Satz 1 führt wichtige Gründe die eine Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan ermöglichen in Nr 1 bis

Überstellungen sind wegen ihres vorläufigen Charakters hingegen auch in Anstalten des Erwachsenenvollzugs möglich.

Abs. 1 Satz 1 führt wichtige Gründe, die eine Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan ermöglichen, in Nr. 1 bis 4 auf.

Nr. 1 stellt eigentlich einen Unterfall von Nr. 2 dar, wurde jedoch im Hinblick auf seine besondere Bedeutung und die Möglichkeit, die Vorbereitung einer solchen Entscheidung auf eine Einweisungskommission (§ 68 Abs. 2 Satz 2) zu übertragen, aufgenommen. Die bislang unter § 8 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative StVollzG fallenden Gründe, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt betreffen, wurden zur Klarstellung in Nr. 3 aufgenommen. Andere wichtige Gründe im Sinne von Nr. 4 können insbesondere individuelle Belange der Gefangenen sein, nicht jedoch etwa allein querulatorisches Verhalten.

Abs. 2 benennt die wichtigen Gründe für eine Überstellung nicht abschließend, sie kommt beispielsweise auch zum Zweck der Besuchszusammenführung, der Ausführung am Ort, Vorführung, Begutachtung oder ärztlichen Untersuchung in Betracht. Ausdrücklich aufgenommen wurde jedoch die Überstellung zur Gewährleistung einer sicheren Unterbringung, sodass eine dem § 85 StVollzG entsprechende Vorschrift entbehrlich wurde. Vor einer Überstellung in eine Anstalt des Erwachsenenvollzugs wird jedoch sorgfältig zu prüfen sein, ob die Gefangenen ausreichend vor Beeinflussung oder Unterdrückung durch erwachsene Gefangene geschützt werden können, soweit sie dieses Schutzes bedürfen.

In Abs. 3 wurde die gesetzliche Regelung über die Ausantwortung aufgenommen, die bislang nur unzureichend in einer Verwaltungsvorschrift zu § 8 StVollzG geregelt war. Dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes wird dadurch Rechnung getragen. Unter Ausantwortung ist die Übergabe von Gefangenen an die Polizei insbesondere zum Zwecke der Vernehmung, Gegenüberstellung oder Durchführung eines Ortstermins zu verstehen.

Abs. 4 bestimmt den Personenkreis, der von Verlegungen unverzüglich zu unterrichten ist.

Zu § 12:

Die Sozialtherapie gehört im Erwachsenenvollzug für bestimmte Gefangenengruppen zum gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungsstandard und wird durch die Vorschrift im Jugendstrafvollzug ebenfalls eingeführt. Damit wird der Entwurf auch insoweit der Forderung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 gerecht, wonach der Staat den Vollzug im Hinblick auf eine ausreichende pädagogische und therapeutische Betreuung so ausstatten muss, wie es zur Realisierung des Vollzugsziels erforderlich ist. Dabei geht die Vorschrift in Verbindung mit § 68 Abs. 5 davon aus, dass angesichts der zu erwartenden Fallzahlen keine eigenständige Sozialtherapeutische Anstalt, sondern vielmehr entsprechend dem Bedarf gesonderte Abteilungen eingerichtet werden.

Abs. 1 strebt jedoch flexiblere Handhabungsmöglichkeiten an, als dies im Erwachsenenvollzug durch § 9 StVollzG gegeben ist. Eine entsprechende Fokussierung auf Sexualstraftäter erscheint im Jugendvollzug nicht sachgerecht, die Gewaltproblematik hingegen ist hier von besonderer Bedeutung.

Gleiches gilt für eine verpflichtende Verlegung wie sie in § 9 Abs. 1 StVollzG vorgesehen ist. Grundsätzlich steht für die Beurteilung der Behandlungsbedürftigkeit in einer sozialtherapeutischen Einrichtung das Vorliegen einer erheblichen Störung der sozialen und persönlichen Entwicklung der Gefangenen im Mittelpunkt, die die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Sozialtherapie zum Erreichen des Erziehungsziels angezeigt erscheinen lassen. Entscheidend ist auch hier die sorgfältige Prüfung, welcher individuelle Behandlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen zum Erreichen des Erziehungsziels sachgerecht sind. Dies kann beispielsweise auch die im Jugendstrafvollzug bedeutende und ebenso behandlungsbedürftige Gruppe der "jugendlichen Intensivtäter" betreffen, die meistens schon vor Strafmündigkeit mit diversen Delikten, zumeist Eigentumsdelikten, aufgefallen sind und bei denen oft eine erhebliche Störung der sozialen und persönlichen Entwicklung vorhanden ist.

Von einer Zustimmung der Gefangenen wird die Unterbringung in der Sozialtherapie nicht abhängig gemacht. Die Gefangenen würden eine solche Entscheidung im Vorwege vielfach nicht verantwortlich treffen können, da sie die Voraussetzungen und Konsequenzen nicht übersehen. Mithin ist selbstverständlich ihre Bereitschaft zur Mitarbeit zu wecken und zu fördern (vgl. auch § 4), die Entscheidung aber trifft die Anstalt. Die Gefangenen selbst werden häufig erst nach einer gewissen Zeit in der Sozialtherapie beurteilen können, was die dortige Unterbringung für sie bedeutet.

Abs. 2 schreibt Ausgleichsmaßnahmen fest, wenn aus Gründen, die nicht in der Person der Gefangenen liegen, eine Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung des Jugendstrafvollzugs nicht in Betracht kommt.

Hierunter fallen insbesondere die Fälle, in denen wegen der geringen Anzahl von Gefangenen, bei denen eine sozialtherapeutische Behandlung in Betracht kommt, die Einrichtung einer eigenen sozialtherapeutischen Abteilung unverhältnismäßig erscheint. In diesen Fällen ist die therapeutische Behandlung der Gefangenen durch die Anstalt anderweitig sicherzustellen.

Zu § 13:

Die Vorschrift stellt die Maßnahmen nach §§ 10, 11 und 13 StVollzG auf eine völlig neue begriffliche Grundlage und passt deren Voraussetzungen den Zielen des Jugendstrafvollzugs an. Im Erwachsenenvollzug ist der Unterbringung im offenen Vollzug (§ 10 StVollzG), den Vollzugslockerungen (§ 11 StVollzG) und dem Urlaub (§ 13 StVollzG) gemeinsam, dass es sich um wichtige Behandlungsmaßnahmen handelt (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG, § 10 Rdnr. 1; Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 10 Rdnr. 2).

Dies legt die Möglichkeit nahe, alle diese Maßnahmen auch nach im Wesentlichen einheitlichen Kriterien zu gewähren und sie zur Straffung und besseren Verständlichkeit in einer zusammengefassten Vorschrift zu normieren. Die Vorschrift verwendet für diese Maßnahmen im Jugendstrafvollzug den Oberbegriff der "vollzugsöffnenden Maßnahmen". Die Begrifflichkeiten des StVollzG, insbesondere der Begriff der Vollzugslockerungen und des Urlaubs sowie die Differenzierung zwischen Vollzugslockerung und Urlaub gaben in der Vergangenheit, insbesondere in der öffentlichen Wahrne hmung, häufig zu Missverständnissen Anlass. Es wurde daher ein einheitlicher Oberbegriff gewählt, der auch den leichteren sprachlichen Umgang mit diesen Maßnahmen ermöglicht. Der Begriff des "Urlaubs" wird künftig durch "Freistellung aus der Haft" ersetzt, da die bisherige Begrifflichkeit unzutreffender Weise die Interpretation nahe legt, es handele sich um Erholungsurlaub.

Diesen Gedanken trägt § 13 Rechnung.

Die Bedeutung der vollzugsöffnenden Maßnahmen im Jugendstrafvollzug steht der im Erwachsenenvollzug nicht nach. Die Maßnahmen dienen der Wiedereingliederung der Gefangenen und sollen schädliche n Folgen des Freiheitsentzugs entgegenwirken (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG, § 10

Rdnr. 1). Unter anderem können sie geeignete Mittel sein, um Sozialkontakte aufrecht zu erhalten. Gerade im Jugendvollzug können vollzugsöffnende Maßnahmen jedoch nicht als Selbstzweck gewährt werden. Sie sind vielmehr in jedem Fall am Erziehungsziel zu orientieren.

Abs. 1 bestimmt zunächst den geschlossenen Vollzug - in Übereinstimmung mit der tatsächlichen vollzuglichen Praxis - als Regelvollzug. Im geschlossenen Vollzug bestehen bessere Möglichkeiten, den weitgehenden erzieherischen Ansatz dieses Gesetzes umzusetzen und auf die Gefangenen einzuwirken, wenn zunächst kein unmittelbarer Kontakt zu ihren bisherigen Lebensumständen, die in vielen Fällen Teil der aufzuarbeitenden Problematik der Gefangenen sind, besteht. Im Hinblick auf die differenzierten Sanktionsmöglichkeiten des JGG, die ebenso vielfältigen Möglichkeiten der Jugendhilfe und die "ultima-ratio"-Funktion der Jugendstrafe, haben zu Jugendstrafe Verurteilte zudem häufig schon eine Anzahl ambulanter und anderer Maßnahmen absolviert, ohne dass dadurch eine Änderung ihres Verhaltens in Richtung des Erziehungsziels hätte erreicht werden können. Von begründeten Ausnahmefällen abgesehen wäre es daher verfehlt, für diese Gefangenen sofort den offenen Vollzug als Regelvollzug vorzusehen. Vielmehr müssen die Anstalten in der Regel zumindest die Möglichkeit erhalten, die Stärken und Defizite der Gefangen zu ermitteln (§ 9), um auf deren Grundlage eine zielführende Förderplanung zu erstellen (§ 10), deren Gegenstand dann auch die Prüfung vollzugsöffnender Maßnahmen ist (§ 10 Abs. 4 Nr. 8).

Unter unmittelbarer Beachtung von § 2 Abs. 1 bestimmt Abs. 2 Satz 1, dass jedoch regelmäßig zu prüfen ist, ob durch vollzugsöffnende Maßnahmen das Erziehungsziel nicht besser erreicht werden kann. Eine solche regelmäßige Prüfung erfolgt ohnehin im Rahmen der Fortschreibung des Förderplans nach § 10 Abs. 3.

Nach Abs. 2 Satz 2 können solche Maßnahmen gewährt werden, wenn die Gefangenen dafür geeignet sind, namentlich ihre Persönlichkeit ausreichend gefestigt ist und eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht zu befürchten ist.

Bei der somit durchzuführenden Prüfung der Eignung sind die Kriterien entsprechend heran zu ziehen, die von der Rechtsprechung zu § 10 Abs. 1 StVollzG entwickelt wurden. Es handelt sich um die Bereitschaft und Fähigkeit zur Mitarbeit, zur Einordnung in die Gemeinschaft und zu korrekter Führung unter gegebenenfalls geringerer Aufsicht. Hinzukommen muss ein ausreichendes Maß an Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein der Gefangenen (vgl. zum Ganzen Arloth/Lückemann, StVollzG, § 10 Rdnr. 8; Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 10 Rdnr. 6 und § 4 Rdnr. 9; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, Rdnr. 6). Das Kriterium, ob die Gefange nen ihren Mitwirkungspflichten (§ 4) nachkommen, ist daher bereits bei der Prüfung, ob die Gefangenen geeignet sind und ihre Persönlichkeit ausreichend gefestigt erscheint, zu berücksichtigen. Insoweit wurde von einer entsprechenden Regelung wie in Nr. 6 Abs. 10 und Nr. 8 Abs. 9 VVJug abgesehen, da es sich nur um eine Klarstellung gehandelt hätte. Der Begriff "jeweilig" bringt zum Ausdruck, dass für unterschiedliche vollzugsöffnende Maßnahmen unterschiedliche Anforderungen vorliegen können. Gefangene, die einen wenige Stunden dauernden Ausgang bewältigt haben, müssen deswegen nicht für den Freigang geeignet sein. In jedem Fall ist die Anstalt zu einer sorgfältigen Prüfung verpflichtet.

Für die Beurteilung der Flucht- und Missbrauchsgefahr gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze wie im Erwachsenenvollzug. Abweichend davon wurde bestimmt, dass der Missbrauch nicht unbedingt in einer Straftat bestehen muss. Zu beachten ist aber, dass der zu befürchtende Missbrauch zumindest von gleichem Gewicht zu sein hat. So würde es beispielsweise schon dem Erziehungsziel widersprechen, einen Gefangenen mit einem Alkoholproblem Freistellung aus der Haft (§ 13 Abs. 3 Nr. 5) zu gewähren, wenn erkennbar ist, dass dieser einen erheblichen Rückfall durch Alkoholmissbrauch erleiden wird.

Bereits nach § 2 Abs. 2 Satz 3 ist der Schutz der Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen. Diese Vorschrift regelt auch die Berücksichtigung der Belange des Opferschutzes. Auf die Ausführungen zu § 2 Abs. 2 sei an dieser Stelle verwiesen.

Den Gefangenen steht kein Rechtsanspruch auf Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen zu, sondern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Abs. 3 enthält einen nicht abschließenden Katalog der in Betracht kommenden Maßnahmen, die sich grundsätzlich an dem orientieren, was auch §§ 10, 11 und 13 StVollzG und § 91 Abs. 3 JGG vorsehen. Neu aufgenommen wurde eine Legaldefintion des in der Praxis bedeutsamen Ausgangs in Begleitung (Abs. 3 Nr. 4). Nummer 1 sieht darüber hinaus die Unterbringung in besonderen Erziehungseinrichtungen oder in Übergangseinrichtungen freier Träger vor. Damit wird die schon bisher nach § 91 Abs. 3 JGG gegebene Möglichkeit, den Vollzug in geeigneten Fällen weitgehend in freien Formen durchzuführen, als vollzugsöffnende Maßnahme ausgestaltet. Die Bestimmung sieht die Anhörung des Vollstreckungsleiters vor (Abs. 5 Satz 2), da die Unterbringung über einen längeren Zeitraum erfolgt und eine Abstimmung bezüglich der Entlassungsplanung anzustreben ist. Über die Zulassung der Einrichtungen entscheidet die Aufsichtsbehörde (Abs. 5 Satz 1).

Das Freistellungskontingent wurde im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Sozialkontakte im Jugendstrafvollzug auf 24 Tage (nach § 13 StVollzG nur 21 Tage) erweitert. Die Freistellung aus der Haft nach § 13 Abs. 3 Nr. 5 ist nicht zu verwechseln mit der Entlassungsfreistellung nach § 16 Abs. 3 und der Freistellung von der Beschäftigung nach §§ 27 Abs. 8 und 38 Abs. 1.

Die auch zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen zählende Entlassungsfreistellung nach § 16 Abs. 3 wurde im Hinblick auf ihre Zuordnung zur unmittelbaren Phase vor der Entlassung auch bei der Entlassungsvorbereitung geregelt.

Abs. 4 enthält die Klarstellung, dass vollzugsöffnende Maßnahmen die Vollstreckung nicht unterbrechen.

Zu § 14:

Gerade im Jugendstrafvollzug bedarf es der Möglichkeit für die Anstalt, auf die Zeiträume der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen durch Weisungen nach Abs. 1 gestaltenden Einfluss zu nehmen.