise gelungen ist, sich einer Schusswaffe und der erforderlichen Munition zu bemächtigen. Zu erinnern wäre hier z. B. auch an den Amoklauf eines Gymnasiasten in Erfurt am 26.4.02, bei dem 16 Menschen getötet wurden und an die Schüsse eines Berufsschülers in Freising am 19.2.02, bei dem der Schuldirektor getötet und ein Lehrer schwer verletzt wurde.

Der legale Besitz erlaubnispflichtiger Schusswaffen in Bayern wurde im Juli 2002 durch das Innenministerium auf ca. 1,25 bis 1,35 Millionen geschätzt.

Ich frage daher:

1. Welche Anforderungen galten speziell für die Aufbewahrung der in Rötz verwendeten Schusswaffe und welche für die Munition und inwieweit sind diese eingehalten worden?

2. Wie konnte der Schüler trotzdem sich der Waffe und der Munition bemächtigen?

3. Inwiefern sieht die Staatsregierung Nachbesserungsbedarf bei den verbindlichen Regelungen über die sichere Aufbewahrung von Schusswaffen?

4. Wie häufig und aus welchen Gründen wird die Aufbewahrung von Waffen in Privatbesitz kontrolliert, wie viele Verstöße wurden 2003 und 2004 festgestellt und inwiefern sieht die Staatsregierung Nachbesserungsbedarf bei der Überwachung und Kontrolle der sicheren Aufbewahrung von Schusswaffen?

5. Welche Konsequenzen wurden bei Verstößen gegen die sichere Aufbewahrung getroffen, wie häufig wurden Waffenscheine und wie häufig Waffenbesitzkarten 2003 und 2004 aufgrund von Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht wieder entzogen und inwiefern sieht die Staatsregierung Nachbesserungsbedarf bei der Befristung der Waffenscheine und bei der Befristung der Waffenbesitzkarten?

6. Wie viele Personen sind in Bayern im Besitz eines Waffenscheins, wie viele in einer Waffenbesitzkarte, wie viele dieser Berechtigungen kamen 2003 und 2004 hinzu?

7. Wie viele legale Schusswaffen gibt es in Bayern und wie viele illegale Schusswaffen wurden 2003 und 2004 in Bayern sichergestellt?

Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 15.04.

Zu 1.: Der Vater des Jugendlichen, der für die Ereignisse vom 07.03.2005 in Rötz verantwortlich war, war im legalen Besitz von drei erlaubnispflichtigen Langwaffen für die Jagd sowie einer erlaubnispflichtigen Kurzwaffe. In seinem Besitz befand sich darüber hinaus erlaubnispflichtige Munition.

Die Waffen und die Munition wurden in einem im Jahre 1996 selbst gebauten Schrank aufbewahrt, der an der schwächsten Stelle aus 20 mm starkem Fichtenholz besteht.

Der Schrank ist mit einem Zylinderschloss mit zwei Verriegelungen versehen. Er ist im Innenbereich durch ein Brett waagrecht unterteilt. Unterhalb des Brettes wurde die Munition aufbewahrt, oberhalb des Brettes alle Waffen gemeinsam.

Nach den waffenrechtlichen Mindestanforderungen des derzeit geltenden Waffengesetzes hätten die Langwaffen in einem Waffenschrank der Sicherheitsstufe A und die Kurzwaffe in einem Innenbehältnis der Sicherheitsstufe B aufbewahrt werden müssen. Die Munition hätte von den Waffen getrennt aufbewahrt werden müssen.

Zu 2.: Die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition war nicht die unmittelbare Ursache dafür, dass der Sohn die erlaubnispflichtige Kurzwaffe und die dazugehörende Munition an sich nehmen konnte. Ursache hierfür war, dass der Zweitschlüssel für den Waffenschrank in einem ebenfalls selbst gefertigten Kasten aus 4 mm Stahlblech ohne Klassifizierung aufbewahrt wurde, der neben der Aufbewahrung des Zweitschlüssels der Aufbewahrung von Nitrozellulose zum Wiederladen von Patronen diente. Dieser Kasten war ebenfalls mit einem Zylinderschloss versehen. Für diesen Schließzylinder gab es, da im Hause ein weiteres gleichschließendes Schloss vorhanden war, einen weiteren passenden Schlüssel.

Dies fand der Sohn durch Ausprobieren der im Haus verfügbaren Schlüssel heraus, entnahm dem Kasten den Schlüssel für den Waffenschrank und hatte dadurch Zugang zu den Waffen und der Munition.

Zu 3.: Ein Nachbesserungsbedarf bei den gesetzlichen Regelungen über die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition wird derzeit nicht gesehen. Die unter Nr. 2 geschilderte Zugangsmöglichkeit zu Waffen und Munition in Rötz resultiert nicht aus gesetzlich zu geringen Anforderungen an die Aufbewahrungspflichten, sondern aus dem Fehlverhalten eines einzelnen Waffenbesitzers, gegen den deshalb auch ein waffenrechtliches Widerrufsverfahren eingeleitet wurde.

Zu 4.: Nach § 36 Abs. 3 des Waffengesetzes hat der Besitzer von Schusswaffen und Munition der Waffenbehörde die zur sicheren Aufbewahrung getroffenen Maßnahmen auf Verlangen nachzuweisen. Bestehen begründete Zweifel an einer sicheren Aufbewahrung, kann die Behörde vom Besitzer verlangen, dass dieser ihr zur Überprüfung der sicheren Aufbewahrung Zutritt zum Ort der Aufbewahrung gewährt. Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden.

Der Gesetzgeber hat also von einer flächendeckenden Kontrollpflicht der Behörden ohne konkreten Anlass abgesehen und stattdessen ein nicht näher spezifiziertes Kontrollrecht der Behörden festgelegt. Von diesem Recht machen die Behörden in Bayern auch Gebrauch. Zahlenangaben über die Häufigkeit der Kontrollen liegen der Staatsregierung nicht vor. Ebenso wenig ist bekannt, aus welchen Gründen die Waffenbehörden in Bayern ihre Kontrollen vornehmen. Von einer Umfrage bei den 96 Kreisverwaltungsbehörden wurde wegen der für die Antwort nur sehr kurz zur Verfügung stehenden Zeit abgesehen. Aus dennoch durchgeführten Einzelnachfragen ist aber bekannt, dass Überprüfungen zum Teil flächendeckend stattfinden, zum Teil dann vorgenommen werden, wenn ein Waffenbesitzer mit der Behörde in Kontakt tritt oder eine große Anzahl von Waffen vorliegt. In den vorläufigen Vollzugshinweisen des Bundes und Bayerns wurden dazu keine Festlegungen getroffen. Ob in den in Erarbeitung befindlichen endgültigen Vollzugsvorschriften des Bundes Festlegungen getroffen werden, bleibt abzuwarten.

Die bisherigen Erfahrungen nach In-Kraft-Treten des neuen Waffengesetzes lassen keine Defizite bei der Überwachung und Kontrolle der sicheren Aufbewahrung erkennen. In Fällen wie dem vorliegenden mit einer kleinen Anzahl von Waffen, die überwiegend nicht für Straftaten verwendet werden, besteht angesichts der Grundentscheidung des Gesetzgebers gegen eine flächendeckende Kontrollpflicht der Behörden keine zwingende Veranlassung zur Kontrolle. Abgesehen davon entzieht sich ein unsorgfältiger Umgang mit den Schlüsseln für ein Behältnis ­ wie hier ­ weitgehend jeder Einwirkungsmöglichkeit durch die Behörden.

Zu 5.: Bei Verstößen gegen die sichere Aufbewahrung von Waffen wurden und werden die waffenrechtlichen Erlaubnisse wegen waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit des Besitzers widerrufen. Die Waffen und die dazugehörige Munition müssen an Berechtigte abgegeben werden. Angaben über die Zahl der Widerrufsverfahren in den Jahren 2003 und 2004 liegen der Staatsregierung nicht vor. Eine Befristung der Waffenscheine und der Waffenbesitzkarten hat keinen Einfluss auf die Gewährleistung der sicheren Aufbewahrung. Insoweit wird auch kein Nachbesserungsbedarf gesehen.

Zu 6.: Nach einer Erhebung aus dem Jahre 2002 waren in Bayern ca. 370.000 Personen im Besitz erlaubnispflichtiger Schusswaffen. Die Anzahl der Waffenscheine und Waffenbesitzkarten sowie Veränderungen im Bereich der Anzahl der Waffenscheine bzw. der Waffenbesitzkarten sind der Staatsregierung nicht bekannt.

Zu 7.: Nach der in Nr. 6 dargestellten Erhebung aus dem Jahre 2002 ist bekannt, dass es in Bayern ca. 1,3 Mio. legale Schusswaffen gibt. Nach der Datei Waffen/Sprengstoff des Landeskriminalamtes sind für das Jahr 2003 insgesamt 851 sichergestellte Schusswaffen aus illegalem Besitz registriert, im Jahre 2004 insgesamt 622.