Auswahl, Schulung und Unterstützung von Schöffinnen und Schöffen

Ich frage die Staatsregierung:

1. a) Wie werden in den bayerischen Amtsgerichtsbezirken und Landgerichtsbezirken konkret die Kandidatinnen und Kandidaten für die Schöffenämter gesucht und gefunden? Werden von den Kommunen beispielsweise Anzeigen in Tageszeitungen geschaltet oder Verbände angesprochen? Welche weiteren Arten der Schöffenfindung werden eingesetzt?

b) Unterscheidet sich die Vorgehensweise im Bezug auf Jugendschöffinnen und -schöffen?

c) Wie werden Kommunen von der Staatsregierung über geeignete Möglichkeiten zur Findung von Schöffinnen und Schöffen unterrichtet?

2. In wie vielen und welchen Fällen kommt es vor, dass über eine willkürliche Auswahl im Einwohnerregister Personen als Schöffen und Schöffinnen vorgeschlagen werden?

3. a) Welche Unterstützung erhalten Schöffinnen und Schöffen über die Einführungsveranstaltung und die Broschüre hinaus?

b) Welche Anlaufstellen bestehen für Schöffinnen und Schöffen und wie werden diese darüber informiert?

4. a) Werden Schöffinnen und Schöffen auf Fortbildungsveranstaltungen, z. B. von Trägern der Erwachsenenbildung, hingewiesen? Wenn nein, warum nicht?

b) Wird dies in allen Amtsgerichten und Landgerichten gleich gehandhabt? Wenn nein, warum nicht?

5. Wird eine verbesserte Information und Unterrichtung der Schöffinnen und Schöffen und auch der Arbeitgeber über die Aufgaben und über den Umgang mit diesem Ehrenamt von der Bayerischen Staatsregierung als notwendig erachtet? Wenn nein, warum nicht?

6. a) Welchen Stellenwert misst die Bayerische Staatsregierung dem Schöffenwesen in der Gerichtsbarkeit zu?

b) Welchen Stellenwert in der Jugendgerichtsbarkeit?

c) Welchen Stellenwert im Bezug auf andere Ehrenämter und welchen besonderen Förderungsbedarf?

7. a) Warum wird in Bayern der Landesverband der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, im Gegensatz zum Bund und zu den anderen Bundesländern, nicht als gemeinnützig anerkannt?

b) Wie unterstützt die Staatsregierung den Landesverband und damit diese ehrenamtliche Arbeit?

8. a) Welche Unterlagen werden den Schöffinnen und Schöffen von Seiten der Gerichte in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt?

b) Wird dies von allen Gerichten gleich gehandhabt?

c) Warum wird Schöffinnen und Schöffen seitens der Gerichte noch vielfach die Auskunft erteilt, Schöffen hätten keine Akteneinsicht, obwohl den Schöffen zwar kein Einblick in das Ergebnis der Ermittlungen gewährt werden kann, in den Anklagesatz und weitere Unterlagen jedoch sehr wohl?

Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 11.05.

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit den Staatsministerien des Innern, der Finanzen und für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen wie folgt:

Zu 1.: a) Ein allgemeiner Überblick über die Gewinnung von geeigneten Schöffinnen und Schöffen liegt weder der Staatsregierung noch den kommunalen Spitzenverbänden vor. Wie eine telefonische Kurzumfrage bei verschiedenen Gemeinden ergab, werden die Kandidatinnen und Kandidaten häufig durch ein Inserat in der Tageszeitung gesucht, auf die sich Bewerber melden. Bei kleineren Gemeinden erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung über die Amtstafel. Vereinzelt werden für die Gewinnung von Bewerbern z. B. auch die im Stadtrat vertretenen Fraktionen, Verbände der freien Wohlfahrtspflege oder IHK-Gremien angeschrieben mit der Bitte, geeignete Personen zu benennen. Zum Teil werden auch die bisherigen Schöffen von den Kommunen angeschrieben, ob sie einer nochmaligen Berufung zu dem Amt eines Schöffen zustimmen. Das Ansprechen von als geeignet angesehenen oder bereits auf Gemeindeebene engagierten Personen wurde bzw. wird in kleineren Gemeinden praktiziert, wenn nicht genügend Bewerber für das Amt der Schöffin/des Schöffen zur Verfügung standen bzw. stehen.

b) Bei Jugendschöffinnen und -schöffen gelten keine anderen Kriterien.

c) In § 9 Abs. 3 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz und des Innern vom 6. Dezember 1991 (Schöffenbekanntmachung) wird empfohlen, auf die Möglichkeit einer Tätigkeit als Schöffe in der Tagespresse und in sonstigen Medien hinzuweisen. Dies gilt gemäß § 5 Abs. 3 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz und des Innern vom 6. Dezember 1991 (Jugendschöffenbekanntmachung) auch für die Jugendschöffen.

Weitergehende Hinweise sind nicht erforderlich, da die Gemeinden aufgrund ihrer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und ihrer jahrelangen Erfahrung die geeigneten Möglichkeiten zur Schöffenfindung am besten selbstständig bestimmen können.

Zu 2.: Ein allgemeiner Überblick liegt auch hier nicht vor; von den befragten Gemeinden wurde jedoch eine willkürliche Auswahl im Einwohnerregister einhellig abgelehnt, da dies auf Unverständnis seitens der ausgewählten Personen, aber auch seitens an dem Amt interessierter Personen stoßen würde. Im Übrigen wolle man nur für das Amt motivierte Personen vorschlagen. Auch sei die Gefahr groß, dass bei einer willkürlichen Auswahl die Quote derjenigen, die das Amt ausschlagen, höher wäre.

Zu 3. und 5.:

Gemäß § 26 Abs. 3 der Schöffenbekanntmachung, die nach § 17 der Jugendschöffenbekanntmachung auch für die Jugendschöffen gilt, wird jedem Haupt- und Hilfsschöffen mit der erstmaligen Benachrichtigung in der Amtsperiode ein Vordruck Merkblatt für Schöffen übermittelt, der als Hilfe dienen soll, die Aufgaben ihres Amtes den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend wahrzunehmen.

Darüber hinaus erhalten sämtliche Schöffen eine Informationsbroschüre des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Das Schöffenamt in Bayern, die das Merkblatt für Schöffen und Informationen zu sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen ehrenamtlicher Richtertätigkeit enthält, aber auch umfangreich die Tätigkeit des Schöffen sowie seine Stellung im Strafverfahren darstellt.

Daneben steht jedem Schöffen als verlässlicher Ansprechpartner der Vorsitzende des Schöffengerichts beim Amtsgericht oder der Vorsitzende der Strafkammer beim Landgericht zur Verfügung. Gemäß Nr. 126 Abs. 2 sollen die Berufsrichter dazu beitragen, dass die Schöffen die ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben erfüllen können. Die Verhandlung ist so zu führen, dass die Schöffen ihr folgen können; Förmlichkeiten und Fachausdrücke, die ihnen nicht verständlich sind, sind zu erläutern. Sowohl bei generellen Fragen zur Schöffentätigkeit als auch zu Fragen, die ein bei dem Spruchkörper anhängiges Verfahren betreffen, kann der Berufsrichter kompetent und umfassend Auskunft geben.

Im Bereich der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit haben ehrenamtliche Richter aus Kreisen der Arbeitgeber zudem die Möglichkeit, an speziellen Fortbildungstagungen teilzunehmen, die ihre Verbände für sie veranstalten.

Eine eigene Ausbildung der ehrenamtlichen Richter erscheint nicht erforderlich: Diese sollen z. B. ihre Sachkunde, ihre Kenntnisse vom Arbeitsleben und ihre Lebenserfahrung in das Gerichtsverfahren einbringen; diese Kenntnisse können nicht durch Schulungen vermittelt werden. Rechtskunde wird von ihnen nicht erwartet; dafür ist der Berufsrichter zuständig.

Zu 4.: Über die Einführungsveranstaltungen hinaus sieht das Staatsministerium der Justiz eigene Fortbildungsveranstaltungen für Schöffinnen und Schöffen nicht vor, da dies mit dem Gedanken des Laienelementes im Strafprozess nicht vereinbar wäre und im Übrigen ein fundiertes Wissen in der notwendig kurzen Zeit nicht erreicht werden könnte. Ob und welche Träger der Erwachsenenbildung Fortbildungsveranstaltungen für Schöffen anbieten, ist dem Staatsministerium der Justiz im Einzelnen nicht bekannt. Dies dürfte auch regional unterschiedlich sein. Eine landeseinheitliche Handhabung empfiehlt sich daher nicht.

Zu 6.: Die Beteiligung der Schöffen in der Strafrechtspflege ist von erheblicher Bedeutung. Eine gewichtige Funktion der Mitwirkung von Schöffen ist u. a. darin zu sehen, dass dadurch der Beratungshorizont und die Beratungsintensität erweitert werden. Die Berufsrichter werden veranlasst, ihr fachjuristisches Denken einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen und sich mit den Wertungen auseinanderzusetzen, die der Schöffe aus seinem beruflichen und sozialen Umfeld einbringt. Dieser Aspekt ist insbesondere auch in der Jugendgerichtsbarkeit von Bedeutung. Ferner kann die Beteiligung von Schöffen zur Transparenz der Entscheidungen der Strafgerichte in der Öffentlichkeit beitragen. Aufgrund des spezifischen Tätigkeitsfeldes erscheint ein Vergleich mit anderen Ehrenämtern nicht möglich.

Zu 7.: Aufgrund des in § 30 der Abgabenordnung normierten und gemäß § 355 für Amtsträger strafbewehrten Steuergeheimnisses darf die Finanzverwaltung keine näheren Auskünfte zu den steuerlichen Verhältnissen des Vereins Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, Landesverband Bayern e.V. erteilen. Vom Steuergeheimnis wird auch die Feststellung geschützt, ob die betreffende Einrichtung als gemeinnützig anerkannt ist.

Allgemein kann zur Frage der Gemeinnützigkeit eines Vereins jedoch Folgendes angemerkt werden:

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eines Vereins richtet sich grundsätzlich nach der Satzung, dem Satzungszweck und dessen Verwirklichung (tatsächliche Geschäftsführung). Werden z. B. Maßnahmen der Erwachsenenbildung (Vorträge, Seminare) für die Förderung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung und die Fort- und Weiterbildung von Schöffinnen und Schöffen durchgeführt, kann eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit hinsichtlich der Förderung der Bildung in Betracht kommen. Der Verein muss selbstlos tätig sein; er darf nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke ver folgen oder Einzelinteressen der Mitglieder fördern.

Die Überprüfung der Satzung im Detail erfolgt durch das zuständige Finanzamt, wo die Anerkennung der Gemeinnützigkeit formlos beantragt werden muss. Dabei ist neben der aktuellen Satzung und dem Gründungsprotokoll auch der Vereinsregisterauszug einzureichen.

Eine finanzielle Unterstützung der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, Landesverband Bayern e.V. durch das Staatsministerium der Justiz erfolgt nicht.

Zu 8.: Eine regelmäßige Aushändigung der kompletten Anklageschrift vor der Hauptverhandlung, die insbesondere das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen enthält, wäre mit dem in § 261 niedergelegten Prinzip, dass das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet, nicht zu vereinbaren. Insbesondere in schwierigen Verfahren, die regelmäßig ein ausführliches wesentliches Ergebnis der Ermittlung enthalten, das aus Sicht der Staatsanwaltschaft geschrieben ist und deren Beweiswürdigung enthält, wäre eine unbefangene Würdigung der Anklageschrift durch den Laienrichter nicht mehr gewährleistet.

Gemäß Nr. 126 Abs. 3 der im Wesentlichen bundeseinheitlichen darf die Anklageschrift in Strafverfahren den Schöffen deshalb nicht zugänglich gemacht werden. Ihnen kann jedoch ­ je nach den Umständen des Einzelfalls und namentlich in Verfahren mit einem umfangreichen und schwierigen Sachverhalt ­ für die Dauer der Verhandlung eine Abschrift des Anklagesatzes nach dessen Verlesung überlassen werden.