Das Büchergeld stellt eine zusätzliche finanzielle Belastung der Eltern schulpflichtiger Kinder

Diese Ablehnung hat mehrere Gründe, die ich kurz ansprechen möchte: Die Einführung des Büchergeldes ist nichts anderes als ein schrittweiser Wegfall der Lernmittelfreiheit. Sie ist nichts anderes als ein Einstieg in die Beseitigung der Lernmittelfreiheit. Mehr trauen Sie sich im Moment nicht. Jetzt muss der Einstieg durchgesetzt werden. In den nächsten Jahren wird es in dieser Richtung ­ die eine falsche ist ­ weitergehen.

Das Büchergeld stellt eine zusätzliche finanzielle Belastung der Eltern schulpflichtiger Kinder dar.

Das ist in diesem Land ein verheerendes Signal, in dem wir ohnehin zu wenige Kinder haben und wir alles tun müssen, damit mehr wieder JA zu Kindern sagen. Da darf man so etwas nicht machen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch eine bürokratische Regelung, die an unseren Schulen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bringen wird, der finanziell im Staatshaushalt faktisch nichts erbringen und keine Auswirkungen haben wird. Auch das Büchergeld ist ein gebrochenes Wahlversprechen.

Dieses Schuljahr steht unter einem schlechten Stern. Die Stimmung an unseren Schulen ist schlecht. Die Eltern, Lehrer, Schülerinnen und Schüler spüren, dass Lehrer fehlen, dass Stunden, die zur Intensivierung gedacht waren, nicht stattfinden können, dass Unterricht ausfällt, dass Bayern für seine Schulen zu wenig tut. Das müssen wir dringend ändern. Deswegen wäre es wenigstens heute ein gutes Zeichen, wenn Sie am Nachmittag unserem Dringlichkeitsantrag zustimmen und deutlich machen würden, dass es bei der Lernmittelfreiheit, für die wir in diesem Land auch schon mit Volksbegehren ­ und immer gegen Sie ­ gekämpft haben, bleibt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD) Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Ich darf nun für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Bause das Wort geben. Auch Sie haben zehn Minuten beantragt. Bitte schön, Frau Kollegin.

Margarete Bause (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen! Bayern ist das Land mit der größten Ungerechtigkeit bei den Bildungschancen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist leider kein Grund zu klatschen. Diese Feststellung ist in vielen internationalen Studien belegt worden. In keinem anderen Land ist der Zugang zur Bildung so stark von der sozialen Herkunft der Kinder abhängig wie in Bayern.

(Zuruf von der CSU)

Die Politik muss alles tun, diesen bildungspolitischen Skandal zu beseitigen. Stattdessen vergrößern und verschärfen Sie die Chancenungerechtigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) Sie erinnern sich an den letzten Landessozialbericht, der 1998 herauskam und den Sie nicht fortschreiben wollen.

Sogar der letzte Landessozialbericht hat die schwierige soziale Lage belegt und deutlich gemacht, dass in Bayern Bildungsarmut herrscht. Ich habe im Landessozialbericht

­ wohlgemerkt, ein Bericht aus dem Sozialministerium ­ unter dem Kapitel gleiche Bildungschancen für alle nachgelesen. Hier heißt es: Lernmittelfreiheit, Schulwegkostenfreiheit und Schulgeldfreiheit schaffen in Bayern die Voraussetzungen dafür, dass der Zugang zur Bildung vom Einkommen und von der sozialen Herkunft unabhängig ist. Sie haben das 1998 geschrieben. Nun wissen wir, dass diese Maßnahmen ­ Lernmittelfreiheit, Schulwegkostenfreiheit und Schulgeldfreiheit ­ zwar eine notwendige Voraussetzung für mehr Chancengerechtigkeit, aber keine hinreichende Bedingung dafür sind, sonst hätten wir in Bayern nicht die heutige Situation. Aber wenn Sie jetzt sogar anfangen, in Bayern an der notwendigen Grundlage für Chancengerechtigkeit zu kratzen und auch noch die Lernmittelfreiheit kappen, werden wir hier die Situation noch verschlechtern und werden noch weniger Kinder die Chance auf die bestmögliche Bildung haben. Das werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) Ministerpräsident Stoiber wollte noch vor einer Woche den schnellen Tod der Lernmittelfreiheit. Nachdem nun doch unverhofft viele dem Opfer, das Stoiber auserkoren hatte, beigesprungen sind und ihren Widerstand deutlich gemacht haben, hat man sich bei der CSU auf eine andere Methode verständigt, die Lernmittelfreiheit um die Ecke zu bringen. Jetzt will man nicht mehr den schnellen Todesstoß, sondern man hat sich auf das langsame Ausbluten verständigt. Aber das ist keine wirkliche Verbesserung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) Sie sagen dauernd, schaut doch in andere Bundesländer, auch dort gibt es ein Büchergeld. Da muss ich mich schon sehr wundern. Sonst ist der Ministerpräsident der erste, der sagt, wie toll Bayern sei und wie viel besser Bayern in allen Bereichen sei. Das ist ja sein größter Ehrgeiz. Aber wenn es um Bayerns Kinder geht, ist von diesem Ehrgeiz überhaupt nichts mehr zu spüren. Dann bleibt von diesem Ehrgeiz nur schäbiger Geiz übrig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Von einer Kultusministerin müsste man eigentlich erwarten, dass sie für gleiche Bildungschancen für alle Kinder kämpft, dass sie sich dafür einsetzt und öffentlich sagt, so geht es nicht, wir werden andere Wege gehen, unser größtes Ziel ist die Beseitigung und Überwindung der Landtag · 15. Wahlperiode1582 Plenarprotokoll 15/24 v. 30.09. gerechtigkeit bei den Bildungschancen in Bayern. Nichts haben wir in der letzten Woche von der Kultusministerin gehört. Sie hat dem Ministerpräsidenten ganz brav assistiert. Sie ist ihm beigesprungen und hat mit ihm zusammen die beste Methode versucht, um die Lernmittelfreiheit tatsächlich unter die Erde zu bringen. Hier zeigt sich natürlich wieder einmal, dass eine Kultusministerin, deren Wohl und Wehe vom Ministerpräsidenten abhängt und die für jeden Tag dankbar sein darf, den sie der Ministerpräsident im Amt lässt, nicht einen Pfennig wert ist. Sie ist für die Bildung in Bayern eine Schande.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, auch Sie haben sich mit dem, was Sie in den letzten Tagen von sich gegeben haben, wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.

(Zurufe von der CSU)

Die Zweidrittelmehrheit ist Ihnen offensichtlich so zu Kopf gestiegen, dass darin etwas anderes keinen Platz mehr findet.

(Zuruf von der CSU) Herr Herrmann hat noch vor zwei Tagen ungewöhnlich kleinlaut zugeben müssen, dass er aufgrund der Realität klüger geworden sei. Das finde ich bemerkenswert; denn das heißt zum einen, dass Sie offenbar jeglichen Bezug zur Realität verloren haben und zum anderen, dass es mit Ihrer geistigen Kompetenz nicht so weit her sein kann.

(Zurufe von der CSU ­ Heiterkeit des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE)) Herr Sibler, beruhigen Sie sich wieder. ­Selbst dieses ungewöhnliche Eingeständnis ist noch geschönt.

Herr Herrmann, Kollegen von der CSU, es ist nicht die Realität, die Ihre Meinungsänderung erzwungen hat. Vielmehr hat der Druck dazu geführt, dass Sie jetzt kleinlaut zurückgerudert sind.

Was die Frage betrifft, ob Sie nun tatsächlich klüger wurden, besagen die Ergebnisse der modernen Hirnforschung, dass Lernen unter Druck nicht zu einem langfristigen Lernerfolg führt.

(Beifall bei den GRÜNEN ­ Heiterkeit des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE)) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir konnten es uns kurz nach Kriegsende leisten, in Bayern die Lernmittelfreiheit zu garantieren. Angesichts dessen kann ich nicht einsehen, dass wir im 21. Jahrhundert dahinter zurückfallen.

Ich fordere Sie auf, sich mit uns dafür einzusetzen, dass in Bayern jedes Kind die besten Bildungschancen hat. Das ist die richtige Investition in die Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Ich darf für die CSU-Fraktion Herr Kollegen Schneider das Wort erteilen.

Er hat ebenfalls zehn Minuten beantragt. Bitte schön, Herr Kollege.

Siegfried Schneider (CSU): Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bause, zunächst zu Ihnen. Sie müssen schon auch feststellen, dass in keinem Land soviel Geld für Bildung ausgegeben wird wie in Bayern.

(Beifall bei der CSU ­ Zuruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

In keinem Land erhalten die Schülerinnen und Schüler eine bessere Bildung als in Bayern.

(Beifall bei der CSU ­ Dr. Sepp Dürr (GRÜNE):

Das glauben Sie selbst nicht!) Schauen Sie die Pisa- und die Iglu-Ergebnisse an und vergleichen Sie sie mit den Ergebnissen in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tragen.

(Beifall bei der CSU ­ Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

In keinem anderen Land gibt es so wenig Jugendarbeitslosigkeit und haben die jungen Menschen so viele Lebenschancen wie in Bayern. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Sie sollten endlich bei der Wahrheit bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Versorgung mit Schulbüchern ist derzeit nicht optimal. Wir haben die Klagen von Eltern und Lehrkräften nicht nur in Bayern, sondern in allen Ländern Deutschlands. Angesichts der finanzpolitischen Herausforderungen kann es eine Verbesserung der Situation nicht allein mit den Mitteln des Staates und der Kommunen geben, und das auch nicht nur in Bayern. Aus unserer Sicht ist es notwendig, eine gemeinschaftliche Anstrengung von Staat, Kommunen und Eltern zu unternehmen. In allen Diskussionen, die wir bisher geführt haben, gab es immer zwei Alternativen. Die eine Alternative war der Selbstkauf der Bücher durch die Eltern, und der andere Weg war das Büchergeld. Darüber haben wir hier bereits mehrfach diskutiert, und ich sage es offen: Es gibt Argumente für den einen und für den anderen Weg, und das auch nicht nur in Bayern. Schauen Sie dorthin, wo Sie Verantwortung tragen. Die SPD in Rheinland-Pfalz hat die Lernmittelfreiheit abgeschafft.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Stimmt nicht, Herr Schneider!)

Die Bücher müssen von den Eltern gekauft werden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber die SPD hat es nicht abgeschafft! Die war schon abgeschafft! Erkundigen Sie sich halt!)

Die Bücher müssen von den Eltern selbst gekauft werden in Rheinland-Pfalz, wo Sie die Verantwortung tragen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ja, natürlich, weil die CDU das so eingeführt hat!) Einverstanden? ­ (Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber die CDU hat es abgeschafft!)

In Rheinland-Pfalz unter der Verantwortung der SPD müssen die Eltern die Bücher alle selbst kaufen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber die SPD hat es nicht abgeschafft! ­ Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ist das ein Modell für Bayern oder was?)

In Nordrhein-Westfalen ­ Herr Dürr, da sind auch Ihre Kolleginnen und Kollegen mit dabei ­ müssen die Eltern eine Art Büchergeld zahlen. Auch das gehört zur Wahrheit.

Herr Kollege Maget -(Franz Maget (SPD): Ich bin schon da!)

­ Ich habe Sie nur gesucht, ich wäre enttäuscht gewesen, wenn Sie geredet hätten und dann verschwunden wären.

Herr Kollege Maget, wenn Sie von einem Skandal in Bayern sprechen, müssen Sie, denke ich, Ihre Skandalfanfare auch nach Nordrhein-Westfalen richten und Ihren Freund oder Genossen Steinbrück das Gleiche ins Stammbuch schreiben, wie Sie es hier im Bayerischen Landtag tun.

(Beifall bei der CSU) das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

Die CSU-Fraktion, so ist es richtig, hat sich in einem Tendenzbeschluss für den ersten Weg entschieden.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN ­ Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist gut!)

­ Hören Sie ein bisschen zu.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir hören zu, darum lachen wir ja!) Sie können nachher noch sprechen, Sie haben noch ein paar Minuten.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Dann können wir später lachen!) Also, die Fraktion hat sich in einem Tendenzbeschluss in Banz für den Weg entschieden, den auch Rheinland-Pfalz gewählt hat.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Tendenz Abschaffung der Lernmittelfreiheit!) Letztendlich hat die Reaktion gezeigt, dass eine Akzeptanz bei den Betroffenen, vor allem bei den Eltern, für diesen Weg nicht besteht. Die Konsequenz daraus ist, wenn wir Eltern bei der Beteiligung mitnehmen wollen, wenn sie etwas finanzieren sollen, dann soll das möglichst im Konsens mit den Eltern geschehen. Deshalb soll jetzt der Weg des Büchergelds beschritten werden. In Übereinstimmung mit den Elternverbänden soll ein Weg gefunden werden, um die gemeinsame Verantwortung von Staat, Kommunen und Elternhaus zu stärken.

Sie haben sicher der Presse entnommen, dass die Elternverbände zwar nicht jubeln ­ das ist selbstverständlich ­, aber dass sie einverstanden sind, 20 Euro für die Grundschulkinder und 40 Euro für Schüler und Schülerinnen ab der 5. Jahrgangsstufe zu zahlen.

(Franz Maget (SPD): Diesen Konsens gab es doch schon früher!)

Es ist ganz entscheidend, dass damit auch die Mitspracherechte der Eltern gestärkt werden. Das werden wir gemeinsam mit Lehrerverbänden und den Elternverbänden noch regeln.

Ganz entscheidend ist, dass wir in dem Beschluss auch eine soziale Komponente haben, nämlich dass für einkommensschwache und für kinderreiche Familien weiterhin eine staatliche Finanzierung erhalten bleibt.

(Marianne Schieder (SPD): Wie sieht die denn aus?) Angedacht sind 4 Euro, wie es auch in der Presse steht.

Wir wollen, dass auch die Kommunen bei ihrer Verantwortung bleiben.

(Franz Maget (SPD): Was machen Sie, wenn einer nicht zahlt?)

Das Ziel, Herr Kollege Maget, ist, dass wir eine Aktualisierung und Verbesserung des Buchbestandes bekommen.

Die Detailfragen werden wir intensiv diskutieren müssen.

Das würde auch für Ihren Vorschlag Herr Maget, eine Kaution zu erheben, gelten, also für den bürokratischen Aufwand. Und was ist, wenn jemand nicht zahlt? Diese Probleme hätten Sie mit Ihrem Vorschlag genauso. Sie müssten das auch noch im Detail direkt mit den vor Ort Verantwortlichen diskutieren. Da sind wir auf derselben Stufe, Herr Maget.

Wichtig ist für uns, dass die einzelne Schule dieses Geld bekommt, sowohl das Geld der Eltern als auch das Geld des Staates und der Kommunen. Damit hat die Schule endlich einen eigenen Budgetbereich, mit dem sie eigenverantwortlich umgehen kann, den sie auch über ein Haushaltsjahr hinausnehmen kann, um selbstverantwortlich gemeinsam mit den Eltern zu entscheiden, was an der einzelnen Schule notwendig ist.