Neonazis

Die Neonazis beteiligten sich seit der Kooperation zwischen NPD und Neonazis an zahlreichen von der NPD angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen, führten aber ebenso auch eigene Veranstaltungen durch. An diesen Demonstrationen nahmen überwiegend Neonazis und Skinheads, aber auch einige NPD-Mitglieder teil.

Darüber hinaus organisierte die Neonazi-Szene auch in Hessen geschlossene Saalveranstaltungen. Bei den Teilnehmern handelte es sich nahezu ausschließlich um Neonazis, Skinheads und einzelne NPD -Mitglieder. Personen außerhalb des gefestigten rechtsextremistischen Spektrums konnten von der Neonazi-Szene nicht mobilisiert werden.

Ein wichtiger Gradmesser für die Mobilisierbarkeit der rechtsextremistischen Skinhead-Szene sind die Anzahl und die Besucherzahlen bei Konzerten dieser Szene.

An den Skinhead-Konzerten dürften überwiegend rechtsextremistisch orientierte Skinheads und zum erheblich kleineren Teil auch überzeugte Neonazis teilgenommen haben. Letztere nutzen solche Skinhead-Konzerte gerne zur Rekrutierung von Nachwuchs. Es ist allerdings davon auszugehen, dass zu solchen Konzerten auch ein Anteil eher unpolitischer Skins mobilisiert werden kann.

Seitdem die NPD ihren aktionistischen Kurs mit zahlreichen Demonstrationen, Kundgebungen und Saalveranstaltungen eingeschlagen hat, lässt sich mit steigender Tendenz auch eine Mobilisierbarkeit von rechtsextremistisch geprägten Skinheads für solche Veranstaltungen be obachten.

Bei den sonstigen rechtsextremistischen Musikveranstaltungen, wie Balladen- und Liederabende, liegt die Teilnehmerzahl deutlich unter den Besucherzahlen bei Skinhead-Konzerten. Nicht selten werden Liedermacher von rechtsextremistischen Parteien und Organisationen eingeladen, um mit einem musikalischen Rahmenprogramm zusätzliche Teilnehmer für eine politische Veranstaltung zu gewinnen.

Unter den Besuchern von Liederabenden sind Skinheads eine Minderheit. Vornehmlich wird ein breiteres rechtsextremistisches Publikum angezogen.

Zu a: Diese Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, da eine Vielzahl von hessischen Rechtsextremisten/rechtsextremistischen Organisationen an Veranstaltungen und Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet, vorwiegend an Veranstaltungen zum 1. Mai sowie Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen teilgenommen hat, hierzu jedoch keine Erkenntnisse zu Teilnehmermeldungen vorliegen.

Die Zahl der hessischen Teilnehmer variiert je nach Veranstaltung von wenigen Teilnehmern bis zu rund 50 Personen.

Zu b: In Hessen wurde den Sicherheitsbehörden in den letzten zehn Jahren etwa 200

Veranstaltungen/Kundgebungen von Rechtsextremisten bekannt. Um die weiteren Aktivitäten der Sicherheitsbehörden nicht zu gefährden, können hier nicht alle Veranstaltungen abschließend genannt werden.

Seit 2000 fanden ca. 50 rechtsextremistische Kundgebungen und Demonstrationen in Hessen statt. Die Teilnehmerzahlen schwankten dabei nach polizeilichen Feststellungen zwischen 20 und 1.200 Personen.

Die Anmelder der Kundgebungen und Demonstrationen in Hessen waren neben Privatpersonen und Freien Nationalisten rechtsextremistische Parteien und Organisationen aus Hessen, aber auch aus dem gesamten Bundesgebiet.

Demonstrationen und Kundgebungen in Hessen 1995 bis 2006: Siehe Anlage 1.

Frage 3.2 Welche Rolle spielen die "Nationalen Infotelefone" in Hessen?

"Nationale Infotelefone" sind eines der Kommunikationsmittel der rechtsextremistischen Szene. Hierüber werden Informationen über Veranstaltungen, Aktionen und Organisationen für den Abruf bereitgestellt. Das erste Infotelefon der rechtsextremistischen Szene wurde 1992 in Wiesbaden geschaltet. Dieses und weitere konnten aufgrund von Exekutivmaßnahmen der Sicherheitsbehörden wiederholt stillgelegt werden.

Die Infotelefone haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Sie wurden und werden zunehmend verdrängt durch die Kommunikationsmittel des Internets, E-Mail, Mobiltelefone und SMS. So gibt es derzeit nur noch eine geringe Anzahl an Infotelefonen. In Hessen ist derzeit nur noch das Infotelefon des Aktionsbündnisses Mittelhessen aktiv.

4. Veränderungen in der Struktur Frage: Bei welchen Organisationen oder Zusammenschlüssen hat es in den letzten zehn Jahren signifikante Veränderungen im Bezug auf Mitgliederzahl, ansprechbares Potenzial, Altersstruktur oder Radikalisierung oder Veränderung des Feldes der Agitation gegeben?

"Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD):

Am 23. März 1996 wurde Udo Voigt zum Bundesvorsitzenden der NPD gewählt.

Mit Amtsbeginn schlug dieser umgehend einen Kurs der Neupositionierung ein.

Grundkonsens der NPD ist seitdem das "Drei-Säulen-Konzept" mit den drei Grundsäulen:

- "Kampf um die Köpfe",

- "Kampf um die Straße",

- "Kampf um die Parlamente".

Im September 2004 beschlossen der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, und der Bundesvorsitzende der DVU, Dr. Gerhard Frey, bei Wahlen zunächst nicht mehr gegeneinander anzutreten und fixierten ihr Bündnis, den sogenannten Deutschlandpakt, am 15. Januar 2005 auf einem DVU-Bundesparteitag schriftlich. Darin verpflichteten sich die beiden Parteien, bei den kommenden Wahlen auf Europa-, Bundes-, und Landesebene bis Ende 2009 nicht miteinander zu konkurrieren. Stattdessen wollen die Parteien abwechselnd zu der jeweiligen Wahl antreten und dabei jeweils Kandidaten der anderen Partei auf den eigenen Listen berücksichtigen.

Im Rahmen dieser so genannten "Volksfront" -Strategie intensivierte die NPD ihren "Kampf um die Köpfe und den organisierten Willen". Ziel der Partei ist es, eine "Volksfront von rechts" unter Beteiligung möglichst vieler rechtsextremistischer Kräfte zu schaffen. Im Zuge dessen traten drei führende Neonazis noch im September 2004 der NPD bei.

Insbesondere seit dem Einzug in den sächsischen Landtag versucht die NPD sich als Gravitationszentrum im Rechtsextremismus zu etablieren.

Einen besonderen Schwerpunkt legte die Partei hierbei auf den "Kampf um die Köpfe", also die "Intellektualisierung" von Rechtsextremisten.

Zudem zeichnet sich ab, dass sich die NPD besonders im Wahlkampf auf wirtschafts- und sozialpolitische Themen konzentrieren und revisionistische Themen vermeiden will. Ziel ist es, die Wählerbasis mit einem konservativ-bürgerlichen Auftreten zu erweitern.

Im Wahlkampf hat mittlerweile der Kampf um die Jung- und Erstwähler oberste Priorität.

Dies wird deutlich durch die Presseveröffentlichung der NPD anlässlich der durchgeführten Wahl des neuen Landesparteivorstandes in Hessen am 27. Mai 2006.

Zitat: "Zimmermann stellte den Anwesenden das 4-Säulen-Konzept der Jungen Nationaldemokraten (JN) Hessen vor:

1. Der Kampf um die Dörfer mittels Verteilaktionen, Stützpunktgründungen und Ähnliches,

2. der Kampf um die Schulen, z. B. durch das Stellen von Klassen- und Schulsprechern,

3. die Zusammenarbeit mit den Kameradschaften und

4. die Intellektualisierung der Jugend mittels Schulungslagern und Gründung eines nationalen Bildungswerks."

An Umfragen und früheren Wahlergebnissen, wie der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Februar 2005, ist zu erkennen, dass der Anteil der 18- bis 25jährigen NPD-Wähler bemerkenswert hoch ist. Meist handelt es sich um männliche Arbeiter und Arbeitslose.

Mit einer eigenen Schulhof-CD versucht die NPD schon bei den Schülern und Berufsschülern anzusetzen.

Auch die Nebenorganisation der NPD, die "Jungen Nationaldemokraten", war im vergangenen Jahr wieder vermehrt aktiv. Die Mitgliederzahl der JN Hessen liegt bei etwa 20 Personen.

Nachdem sich die JN Hessen im Jahre 2003 aufgrund des Rücktritts ihres damaligen Landesvorstands und interner Auseinandersetzungen aufgelöst hatte, ka m es im vergangenen Jahr zu neuen Stützpunktgründungen in ganz Hessen, darunter Gießen, Offenbach, Frankfurt am Main, Marburg-Biedenkopf, Main-Kinzig und Lahn-Dill. Bei diesen Neugründungen ist allerdings zu beachten, dass es zumeist an der erforderlichen personellen Mobilisierungsfähigkeit fehlte.

Simon Zimmermann, Vors. Der Jungen Nationaldemokraten Hessen

So konnten in vielen Fällen ordnungsgemäße Gründungsversammlungen nicht durchgeführt werden.

Andere Parteien

Die rechtsextremistischen Parteien "Die Republikaner" und "Deutsche Volksunion" liegen mit ihren Mitgliederzahlen in Hessen mit jeweils 800 Personen deutlich über denen der NPD. Ihre bundesweite Bedeutung erreicht aber bei weitem nicht die der NPD. Im Sinne der Anfrage haben sich, wie oben hinsichtlich der NPD aufgeführt, bei den anderen rechtsextremistischen Parteien in Hessen keine derart markanten Veränderungen hinsichtlich inhaltlicher Neupositionierung und Agitationsfelder ergeben. Sie spielen im rechtsextremistischen Spektrum nur eine untergeordnete Rolle. Ihr Erscheinungsbild ist von inneren Auseinandersetzungen und Mitgliederschwund (REP und auch "Deutsche Partei", DP) geprägt, speziell in Hessen sind DVU und DP in der öffentlichen Wahrnehmung noch weniger präsent.

Vernetzung in der neonazistischen Szene Außerhalb der rechtsextremistischen Parteien ist ein zunehmendes Bemühen um Vernetzung einzelner rechtsextremistischer Gruppierungen erkennbar. Dies betrifft vor allem die Neonazi-Szene.

Besonders zutage getreten ist dieses Bemühen um Vernetzung in der südhessischen Neonazi-Szene mit dem Entstehen des "Aktionsbüros Rhein-Neckar". Dieses wird im Wesentlichen von der Kameradschaft Bergstraße initiiert und getragen. Die Kameradschaft Bergstraße trat erstmals im Sommer 2002 in Erscheinung. Zunächst agitierte die Kameradschaft ausschließlich über das Internet und rief auf diesem Wege zur Teilnahme an regionalen und auch bundesweiten Demonstrationen/Veranstaltungen auf. Gegen Ende 2004 wurde die Kameradschaft selbst aktiv. Ihre Mitglieder nahmen an regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Demonstrationen teil und organisierten entsprechende Busfahrten.

Die Kameradschaft Bergstraße entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zur mitgliederstärksten und aktivsten hessischen Neonazikameradschaft. Ihr wird ein Mitgliederstamm von rund 50 Personen zugerechnet. Das Mobilisierungspotenzial liegt noch einmal um das Doppelte höher. Aus dieser aktiven Kameradschaft wurde maßgebend zusammen mit der Neonazi-Kameradschaft "Nibelungensturm Odenwald" im Dreiländereck Hessen/Baden-Württemberg/Rheinland-Pfalz das überregionale "Aktionsbüro Rhein-Neckar" (Mannheim/Viernheim) aufgebaut.

Dem Aktionsbüro Rhein-Neckar gehören rund 70 bis 80 Neonazis an. Auch hier liegt das Mobilisierungspotenzial weitaus höher.

Eine ähnliche Vernetzungsstrategie ist bei den "Freien Nationalisten RheinMain" zu erkennen. Auch hier haben sich zuvor eigenständige "Kameradschaften" zu einem überörtlichen Bündnis zusammengeschlossen.

Insgesamt ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Vermischung zwischen Neonazi- und Skinheadszene zu beobachten.

5. Mandate rechtsextremistischer Parteien

Frage 5.1 Wie viele Mandate in Räten und Bezirksvertretungen der Kommunen haben rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen bei den letzten Kommunalwahlen in Hessen errungen?

In welchen Gebietskörperschaften ist dies der Fall?

Anlässlich der Kommunalwahlen in Hessen am 26. März 2006 konnten rechtsextremistische Parteien und rechtsextremistische Wählergruppen folgende Mandate erringen: Siehe Anlage 2.

Frage 5.2 Welche Bedeutung haben nach Erkenntnissen der Landesregierung rechtsradikale/rechtsextreme Parteien oder Einzelpersonen in Kommunalparlamenten für die rechtsextremistische Szene in Hessen?

Die Teilnahme an Wahlen ist für rechtsextremistische Organisationen Teil ihrer politischen Strategie. Dies wird ergänzt durch außerparlamentarische Aktivitäten. Bei der NPD wird dies durch die dreigeteilte Strategie "Kampf um die Parlamente", "Kampf um die Straße", "Kampf um die Köpfe" deutlich.

Das Erringen von Sitzen in Kommunalparlamenten hat für rechtsextremistische Organisationen vornehmlich folgende Bedeutung: Teilnahme am institutionalisierten Entscheidungsprozess der kommunalen Selbstverwaltung unter Wahrnehmung der mit dem Mandat verbundenen Rechte. In kommunalen Vertretungskörperschaften, in denen der Fraktionsstatus nicht aus eigener Stärke erreicht werden kann (Ein-Mann-Fraktionen) wird oftmals versucht, diesen Fraktionsstatus durch Zusammenschluss mit anderen Mandatsträgern zu erreichen.