Förderung von Streuobstwiesen

In den letzten Jahren wurden die Erhaltung und Neuanlage von hessischen Streuobstwiesen als besonders schützenswertes Kultur- und Naturgut finanziell unter anderem aus dem hessischen Vertragsnaturschutzprogramm unterstützt. Mit der Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes sollen die Streuobstwiesen ihren bisherigen gesetzlichen Schutz verlieren. Damit eröffnet die Landesregierung die Möglichkeit, dass auch die aus Steuermitteln geförderten Streuobstwiesen zukünftig ohne Genehmigung und ohne die Pflicht zum Ersatz entfernt werden dürfen.

Vorbemerkung des Ministers für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz:

Die Landesregierung hält Streuobstwiesen auch in Zukunft für schützenswert.

Deshalb sind Streuobstwiesen auch weiterhin in Hessen nicht schutzlos gestellt. Eine Entscheidung über den Schutz dieser Landschaftsbestandteile sollen in Zukunft allerdings die Kreisausschüsse und Magistrate als Träger der Unteren Naturschutzbehörden treffen, was selbstverständlich auch auf Initiative der Gemeinden, Städte oder von Bürgern erfolgen kann. Diese sind aufgrund ihrer vorhandenen Ortskenntnisse und ihrer räumlichen Nähe deutlich besser in der Lage, den erforderlichen Bestand der schützenswerten Streuobstwiesen zu erhalten. Der besondere naturschutzrechtliche Schutz als Naturdenkmale oder geschützte Landschaftsbestandteile ist durch die §§ 26 und 27 HENatG - E eindeutig gewährleistet. Die Übertragung der Entscheidung stärkt die Verantwortung vor Ort. Sie ist außerdem ein weiterer Beitrag zur Deregulierung, da auch in diesem Fall das Bundesnaturschutzgesetz nach dem Grundsatz der 1zu-1-Umsetzung in Hessen seine Geltung findet.

Die Vorbemerkung der Fragestellerin vermischt außerdem zwei rechtlich unabhängige Regelungsbereiche. Die Förderung von Maßnahmen zum Erhalt von Streuobstbeständen ist Gegenstand des jeweiligen Haushaltsgesetzes sowie der zugehörigen Förderprogramme. Sie haben keinen direkten rechtlichen Bezug zu den Regelungen in § 15d des Hessischen Naturschutzgesetzes (HENatG) zum Schutz von Streuobstbeständen.

Die Begrifflichkeit "Streuobstbestände" ist zudem nicht rechtlich eindeutig definiert. Vielfach folgt die Verwaltungspraxis bei der Umsetzung des § 15d HENatG noch den Abgrenzungen, die in der inzwischen aufgehobenen Verordnung über bestimmte Lebensräume und Landschaftsbestandteile vom 15. Dezember 1997 (GVBl. I S. 473, aufgehoben; vgl. GVBl. 2002 I S. 364, 380) festgelegt waren. Diese Definition ist jedoch nicht identisch mit dem früheren Biotopschlüssel der Biotopkartierung.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele Hektar Streuobstbestände gibt es derzeit auf die jeweiligen Landkreise bezogen in Hessen?

Eine derartige, landkreisbezogene aktuelle Statistik wird nicht geführt. Die Hessische Biotopkartierung kann Näherungswerte für die Landkreise liefern, in denen diese Kartierung abschlossen wurde; aufgrund der langen Laufzeiten der Kartierung und der unterschiedlichen Kartierungszeitpunkte in den Aufnahmegebieten sind die Angaben jedoch nicht vergleichbar.

Eine entsprechende Übersicht ist beigefügt (Anlage 1).

Frage 2. Wie haben sich die Streuobstbestände in den letzten 20 Jahren flächenmäßig entwickelt?

Eine derartige aktuelle Statistik, die eine Aussage über flächenmäßige Zubzw. Abgänge von Streuobstbeständen über den Zeithorizont der letzten 20 Jahre zuließe, wird nicht geführt.

Belastbare Daten sind aus Gründen nicht konsistenter Datenerhebungen und Datenhaltungen durch die verschiedenen Verwaltungen in der Vergangenheit sowie erst in jüngster Zeit in Ansätzen verfügbarer DV-gestützter Auswertungsmöglichkeiten nicht verfügbar.

Frage 3. Wie viele der Streuobstbestände und jeweils in welcher Höhe sind in den letzten 20 Jahren aus welchen Programmen gefördert worden?

Eine derartige aktuelle Statistik, die eine Aussage hierüber zuließe, wird nicht geführt. Grundsätzlich wurden Maßnahmen zur Sanierung/Pflege bestehender Altbestände oder Neuanlage/Pflanzung von Obsthochstämmen, die sich zu Streuobstwiesen entwickeln sollen, finanziert aus

- dem Hessischen Landschaftspflegeprogramm (HELP),

- Mitteln der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe,

- der Umsetzung naturschutzrechtlicher Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder

- der Durchführung vorlaufender Ersatzmaßnahmen (Ökokonto),

- unterschiedlichen privaten oder kommunalen Förderprogrammen.

Dass gleichwohl ganz erhebliche Förderanstrengungen in den letzten Jahren unternommen wurden, sollen einige Zahlen aus dem Wetteraukreis dokumentieren:

Nach Angaben des Kreisausschusses des Wetteraukreises soll es dort ca. 230.000 Streuobstbäume geben. Allein in den Jahren 2002 bis 2006 hat der Wetteraukreis über 100.000 für die Pflanzung oder Pflege aus Mitteln der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe des Landes Hessen zur Verfügung gestellt.

Eine Datenbankauswertung über im Rahmen des hessischen Landschaftspflegeprogramms im aktuellen Programmplanungszeitraum durchgeführten Maßnahmen im Bereich Streuobst ist beigefügt (Anlage 2).

Frage 4. Welche Gesamtsumme ist in den letzten 20 Jahren in die Erhaltung und Neuentwicklung der Streuobstbestände geflossen?

Eine derartige aktuelle Statistik wird angesichts der unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten nicht geführt. Eine solche Summe ist in der Kürze der Zeit mit vertretbarem Aufwand auch nicht überschlägig zu ermitteln.

Frage 5. Welche Vorteile sieht die Landesregierung darin, die Streuobstwiesen aus dem gesetzlichen Schutz zu nehmen?

Wie in meiner Vorbemerkung bereits ausführlich beschrieben, sind die Streuobstwiesen eindeutig nicht aus dem gesetzlichen Schutz genommen worden. Neben den dort erläuterten gesetzlichen Möglichkeiten der Kreisausschüsse und Magistrate sorgen Eingriffsregelung, FFH- und Vogelschutzrichtlinie sowie das Artenschutzrecht für einen umfangreichen Schutz hessischer Streuobstwiesen.

Streuobstwiesen können Nahrungs-, Lebens- und Vermehrungsraum für ca. 2.000 bis 5.000 Tier- und Pflanzenarten wie z. B. Steinkauz, Wendehals, verschiedene Fledermausarten oder Siebenschläfer sein. Streuobstwiesen können damit je nach Ausprägung zu den artenreichsten Biotoptypen in Mitteleuropa zählen. Insofern ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen insbesondere reife Entwicklungsstadien von Streuobstwiesen als Lebensstätten nach dem Anhang IV der FFH-RL zu schützender Tierarten und der europäischen Vogelarten bereits den Artenschutzvorschriften der Vogelschutz- oder FFH-Richtlinie unterliegen. Das europäische Artenschutzrecht ist im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des EuGH strenger als der gesetzliche Biotopschutz nach § 15d des Hessischen Naturschutzgesetzes bzw. § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes. Die flächige Inanspruchnahme einer Streuobstwiese ist zudem regelmäßig als zu kompensierender Eingriff in Natur und Landschaft anzusehen.

Da es bereits verschiedene strenge Regelungen zum Schutz von Streuobstbeständen gibt, ist ein zusätzlicher Schutz im Sinne der bisherigen landesrechtlichen Regelung nach § 15d Abs. 1 Nr. 6 HENatG aus der Sicht der Landesregierung nicht mehr erforderlich.