Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)
Die Staatsregierung wird aufgefordert, eine Gesetzesinitiative zur Änderung des § 95 SGB V in den Bundesrat einzubringen, wonach Medizinische Versorgungszentren nur von Leistungserbringern, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden können. In Fällen, in denen nicht Berufsausübungsgemeinschaften in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder der Partnerschaftsgesellschaft die Zulassung als Medizinisches Versorgungszentrum beantragen, muss zwingend als Trägergesellschaft eine juristische Person des Privatrechts gebildet werden, die eine an § 23a der Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte angelehnte Binnenstruktur aufzuweisen hat. Gründer aus dem Kreis der vertraglich gebundenen Leistungserbringer, wie z. B. Krankenhäuser, Apotheken, Heilmittel- und Hilfsmittelerbringer, dürfen an der Trägergesellschaft, die als Gesellschafter nur Ärzte, Zahnärzte oder Psychotherapeuten oder berufsrechtlich kooperationsfähige Berufsangehörige aufweisen darf, nur eine Minderheitsbeteiligung von 20 v.H. halten.
Begründung: MVZ sind seit 2004 Teil der ambulanten Versorgung. Im Oktober 2008 gab es in Deutschland bereits 1.023 MVZ. Inhaber können Vertragsärzte, Kliniken oder auch Klinikketten, die in Form einer Kapitalgesellschaft organisiert sind, sein.
Was unterscheidet nun ein MVZ, das z. B. von einer Klinik betrieben wird, von den Strukturmerkmalen von ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften bzw. MVZ? Kliniken gründen MVZ, um dadurch im ambulanten Sektor Patienten zur stationären Behandlung zu requirieren. Da für Kliniken im Zeitalter der Fallpauschalen vor allem die Behandlung von Erkrankungen interessant sind, die gut vergütet werden, wird gezielte Patientenselektion (hochwertige Fälle) aus wirtschaftlichem Eigeninteresse zwangsläufig sein.
Die in diesen MVZ beschäftigten Ärztinnen und Ärzte sind in der Regel Angestellte der Klinik und keine freien Unternehmer. Die unabhängige Entscheidung des als freiberuflich niedergelassenen Arztes bzgl. der weiteren Therapie der Patienten sowie auch die Betreuung für Kliniken nicht interessanter Patienten, z. B. soziale Notfälle, insgesamt also auch die häusliche Nähe und Individualität, werden hier stetig in Frage gestellt. Weiterhin ist zu befürchten, dass unter dem wirtschaftlichen Druck teuere Therapien und operative Eingriffe z. B. im Rahmen der Implantatchirurgie eher forciert werden, was für eine weitere Kostensenkung im Gesundheitswesen eher kontraproduktiv wirkt.
Die Motivation angestellter Ärzte dürfte auch nicht mit der von Freiberuflern, deren Existenz von der guten und umfassenden Versorgung ihrer Patienten abhängt, zu vergleichen sein. Der flächendeckende Ankauf von Kassenarztsitzen durch Kapitalgesellschaften und Kliniken stellt eine große Bedrohung der wohnortnahen stationären und ambulanten Versorgung dar.
Der Kostendruck und die Budgetierung haben in den letzten Jahren viele Kliniken in wirtschaftliche Existenznot gebracht. Dadurch wird die wohnortnahe zeitgerechte und individuelle Versorgung der Patienten in Frage gestellt. Durch die Gründung von MVZ in unmittelbarer Nähe anderer Kliniken werden Patientenströme umgeleitet und das Kliniksterben und somit auch die Vernichtung der wohnortnahen Arbeitsplätze weiter voran getrieben.
Große Klinikketten können deutlich höhere Preise für den Kauf der Arztpraxen zahlen; teilweise finanzieren sie dies durch Gehaltskürzungen bei ihren Mitarbeitern oder Bezahlung unterhalb des Tarifs.
Aber auch die freiberuflich tätigen Ärzte werden in ihrer Existenz bedroht. Da hinter den MVZ die geballte Kompetenz und das Equipment der sie betreibenden Kliniken steht und zudem verschiedene Ärzte aller möglichen Fachrichtungen eine ambulante Komplettbehandlung auf kurzem Wege gewährleisten können, ist die Einzelpraxis oder freie Berufsausübungsgemeinschaft oder das MVZ, das ohne Klinik oder Kapitalgesellschaft gegründet wurde, wirtschaftlich bedroht.
Das Berufsbild des Arztes als freier Unternehmer, der in seinen Entscheidungen ausschließlich seinem Gewissen und seinen Fähigkeiten unterworfen ist, wird aussterben. Der Patient wird zum Wertschöpfungsobjekt und der angestellte Arzt von vorgegebenen wirtschaftlichen Entscheidungszwängen getrieben. Gesellschaftsund wirtschaftspolitisch benachteiligt diese Politik den Mittelstand gegenüber großen Klinikketten und Kapitalgesellschaften.
Der Bayerische Ärztetag hat in seiner Tagung am 25. und 26. Oktober 2008 in Würzburg einen analogen Beschluss gefasst. Die Begrenzung der Beteiligung an der Trägergesellschaft soll zum einen sicherstellen, dass der Besitzstand hinsichtlich der potenziellen Gründungsmöglichkeiten nach bisherigem Recht in gewissem Umfang erhalten bleibt, zum anderen aber das Ziel der Neuregelung durchgesetzt wird.