Thomas Mütze GRÜNE Frau Präsidentin liebe Kolleginnen und

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Jürgen Dupper, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. u. Frakt. (SPD) Nachtragshaushalt 2007 (Drs. 15/8554)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Kollege Mütze.

Thomas Mütze (GRÜNE): Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Schweigen des Redners für einige Sekunden ­ Unruhe) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich fragen:

Was soll das?

(Simone Tolle (GRÜNE): Er hat Theologie studiert!)

­ Genau! Aber das war jetzt kein Moment der inneren Einkehr, sondern das war einfach der Moment, der Ihnen zeigen soll, was in Bayern passiert: Stillstand!

(Beifall bei den GRÜNEN ­ Zuruf von der CSU: Schlechter Gag!) Stillstand passiert in Bayern, das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Dann hätte man sich nicht bewegen dürfen! ­ Weitere Zurufe von der CSU)

­ Nun ja, ich habe nichts gesagt und denke, das reicht, um Ihnen klarzumachen, was passiert, nämlich nichts. Ich hätte auch andersrum anfangen können und viel reden können und viel Wind um nichts machen können, so wie Sie das in den letzten Wochen getan haben. Dann wäre es auch gut gewesen.

(Zurufe von der CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rahmendaten sind Ihnen genauso gut wie uns bekannt: erhöhte Steuermehreinnahmen in diesem Jahr in Höhe von 1,34 Milliarden Euro und im nächsten Jahr noch einmal fast 2 Milliarden Euro. Es wäre genügend Geld vorhanden, um die Fehler, die Sie in den letzten Jahren produziert haben, zu korrigieren. Ich nenne die Fehler: das Nichtinvestieren, das Aufhäufen eines Investitionsstaus in Milliardenhöhe, die fehlenden Lehrerinnen und Lehrer in allen Schularten, die Zerstörung oder Behinderung der sozialen Infrastruktur in Bayern.

Doch was passiert? Bis jetzt außer Ankündigungen Ihrerseits nichts!

Nehmen Sie sich doch bitte einmal ein Beispiel an den Kolleginnen und Kollegen der Landtage in Nordrhein Westfalen oder Niedersachsen. Beide Landtage haben im letzten Monat einen Nachtragshaushalt verabschiedet, mit dem sie auf die erhöhten Steuereinnahmen reagiert haben.

Beide haben gezeigt, dass sie fähig, in der Lage und willens sind, diese Steuermehreinnahmen sinnvoll zu verwenden. Wo bleibt die Landtagsfraktion der CSU? Wann fordert sie Geld ein für Investitionen, für Schulen? Es wäre Ihre Aufgabe in den letzten Wochen gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihrer Staatsregierung, dem Herrn Minister zu sagen: Die Aufgaben sind klar, Herr Finanzminister. Auf gehts! ­ Wir wissen ja, wo die Baustellen sind. Nichts ist zu hören. Die wahre Stärke der CSULandtagsfraktion wird hier offensichtlich: Sie ist nicht vorhanden. Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen Sie und warten, was der neue Ministerpräsident endlich sagen wird, wenn er dann im Oktober da ist. Dann muss der neue Ministerpräsident sich einarbeiten und abklären, wo die Schwerpunkte zu setzen sind. Das muss alles abgestimmt werden, und irgendwann im ersten Vierteljahr des nächsten Jahres kommt dann der Nachtragshaushalt 2008.

Was passiert in der Zwischenzeit? Es läuft alles so weiter wie bisher. Nichts. Stillstand. Wenn der Kollege Pschierer jetzt da wäre. Er kann das Wort nicht mehr hören, ich muss aber die Wahrheit schon sagen: So läuft es im Moment in Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen, während die Probleme offensichtlich sind. Wir haben es eben gehört. Auch dem Minister ist es klar.

Wir sagen Ihnen mit unserem Antrag, wo wir die Schwerpunkte für Investitionen sehen, und zwar jetzt, nicht erst irgendwann nächstes Jahr. Es ist nämlich nicht so, lieber Herr Finanzminister, dass Bayern mit diesem Haushalt für 2007 bestens aufgestellt ist, wie Sie laut einer gesagt haben. In diesem Haushalt finden Sie keine höheren Ausgaben, zum Beispiel für den Klimaschutz. Sie finden keine Mehrausgaben für zusätzliche Lehrkräfte. Sie finden keine erhöhten Investitionen für die Hochschulen. Sie werden auch keinen Euro mehr für die Kinderbetreuung finden. Schauen Sie bitte nach. Es ist eben nicht damit getan, einige wenige Haushaltssperren aufzulösen, Herr Minister, und darauf zu hoffen, dass damit die Probleme gelöst sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Zukunftsprogramm Bayern 2020 ­ das haben Sie heute in einer Pressemitteilung veröffentlicht ­ hilft uns jetzt auch nichts. Das sind Versprechungen für die nächsten vier Jahre. Das ist jetzt nichts mehr als heiße Luft. Sie weisen selber darauf hin, dass man das im Haushalt noch abbilden müsse. Wann das geschieht?

Wir wissen, normalerweise geschieht das irgendwann im nächsten Jahr. Wir wollen es aber in diesem Jahr hören.

Wir wollen es in diesem Jahr schon umsetzen und dieses Jahr tätig werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aus diesem Grund fordern wir Sie auf, einen Nachtragshaushalt schon in diesem Jahr aufzustellen. Sie werden sagen, das haben wir noch nie gemacht. Dann wird es aber Zeit.

(Manfred Ach (CSU): Wenn es sein muss, machen wir das!)

Ich kann mich erinnern, 2001 wurden sogar zwei Nachtragshaushalte in einem Jahr beraten: einmal wegen BSE und dann wegen des 11. September. Es ist also sehr wohl möglich. Und lieber Kollege Ach, es muss sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Sondersitzung für die Neuwahl des Ministerpräsidenten ist doch auch möglich. Dann sollte ein Nachtragshaushalt für die Entwicklung Bayerns in der Sommerpause ebenfalls möglich sein. Bayern kann eben nicht mehr warten, bis Sie endlich so weit sind, bis Sie endlich Ihren Ministerpräsidenten gewählt haben, damit der dann endlich entscheiden kann, wo es langgeht.

Wir sagen Ihnen, was jetzt getan werden muss. Zuerst muss der Stillstand beendet werden. Und das wollen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag tun. Folgende Schwerpunkte setzen wir dabei: Zunächst muss in den Klimaschutz investiert werden. Wir können keine Zeit mehr vergeuden, wenn wir wissen, dass uns nur noch 13 Jahre bleiben, um die Erwärmung des Weltklimas um zwei Grad zu senken und eine Reduktion des CO2 um 40 % zu erreichen. Dafür brauchen wir jetzt Investitionen in die energetische Gebäudesanierung, staatlich wie kommunal.

Wir brauchen ein ganzes Maßnahmenpaket von Forschungsprogrammen zum Energiepflanzenanbau, über den Ausbau der Geothermie bis hin zur Stärkung des ÖPNV. Das bringt eine sofortige Reduktion von CO, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN) Nächste Thema: Kinder. Dass das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ­ ­ große Fehlentwicklungen bei den Kinderbetreuungseinrichtungen produziert hat, ist inzwischen auch Ministerin Stewens klar geworden. Hier hilft nur ein Befreiungsschlag. Aus diesem Grunde wollen wir den Zuschuss für das Betreuungspersonal dort massiv erhöhen, um den Anstellungsschlüssel anzuheben. Damit garantieren wir eine bessere Betreuung für Kinder. Eine Vor- und Nachbereitung wird wieder möglich, und die Integration von behinderten Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund kann besser gelingen als bisher. Dazu kommt der Ausbau der Krippeninfrastruktur. Frau von der Leyen, eine Parteikollegin von Ihnen, hat das auf Bundesebene ausgehandelt. Bisher finden wir dazu nichts im Staatshaushalt.

(Beifall bei den GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen Investitionen für und in den Schulen. Ankündigungen Ihrerseits gab es genug. Der Minister hat gesagt, Ganztagsschulen müssen ausgebaut werden. Der Ausschussvorsitzende hat gesagt, dass der Stundenausfall beendet werden muss, dass die großen Klassen verkleinert werden müssen. Nur wann, frage ich Sie. Wenn Sie das erst im nächsten Jahr beschließen, dann passiert wieder nichts in diesem Jahr, sondern erst im Schuljahr 2008/2009.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort, die Schülerinnen und Schüler wollen nicht mehr so lange warten. Sie brauchen jetzt mehr Stunden, jetzt mehr Lehrkräfte in ihren Schulen und jetzt keinen Stundenausfall mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der verbalen Aufwertung der Hauptschule müssen jetzt Taten folgen. Sie braucht mehr Stellen für individuelle Förderung, für eine echte Ganztagsoffensive und für die Senkung der Zahl derjenigen, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen. Mehr Lehrerinnen und Lehrer benötigen alle Schularten, nicht nur die Gymnasien, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch dafür wollen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag sorgen.

Zu guter Letzt müssen wir endlich die Schulden bekämpfen, die Sie so gerne übersehen, nämlich die versteckte Verschuldung. Das sind die Ausgaben, die Sie in den letzten vier Jahren nicht getätigt haben: die fehlenden Ausgaben für den Unterhalt von Infrastruktur und Gebäudebestand; der kommt uns nämlich teurer, als wenn Sie schon beizeiten genug Geld dafür ausgegeben hätten.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das sind Folgeschäden!)

Bei den Gebäuden fehlen laut ORH jedes Jahr 100 Millionen Euro, im Straßenbau 15 Millionen Euro, ohne den Investitionsstau überhaupt aufzulösen. Was hat Minister Goppel berichtet? 5 Milliarden Euro brauchen alleine die Hochschulen. Da muss man sich schon fragen: Was haben Sie eigentlich in den letzten zehn Jahren für die Hochschulen gemacht?

(Beifall bei den GRÜNEN) 5 Milliarden Euro kommen nicht irgendwoher. Wir wollen den Nachtragshaushalt für dringende Investitionen schon in diesem Jahr nutzen. Die Studentenschaft würde sich sicher darüber freuen.

Was ist übrigens mit der Pensionsrücklage, Herr Minister?

Ich spreche sie jedes Mal an, aber Sie äußern sich nicht dazu. Vielleicht diesmal. Nordrhein-Westfalen hat jetzt 680 Millionen Euro für die Versorgungsrücklage in seinen Nachtragshaushalt eingestellt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Auf Pump!)

­ Nein, mit erhöhten Steuereinnahmen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Mehr Kreditaufnahme haben sie!)

In Baden-Württemberg sollen es 500 Millionen Euro für die Versorgungsrücklage sein. Davon hat man in Bayern noch nichts gehört. Ich bin gespannt, vielleicht sagen Sie ja heute noch etwas dazu.

Vorschlag nutzt die Mehreinnahmen, die uns zufließen.

Er ist durchgerechnet, er nimmt keine neuen Schulden in Kauf. Unser Vorschlag beendet den Stillstand, in dem sich Bayern befindet. Er greift die größten Baustellen in seiner

Bayern auf und steigt in Lösungen ein. Er lässt uns sogar noch Raum ­ darauf lege ich Wert ­, um Schulden abzubauen. Auch das wäre mit unserem Vorschlag möglich.

Dies würde uns in der Zukunft in Bayern noch größere Spielräume für Investitionen schaffen.

Ich habe die Vermutung, dass die Kolleginnen und Kollegen von der CSU den Vorschlag in Bausch und Bogen verdammen werden. Sie werden sagen, wir machen das erst in 2008. Wir können vermuten, warum das so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. 2008 ist die Landtagswahl. Wir können vermuten, dass, wenn wir jetzt investieren, die lieben Bürgerinnen und Bürger das dann schon wieder vergessen haben, was in 2007 an Geldern ausgegeben wurde. Darum verschiebt man das gerne auf 2008.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): So ist es!)

Wir kennen das schon. Wahltage sind Tage der CSU. (Dr. Thomas Beyer (SPD): Zahltage der CSU!)

­ Zahltage der CSU. Vielen Dank, lieber Kollege Beyer.

(Beifall bei den GRÜNEN ­ Manfred Ach (CSU):

Das ist gut so! ­ Thomas Kreuzer (CSU): Das soll auch so bleiben in Bayern!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen dann investieren, wenn es für Bayern nötig ist, und nicht, wenn es die CSU für nötig hält.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN) Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dupper.

Jürgen Dupper (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kein Zweifel, die prognostizierten Steuermehreinnahmen verleihen Flügel, vor allen Dingen den Roten Bullen. (Heiterkeit)

Vor dem Hintergrund völlig undifferenzierter Kürzungsbeschlüsse in der Vergangenheit ist der Wunsch nach neuen Weichenstellungen in der Finanzpolitik nur allzu verständlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, nur bin ich mir nicht sicher, ob Ihr Antrag zielführend ist; (Zuruf von der SPD: Das ist wohl wahr!) denn hier werden Mittelansätze zu global gefordert. Zu diffus erscheint mir auch der unabdingbar notwendige Zeitplan für solch ein ehrgeiziges Vorhaben. Gänzlich offen bleibt die Frage nach neuen Förderprogrammen.

Denn ist es realistisch ­ ich frage das ganz ernsthaft ­, dass man in den letzten vier bis fünf Monaten eines Jahres neue Programme ausarbeitet und dass obendrein diese hohen Millionenbeträge zur Auszahlung kommen?

Gänzlich unbeantwortet bleibt auch die Frage, wie mit den nach Abzug der Forderungen verbleibenden restlichen Steuermehreinnahmen verfahren werden soll. Es steht immerhin eine Summe von einer guten halben Milliarde Euro im Raum.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

­ Lieber Kollege, natürlich ist es richtig und notwendig, Schwerpunkte zu bilden. Gerade in Zeiten hoher Steuereinnahmen sollten Vor- und Nachrangigkeiten präzise definiert werden und sollte die Haushaltspolitik vom Gieskannenprinzip Abschied nehmen. Dies bedeutet, dass immer zuerst die Frage nach der langfristigen Zukunftsperspektive von Maßnahmen gestellt werden muss:

Welche landespolitischen Weichenstellungen müssen vorgenommen werden, um nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum, um Arbeitsplätze und somit Wohlstand und soziale Sicherheit zu schaffen? Welche Prioritätensetzung ist hierzu nötig? Wie schaffen wir tragende Grundlagen zugunsten von Innovation, Investition, Bildung und Familie?

(Thomas Kreuzer (CSU): Fragen über Fragen! ­ Gegenruf der Abgeordneten Johanna (SPD): Es gibt schon Antworten!)

Wie schaffen wir die Voraussetzungen für mehr Kinderbetreuung, für eine optimale Bildung, für eine breite Wissenschaftsoffensive und für die gezielte Entwicklung bayerischer Regionen? Wie schaffen wir es, dass die wirtschaftsnahe Infrastruktur modernisiert und ausgebaut wird? Wie verhindern wir, dass Staatsvermögen weiterhin verschlampt?

(Thomas Kreuzer (CSU): Fragen über Fragen!)

Wie können wir dies alles unter Wahrung der traditionsreichen Kultur Bayerns bewältigen? Das ist doch die Agenda für eine solide und nachhaltige Haushaltspolitik.

Die ambitionierte Vorgehensweise, die ich teile, bedarf aber einer guten Vorbereitung und eingehenden Diskussion. Eine so umfassende Initiative, wie sie heute vorliegt, ist hier nicht hilfreich.

In einem vorweggenommenen Dezemberfieber wollen Sie Geld über das Land verteilen, Gelder, die wahrscheinlich bei den angenommenen Empfängern wahrscheinlich nicht mehr ankommen können. Ich gebe Ihnen dabei recht, dass es nicht sein kann, lieber Kollege Mütze, dass die Beratungen zum Nachtragshaushalt 2008 erst im nächsten Jahr beginnen. Damit würde wegen der kindischen Personalquerelen bei der CSU wertvolle Zeit verplempert.

(Beifall bei der SPD)

Da kann wegen der Handlungsblockade der Staatsregierung erst zur Jahreshälfte 2008 mit der Umsetzung wichtiger Zukunftsvorhaben begonnen werden.

(Zuruf von der SPD: Warum?)