Pressemitteilung

Bayerischer Landtag · 15. Wahlperiode9130 Plenarprotokoll 15/125 v. 10.06. ausschuss die Erstberatung abgeschlossen hat. Ich bin mir sicher, dass dieser Gesetzentwurf am Schluss auch die notwendige Mehrheit in diesem Hause finden wird.

Wir haben sehr genau zugehört, welche sachlichen Argumente bei der Sachverständigen-Anhörung im Rechtsund Verfassungsausschuss vorgebracht wurden.

(Christine Kamm (GRÜNE): Viele!)

Deshalb habe ich gemeinsam mit einer Reihe von Kollegen aus der CSU-Landtagsfraktion in den letzten Tagen eine Reihe von Änderungsvorschlägen erarbeitet. Wir wollen dort, wo es zu Missverständnissen kommen oder wo unnötige Bürokratie entstehen könnte, was nicht in unserer Absicht liegt, die eine oder andere Klarstellung in den Formulierungen vornehmen. Diese Änderungsanträge sind eingebracht. Darüber wird morgen schon der Kommunal- und Innenausschuss beraten.

Frau Kollegin Kamm, ich will in dem Zusammenhang aber auch ganz klar sagen, dass viel Unsinn geredet wird ­ vom einen vorsätzlich, vom anderen mangels entsprechender Sachkunde. Das will ich den Verbänden im Lande draußen gar nicht vorwerfen. Nehmen Sie zum Beispiel das Uniformierungsverbot. Dazu haben wir den bisherigen Wortlaut des Bundesgesetzes wörtlich übernommen. Manche Leute, zum Beispiel auch Mitglieder des Bayerischen Jugendrings, haben den Wortlaut des Bundesgesetzes wahrscheinlich noch nie gelesen. Aufgrund der aufgeregten Debatte in Bayern lesen sie aber jetzt erstmals den Gesetzentwurf und fragen sich, wieso jetzt Uniformen verboten sind.

Frau Kollegin Kamm, Sie wissen es ganz genau, den anderen werfe ich es nicht vor, dass sich zum Beispiel Pfadfinder in Bayern mit diesem Thema noch nicht beschäftigt haben. Die Praxis der Behörden hat sich über die Jahre hinweg glücklicherweise entgegen dem Wortlaut des Gesetzes sehr bürgernah entwickelt. Nach dem Wortlaut des Bundesgesetzes wäre es schon bisher nicht zulässig gewesen, dass auf einer politischen Demonstration 20 JU-Mitglieder das gleiche T-Shirt tragen oder dass bei einer Kundgebung des Bayerischen Jugendrings, mit der zum Beispiel die Freude des Jugendrings über den Staatshaushalt zum Ausdruck gebracht werden soll, 30 Pfadfinder mit der gleichen Kleidung herumlaufen und dergleichen mehr. Das war bisher mit dem Text des Bundesgesetzes nicht vereinbar. Trotzdem haben die Behörden nach gesundem Menschenverstand das Gesetz in keinem dieser Fälle angewandt, was auch klug war.

Diesen bisherigen Text des Bundesgesetzes schränken wir jetzt ein und machen damit deutlich, dass in Zukunft solche Missverständnisse gar nicht mehr auftreten können. Das Uniformverbot wird in Zukunft nicht mehr auf Pfadfinder anwendbar sein, denn es steht klar im Gesetz, dass es verboten ist, gleichartige Kleidung zu tragen, die zur Einschüchterung der Bevölkerung, also

1. Mai dieses Jahres wieder erlebt, Frau Kollegin Kamm.

Ich will als Beispiel nur Nürnberg nennen. Wir haben dort eine schwierige Situation gehabt. Wir hatten zum einen die klassische Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai. Leider hatten wir erneut auch die Anmeldung einer Kundgebung der NPD. Zu erwarten hatten wir Gegenkundgebungen des Schwarzen Blocks der linken Spontis gegen die Veranstaltung der NPD, und wir hatten die Anmeldung einer Demonstration demokratischer Kräfte gegen die Neonazis, (Christine Stahl (GRÜNE): Es gab drei Demos!

Das dürfen Sie nicht verschweigen!) bei der auch der Ministerpräsident und der Nürnberger Oberbürgermeister gesprochen haben. Ich will auf die Einzelheiten dieser Demonstrationen nicht eingehen. Ich will nur Folgendes sagen: Wir haben es natürlich auch mit einem sehr starken Polizeieinsatz geschafft, dass das Demonstrationsrecht der demokratischen Kräfte gesichert und geschützt wurde und dass es vor allen Dingen zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist.

Am gleichen 1. Mai ist es, wie Sie den verschiedenen Medien entnehmen konnten, in Berlin zu schrecklichen Krawallen gekommen. In Hamburg ist die Situation völlig außer Rand und Band geraten. Am nächsten Tag hat dann der Berliner Innensenator Bilanz gezogen und festgestellt, dass die Einsatztaktik in Berlin insgesamt sehr erfolgreich gewesen sei, weil es in diesem Jahr am 1. Mai in Berlin nur 100 verletzte Beamte gegeben habe, während es im letzten Jahr noch 150 verletzte Beamte waren.

(Christine Kamm (GRÜNE): Was hat das damit zu tun?) Davon, dass die Linkschaoten beinahe den Berliner Polizeipräsidenten gefangen genommen hätten, war in dieser Zwischenbilanz schon gar nicht mehr die Rede.

Wir haben in der Tat andere Vorstellungen darüber, wie Demonstrationen von Demokraten in unserem Land friedlich ablaufen sollen, als sie in anderen Ländern und von den GRÜNEN landauf landab gepflegt werden.

(Beifall bei der CSU ­ Maria Scharfenberg (GRÜNE): Reden Sie doch über das Gesetz!)

Von diesem in der Tat anderen Verständnis von friedlichen Demonstrationen ist auch dieser neue Gesetzentwurf geprägt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Den haben Sie doch eingebracht!)

Den werden wir natürlich nicht zurückziehen, sondern wir werden in morgen im Kommunal- und Innenausschuss weiter beraten, nachdem der Rechts- und in Bayern, an dem die allermeisten Demonstrationen und Kundgebungen in unserem Freistaat stattfinden.

Frau Kollegin Kamm, über alle diese Fragen werden wir in den Ausschüssen und dann auch noch einmal hier im Plenum weiter beraten. Über jeden einzelnen Punkt diskutiere ich gerne und bei Bedarf auch stundenlang.

Diese Art der Verhetzung und bewussten Irreführung von Leuten, die mit dem Gesetzentwurf überhaupt nichts zu tun haben, werden wir uns nicht gefallen lassen, weil das, was sich hier abspielt, einfach unredlich ist.

(Beifall bei der CSU ­ Christine Kamm (GRÜNE):

Wir warten immer noch auf eine Antwort!) Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Ich darf Herrn Kollegen Ritter jetzt das Wort erteilen. Bitte schön.

Florian Ritter (SPD): Sehr geehrter Herr Staatsminister!

In der Praxis haben nicht nur die Ordnungsbehörden und die Polizei mit dem Versammlungsrecht zu tun, sondern natürlich auch diejenigen, welche die Versammlungen durchführen. Meine erste Frage an Sie: Sie haben in der Verbändeanhörung vorab nur die Ordnungsbehörden angehört. Warum haben Sie im Vorfeld nicht die Verbände angehört, die in Bayern in größerem Maße vom Demonstrations- und Versammlungsrecht Gebrauch machen, wie den DGB und den Bund Naturschutz?

Zum Zweiten haben Sie in der Ersten Lesung hier gesagt, dass die Staatsregierung mit den Verbänden diskutieren wird. Da frage ich Sie: In welcher Form ist das über den DGB hinaus bereits geschehen?

Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Herr Staatsminister.

Staatsminister Joachim Herrmann (Innenministerium): Herr Kollege, es ist das Wesen des Demonstrationsrechts und der Versammlungsfreiheit, dass, anders als bei vielen anderen Gesetzen, diejenigen, die davon betroffen sind oder davon Gebrauch machen, im wahrsten Sinne des Wortes Unzählige sind. Deshalb ist es technisch einfach unmöglich, eine Auswahl unter dem Aspekt zu treffen: Welcher Verein, welcher Verband, welcher Bürger und dergleichen ist in besonderer Weise betroffen und muss angehört werden?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wir haben deshalb vom ersten Tag an, beginnend mit der ersten Befassung des Ministerrats mit diesem Thema, den gesamten Gesetzentwurf ins Internet gestellt und in zahlreichen Veröffentlichungen immer wieder darauf hingewiesen, dass der gesamte Gesetzentwurf im Internet steht. Weil der Gesetzentwurf in den verschiedenen Phasen der Beratung immer wieder zur Verfügung stand und selbstverständlich auf Wunsch auch jedem zugezur Einschüchterung von anderen Personen im demokratischen Geschehen dient. Wir wollen damit deutlich machen, dass wir der Militanz von Neonazis entgegentreten. Wir wollen unterbinden, dass sie einheitlich in Bomberjacken und Springerstiefeln auftreten. Wir wollen aber nicht verhindern, dass Pfadfinder in ihrer traditionellen Kleidung oder bei einer Demonstration von Verdi alle mit den gleichen Plastiküberziehern auftreten. Das wird unmissverständlich klargestellt. Damit wird es im Alltag auch keine Probleme geben.

Sie benutzen diese Vorschriften teilweise dazu, die Leute draußen aufzuhetzen, obwohl die Realität ganz anders ist. Wir haben in diesem Punkt in Zukunft weniger Einschränkungen, als sie bisher das Bundesgesetz vorgesehen hat. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Zum Streikrecht: Jeder weiß, dass der normale Warnstreik mit dem Versammlungsrecht überhaupt nichts zu tun hat. Das Streikrecht gilt uneingeschränkt und ist vom Versammlungsrecht zunächst überhaupt nicht betroffen. Berührungspunkte mit dem Versammlungsrecht ergeben sich erst dann, wenn im Zusammenhang mit einem Streik, auch auf öffentlichen Straßen eine Kundgebung stattfindet. Innerhalb des Firmengeländes gilt das Versammlungsrecht überhaupt nicht. Aber auch diese Kundgebung wird nicht eingeschränkt. Ich habe vor zwei Wochen ein sehr gutes und sachliches Gespräch mit Fritz Schösser, dem DGB-Landesvorsitzenden, geführt.

Ich glaube, mit den Änderungsvorschlägen, die wir jetzt einbringen, wird ein Großteil der sachlichen Bedenken, die es in den Reihen des DBG gab, ausgeräumt.

Die Verlängerung der Anmeldefrist von 48 auf 72 Stunden ist gerade bei Warnstreiks völlig unproblematisch, weil Kundgebungen im Zusammenhang mit einem Warnstreik, zu denen recht kurzfristig aufgerufen wird, erst recht den Charakter einer Spontanversammlung haben.

Alles, was erst nach Beginn der Frist von 72 Stunden vor dem Termin überlegt, angesetzt und in Szene gesetzt wird, fällt von vornherein unter den Begriff der Eil- oder Spontanversammlung. Also werden auch solche Spontanversammlungen eher erleichtert als erschwert.

Abgesehen davon bin ich gespannt darauf, wie die Debatte im Münchner Stadtrat laufen wird, in dem die GRÜNEN einen geistreichen Antrag gestellt haben. Erfreulicherweise wird der Kreisverwaltungsreferent, Kollege Blume-Beyerle, im Münchner Stadtrat darlegen, dass eine Reihe von Anregungen ­ unter anderem auch die Verlängerung der Anmeldefrist von 48 auf 72 Stunden ­ von ihm selber stammen. Er selbst hat aufgrund seiner Erfahrungen als Kreisverwaltungsreferent schon früher gegenüber Bundesinnenminister Schily und jetzt uns gegenüber eine Verlängerung auf 72 Stunden vorgeschlagen. Die Landeshauptstadt München ist der Ort Bayerischer Landtag · 15. Wahlperiode9132 Plenarprotokoll 15/125 v. 10.06. dem Münchner Kreisverwaltungsreferat seit jeher gerade in diesen Fragen ganz engen Kontakt. Ich habe schon bei der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs gesagt: Das Gesetz wird im Alltag ohnehin nicht vom Innenministerium vollzogen, sondern zunächst einmal von den Landräten, Oberbürgermeistern und ihren Behörden draußen.

Das sind diejenigen, die mit der Anmeldung von Demonstrationen befasst sind und die entscheiden müssen, ob und welche Auflagen sie für notwendig halten. Das ist der Alltag. Weil der allergrößte Teil der Demonstrationen in der Landeshauptstadt stattfindet, spielt die Praxis des Kreisverwaltungsreferats der Landeshauptstadt München eine ganz große Rolle.

Ich habe vorhin schon die längere Anmeldungsfrist angesprochen. Man muss sich einmal überlegen, wenn es ein Veranstalter auf die Spitze treiben und am Samstag früh per Posteinwurf eine Kundgebung anmelden würde und die 48-Stunden-Frist Montagmittag abläuft, was eine Behörde in der Realität dann konkret tun könnte. Das ist Unsinn. Daher rührt der sinnvolle Vorschlag, auf 72 Stunden zu gehen. Da nach wie vor die Mehrzahl der Veranstaltungen in der Regel Wochen im Voraus geplant wird, ist es wirklich kein Problem, wenn gefordert wird, dass die Veranstaltung nicht erst 48 Stunden, sondern 72 Stunden vor der Bekanntgabe angezeigt werden muss.

Wir wollen aber gleichzeitig noch vereinfachen, wenn Sie so wollen: entbürokratisieren. Das will ich bei dieser Gelegenheit sagen; damit werden die Eilversammlungen erleichtert, wo der Entschluss erst später fällt. Wir schlagen daher die Änderung vor, dass es reicht, bei der Polizei oder bei der Kreisverwaltungsbehörde die Veranstaltung kurzfristig anzuzeigen. Es reicht gegebenenfalls auch eine telefonische Anzeige. Damit werden zum Beispiel kurzfristige Kundgebungen von Gewerkschaften im Zusammenhang mit Warnstreiks deutlich erleichtert. Das ist auch ein wichtiges Signal an den DGB. Wir wollen damit deutlich machen: Wir wollen zwar den Chaoten auf unseren Straßen die Stirn bieten, aber es gibt überhaupt niemanden, der auch nur im Entferntesten auf die Idee käme, Gewerkschaftsdemonstrationen in unserem Lande einzuschränken.

Herr Kollege Obermeier, dann wollte ich noch ansprechen

­ das wurde auch von der Landeshauptstadt München angeregt ­, dass wir einen stärkeren Blick auf die Ordner werfen wollen. Das will ich hier ganz deutlich machen.

Wir haben schon beim bisherigen Versammlungsrecht die Erfahrung gemacht, dass beispielsweise von der NPD jemand als Ordner bei Demonstrationen eingeteilt wird, der schon wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft worden ist. Es ist doch richtig, wenn ein Landratsamt oder eine Stadtverwaltung der Auffassung ist, dass jemand, der wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft ist, nicht als Ordner eingesetzt werden kann, weil das hohe Risiko besteht, dass er am Rande einer Demonstration oder eines Aufzuges um sich schlägt und den nächsten, der ihm da unterkommt, prügelt. sandt wurde, der den Text ausgedruckt haben wollte, haben wir eine Reihe von Stellungnahmen bekommen.

Ich kann Ihnen nur sagen: In manchen Fällen ist man schon etwas merkwürdig berührt. So hat mir ausgerechnet der Bayerische Journalistenverband erklärt, der zu diesem Thema auch bei mir im Büro war, er habe im April erstmals von diesem Gesetz erfahren. Das war ausgerechnet der Bayerische Journalistenverband, obwohl schon im Januar erstmals die Pressemitteilung der Staatskanzlei ­ das Bulletin ­ erschien, dass die Staatsregierung im ersten Durchgang den Gesetzentwurf beraten hat. Im März kam die nächste Mitteilung, dass jetzt der endgültige Gesetzentwurf beraten worden ist.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Das war doch kein Geheimunternehmen. Das ist jedes Mal in allen Pressemitteilungen publiziert worden, das stand im Internet, und dann kommt ausgerechnet der Bayerische Journalistenverband, der jede dieser Mitteilungen auf den Tisch bekommt, zu mir und erklärt, er habe im April erstmals davon erfahren, dass es ein neues Bayerisches Versammlungsgesetz gäbe.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist auch richtig!)

Das ist zwar das gute Recht eines jeden Verbandes, aber Herr Kollege, ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mir den Schuh nicht anziehe und nicht sage: Warum habt ihr nicht noch diesen oder jenen Verband angehört? Wir haben uns wirklich der modernen Art der Kommunikation bedient. Man kann nicht mehr tun, als das jedem zur Verfügung zu stellen, sodass sich jeder an der Diskussion beteiligen kann.

Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Danke schön.

Herr Kollege Obermeier, bitte.

Thomas Obermeier (CSU): Herr Staatsminister, die Staatsregierung hat sich im Vorfeld dieses Gesetzentwurfes auch mit einigen Praktikern aus den Kommunen, die regelmäßig mit Versammlungen zu tun haben, auseinandergesetzt, um deren Erfahrungen mit dem derzeit gültigen Versammlungsgesetz in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen. Ist es in diesem Zusammenhang richtig, dass wesentliche Punkte, die heute, in der Ersten Lesung und auch in der Ausschussberatung von der Opposition kritisiert wurden, Forderungen des Kreisverwaltungsreferats München darstellen, Forderungen, die in diesen Gesetzentwurf eingegangen sind, und welche Regelungen sind dies?

Staatsminister Joachim Herrmann (Innenministerium): Herr Kollege Obermeier, das ist in der Tat völlig zutreffend, wie ich vorher schon in einem Nebensatz angesprochen habe.