Fachschulausbildung

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst wie folgt:

Frage 1. Welchen zukünftigen Stellenwert misst die Landesregierung der Fachschulausbildung und den Fachschulabschlüssen vor dem Hintergrund der Neustrukturierung der Studiengänge und der Einführung von Bachelor-Abschlüssen bei?

Frage 2. Sieht die Landesregierung Nachteile für die Fachschulausbildung und für die Berufsperspektiven von Fachschulabsolventinnen und ­absolventen auf dem deutschen und europäischen Arbeitsmarkt durch die Einführung von BachelorAbschlüssen?

Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die derzeitigen deutschen Abschlussbezeichnungen im Rahmen der Fachschulausbildung vor dem Hintergrund der geplanten Schaffung eines europäischen Bildungsraums in der Berufsbildung?

Frage 4. Wird sich die Landesregierung für eine Änderung der Abschlussbezeichnungen für Fachschulabschlüsse im Rahmen des Kopenhagen-Prozesses (Schaffung eines europäischen Bildungsraums in der Berufsausbildung) einsetzen?

Wenn ja, in welcher Weise?

Die Fragen stehen in einem engen inhaltlichen Bezug und werden im Folgenden im Zusammenhang beantwortet.

Mit der am 21. Dezember 2004 in Kraft getretenen Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes sind in Hessen Bachelor und Master anstelle von Diplom und Magister als Regelabschlüsse eingeführt worden. Bis zum Jahre 2009 soll die Umstellung der bestehenden Studiengänge in die Bachelor - und Masterstruktur abgeschlossen sein.

Die Bachelor-Abschlüsse stellen den niedrigsten akademischen Grad bzw. den ersten berufsqualifizierenden Abschluss des mehrstufigen Studienmodells dar.

Mit der Gleichstellung von Bachelor-Abschlüssen an Berufsakademien mit Bachelor-Abschlüssen an Hochschulen (Einordnung der Bachelorausbildungsgänge an Berufsakademien in die konsekutive Studienstruktur Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. Oktober 2004) wurde der Begriff "Bachelor" auf den nicht akademischen Bereich ausgedehnt. Die Voraussetzung für die Gleichstellung ist hierbei die erfolgreiche Akkreditierung des Ausbildungsgangs. Hierzu sind eine Modularisierung der Ausbildung sowie die Vergabe von ECTS-Punkten Voraussetzung.

Ob die Einführung von Bachelor-Abschlüssen im akademischen Bereich Auswirkungen auf die Fachschulausbildung, die Fachschulabschlüsse bzw. auf die Integration der Absolventen der Fachschulen in den Arbeitsmarkt hat, ist auch nach Auffassung des Hessischen Kultusministeriums zu prüfen.

Die hessischen Abschlussbezeichnungen der Fachschulen, "Staatlich geprüfte Technikerin/Staatlich geprüfter Techniker", "Staatlich geprüfte Gestalterin/

Staatlich geprüfter Gestalter" bzw. "Staatlich geprüfte Betriebswirtin/Staatlich geprüfter Betriebswirt" sowie "Staatlich anerkannte Erzieherin/Staatlich anerkannter Erzieher", "Staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger/Staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin", "Staatlich anerkannte Fachwirtin für Sozialdienste/Staatlich anerkannter Fachwirt für Sozialdienste", "Staatlich anerkannte Heilpädagogin/Staatlich anerkannter Heilpädagoge", sind als berufliche Weiterbildungsabschlüsse höchst anerkannt.

Ein Verdrängungseffekt der Fachschulabsolventen auf dem deutschen Arbeitsmarkt durch Bachelor-Absolventen wird zurzeit nicht befürchtet.

Dennoch ist festzustellen, dass in EU-Mitgliedstaaten wie Irland, Großbritannien oder Dänemark Absolventen der beruflichen, nicht akademischen Aufstiegsfortbildungen den Titel eines Bachelors mit Zusatz erhalten und führen können. Dies wird bisher für die Absolventen deutscher Abschlüsse der beruflichen Weiterbildung (z.B. Meister, Betriebswirte, Fachkaufleute, Techniker) als nicht zulässig angesehen. Ob die Vergabe eines Titels wie z. B. "Bachelor Professional" möglich ist, obwohl der Begriff "Bachelor" durch das Hochschulrahmengesetz und in Hochschulgesetzen der Länder akademischen Bildungsgängen vorbehalten wird, wird zurzeit in einem Rechtsgutachten des Bundes untersucht.

Die Wirtschaftsminister der Länder haben sich bereits mehrfach mit der Fragestellung eventueller Bachelor- und Masterabschlüsse in der beruflichen Weiterbildung beschäftigt, unter anderem in den Wirtschaftsministerkonferenzen am 8./9.Dezember 2004, am 13./14. Dezember 2005 sowie am 7./8. Juni 2006.

Die Wirtschaftsministerkonferenz am 7./8. Juni 2006 in Erfurt hat hierzu beschlossen, dass der Arbeitskreis "Berufliche Bildung" der Wirtschaftsministerkonferenz beauftragt wird, einen Beschlussvorschlag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und internationalen Lesbarkeit der deutschen Abschlüsse in der nicht-akademischen beruflichen Weiterbildung zu erarbeiten.

In der Begründung führt die Wirtschaftsministerkonferenz aus: "Die deutschen Absolventen konkurrieren (...) zunehmend mit Absolventen überwiegend semi-akademisch oder akademisch ausgerichteter Bildungssysteme anderer Staaten, die häufig mit den dort vielfach leichter erreichbaren Bachelor-Abschlüssen ausgestattet sind. Dadurch entsteht eine potenzielle Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbschancen. Hinzu kommt, dass die gegenwärtigen Bezeichnungen der deutschen Weiterbildungsabschlüsse international kaum bekannt bzw. nicht lesbar sind; die internationale Fachkräftemobilität wird gehemmt."

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nennt folgende Perspektiven für die Weiterentwicklung des Systems beruflicher Weiterbildungsabschlüsse:

- Sicherstellung der kompetenzgerechten Einstufung der deutschen Erstausbildungs- und Weiterbildungsabschlüsse im Rahmen des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF),

- Schaffung international lesbarer Übersetzungsbezeichnungen für geregelte Fortbildungsabschlüsse,

- Schaffung realistischer Hochschulzugangsbedingungen für Absolventen der beruflichen Bildung ohne Hochschulzugangsberechtigung,

- Schaffung eigenständiger, nicht akademischer Fortbildungsabschlüsse auf Bachelor -Niveau.

Zu beachten ist in diesem Prozess, dass die in Deutschland bisher dem Hochschulbereich zugeordneten Titel Bachelor und Master auch international nicht in Mitleidenschaft gezogen werden dürfen. Eine weitere Ausweitung auf den nicht akademischen Bereich, über die Berufsakademien hinaus, wird daher zurzeit kontrovers diskutiert.

Für das Hessische Kultusministerium steht in der Zuständigkeit für die Fachschulabschlüsse zurzeit die Frage der Anrechenbarkeit beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge entsprechend der "Empfehlung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Konferenz der Kultusminister der Länder und der Hochschulrektorenkonferenz an die Hochschulen zur Vergabe von Leistungspunkten in der beruflichen Fortbildung und Anrechnung auf ein Hochschulstudium" vom 8. Juli 2003 im Vordergrund der Überlegungen.

Für die Weiterentwicklung der Fachschulen ist darüber hinaus zu klären, welche Maßnahmen die angemessene Einordnung in den europäischen Qualifikationsrahmen sichern. Hierzu muss sich der Weg zur Entwicklung des Europäischen Qualifikationsrahmens und damit verbunden des Aufbaues eines nationalen Qualifikationsrahmens noch klarer abzeichnen.

Aus Sicht des Hessischen Kultusministeriums ist eine weitere Internationalisierung der Fachschulausbildungsgänge notwendig. Hierzu gehören unter anderem die Prüfung der Abschlussbezeichnungen, die Stärkung der Transparenz der Abschlüsse über die Einführung der europäischen Zeugniserläuterungen auch für berufliche Abschlüsse nach Landesrecht sowie die Überprüfung der Bezeichnungen der Institutionen.