Landesverordnung für den Betrieb von Drogenkonsumräumen

Die Staatsregierung wird aufgefordert, von der Ermächtigungsklausel in § 10a Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes Gebrauch zu machen und eine Landesverordnung für den Betrieb von Drogenkonsumräumen nach dem Vorbild der Freien und Hansestadt Hamburg in folgendem Wortlaut in Kraft zu setzen: Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen vom...

Auf Grund von § 10a Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung vom 1. März 1994 (BGBl I S. 359), zuletzt geändert durch Art. 1 und 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2009 (BGBl I S. 3944), wird verordnet:

§ 1:

Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums im Sinne von § 10a Abs. 1 Satz 1 2

Die zuständige Behörde (Erlaubnisbehörde) erteilt die Erlaubnis auf Antrag beim Vorliegen der in den §§ 2 bis 12 genannten Voraussetzungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Erlaubnis nach Satz 2 ersetzt nicht etwaig erforderliche bauordnungsrechtliche, sanierungsrechtliche oder sonstige öffentlichrechtliche Genehmigungen.

§ 2:

Zweckbestimmung

Der Drogenkonsumraum muss innerhalb einer mit öffentlichen Mitteln geförderten ambulanten Drogenhilfeeinrichtung betrieben werden.

Der Betrieb muss darauf gerichtet sein, einen helfenden und beratenden Kontakt insbesondere mit solchen Personen aufzunehmen, die für Drogenhilfemaßnahmen nur schwer erreichbar sind und dementsprechend ohne verbindliche therapeutische oder sozialpädagogische Eingangsbedingungen erreicht werden sollen, um die Möglichkeit zu schaffen, sie in weiterführende und ausstiegsorientierte Angebote der Beratung und Therapie zu vermitteln.

§ 3:

Benennung der verantwortlichen Person

Die Betreiberin oder der Betreiber des Drogenkonsumraums hat spätestens mit dem Antrag eine sachkundige Person zu benennen, die für die Einhaltung der in den §§ 4 bis 12 genannten Anforderungen, der Auflagen der Erlaubnisbehörde sowie der Anordnungen der Überwachungsbehörde (§ 19 Abs. 1 Satz 4 verantwortlich ist (Verantwortliche oder Verantwortlicher) und die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen kann.

§ 4:

Ausstattung

Der Drogenkonsumraum muss räumlich von der übrigen Einrichtung abgegrenzt sein.

Er muss die hygienischen Voraussetzungen zur Drogenapplikation für einen ständig wechselnden Personenkreis bieten, insbesondere müssen sämtliche Flächen aus glatten, abwaschbaren und desinfizierbaren Materialien bestehen.

Es muss gewährleistet sein, dass

1. ausreichend sterile Einmalspritzen, Tupfer, Ascorbinsäure, Injektionszubehör, Desinfektionsmittel sowie durchstichsichere Entsorgungsbehälter bereitgestellt werden,

2. der Raum ständig hinreichend belüftet und 2. beleuchtet wird und

3. der Raum ständig in sauberem Zustand gehalten sowie regelmäßig desinfiziert wird.

§ 5:

Notfallversorgung

Während des Betriebs des Drogenkonsumraums ist eine ständige Sichtkontrolle der Applikationsvorgänge durch in der Notfallversorgung geschultes Personal so sicherzustellen, dass im Notfall sofortige Beatmungs- und Reanimationsmaßnahmen und eine akute Wundversorgung möglich sind.

Es sind ständig technische Notfall-Vorrichtungen im Drogenkonsumraum bereitzuhalten.

Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass der Zugang zu diesem Raum für externe Rettungsdienste schnell und problemlos zu erreichen ist.

Die Einzelheiten der Notfallversorgung sind in einem Notfallplan festzuhalten, der dem Personal zur Verfügung stehen muss, ständig zu aktualisieren ist und der jederzeit umgesetzt werden kann.

Der Plan ist auf Verlangen der Überwachungsbehörde vorzulegen. 6

Die oder der Verantwortliche unterliegt bei der Sicherstellung der Notfallversorgung einer gesteigerten Sorgfaltspflicht.

§ 6:

Medizinische Beratung und Hilfe

Den Benutzerinnen und Benutzern des Drogenkonsumraums ist in allen applikationsrelevanten Fragen medizinische Beratung und Hilfe zu gewähren.

Hierzu zählen insbesondere infektiologische Aspekte sowie der Risikozusammenhang zwischen der körperlichen Konstitution der Konsumentin oder des Konsumenten und der Toxizität der von ihr oder ihm vorbereiteten Betäubungsmitteldosis.

Medizinische Beratung und Hilfe erfordern kein ärztliches Handeln, bedürfen aber eines nachweislich medizinisch geschulten Personals.

§ 7:

Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten

Es muss sichergestellt sein, dass über eine suchtspezifische Erstberatung hinaus auch weiterführende und ausstiegsorientierte Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen aufgezeigt, initiiert und bei Bedarf veranlasst werden.

Personen, die einen Entgiftungswunsch äußern, ist Hilfestellung beim Kontakt zu geeigneten Einrichtungen zu leisten.

Beratungs- oder Hilfeangebote, die nicht einrichtungsintern realisiert werden können, sind den Benutzerinnen und Benutzern des Drogenkonsumraums zugänglich zu machen.

Die Wahrnehmung solcher Angebote ist durch Zusammenarbeit mit geeigneten anderen Einrichtungen zu fördern.

§ 8:

Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz

Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, abgesehen vom Besitz von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 zum Eigenverbrauch in geringer Menge, dürfen innerhalb der Einrichtung nicht geduldet werden.

Darauf ist durch einen Aushang hinzuweisen.

Sofern erforderlich, hat das Personal die Benutzerinnen und Benutzer des Drogenkonsumraums auf die Verpflichtung nach Satz 1 anzusprechen und sie durchzusetzen.

Durch Anweisung und Schulung des Personals ist dafür Vorsorge zu treffen, dass bei einer vom Personal erkannten Vorbereitung oder Begehung von Straftaten im Sinne von Satz 1 die betreffende Handlung unverzüglich unterbunden wird.

§ 9:

Verhinderung von Straftaten im Umfeld der Einrichtung

Die oder der Verantwortliche hat wöchentlich in einem Kurzprotokoll die durch den Drogenkonsumraum bedingten Auswirkungen auf das unmittelbare Umfeld der Einrichtung und aktuelle Vorkommnisse zu dokumentieren.

Eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeidienststellen ist insbesondere erforderlich, wenn vorangegangene Beeinträchtigungen Dritter oder Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im unmittelbaren Umfeld des Drogenkonsumraums die Begehung von Straftaten erwarten lassen und Maßnahmen der Einrichtung geeignet wären, bei deren Benutzerinnen oder Benutzern oder bei auftretenden Szenebildungen im unmittelbaren Umfeld des Drogenkonsumraums eine Verhaltensänderung zu bewirken.

Über die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit solcher Maßnahmen hat sich die oder der Verantwortliche mit den zuständigen Polizeidienststellen ins Benehmen zu setzen, zu denen sie oder er unabhängig davon regelmäßigen Kontakt zu halten hat.

§ 10:

Kreis der berechtigten Benutzerinnen und Benutzer

Die Benutzung des Drogenkonsumraums darf grundsätzlich nur volljährigen Personen angeboten werden.

Die Benutzerinnen oder Benutzer müssen aufgrund bestehender Betäubungsmittelabhängigkeit einen Konsumentschluss gefasst haben und über Konsumerfahrungen verfügen.

Bei reife- oder krankheitsbedingten Zweifeln an der Einsichtsfähigkeit einer Person in die durch die Applikation erfolgende Gesundheitsschädigung ist die Person von der Benutzung des Drogenkonsumraums auszuschließen.

Bei Minderjährigen, die Einlass in den Drogenkonsumraum begehren, hat das Personal vorab durch direkte Ansprache zu klären, ob ein individuell gefestigter Konsumentschluss und eine Einsichtsfähigkeit im Sinne von Satz 3 vorliegen.

Alkoholisierten oder intoxikierten Personen, bei denen die Nutzung des Drogenkonsumraums ein erhöhtes Gesundheitsrisiko verursachen könnte, ist der Zugang zu verweigern.

Die Einrichtung hat sich allgemeiner Werbung für ihren Drogenkonsumraum zu enthalten und darf ausschließlich zielgruppenspezifische Informationen erteilen.

Das Personal ist anzuhalten, dass offenkundige Erst- und Gelegenheitskonsumenten am Zugang zum Drogenkonsumraum gehindert und durch direkte Ansprache an ein anderweitiges Beratungs- oder Hilfeangebot herangeführt werden.

Der Konsum von Betäubungsmitteln im Drogenkonsumraum kann Opiate, Kokain, Amphetamin oder deren Derivate betreffen und intravenös, oral, nasal oder inhalativ erfolgen.

Das Konzept der Betreiberin oder des Betreibers muss festlegen, für welche der in Satz 1 genannten Betäubungsmittel und Konsumformen der Drogenkonsumraum vorgesehen ist.

Daraus muss sich zudem ergeben, ob Substanzanalysen im Sinne von § 10a Abs. 4 in einer hierzu betäubungsmittelrechtlich befugten Stelle veranlasst werden sollen.

§ 11:

Dokumentation und Evaluation

Neben den im Rahmen der Gewährung öffentlicher Mittel verbindlich durchgeführten Dokumentations- und Evaluationsverfahren muss eine ständige Dokumentation des Einrichtungsbetriebs erfolgen.

Hierzu sind Tagesprotokolle zu fertigen, aus denen sich Ablauf und Umfang der Kontakte von Benutzerinnen und Benutzern, das eingesetzte Personal und besondere Vorkommnisse ersehen lassen.

Diese Protokolle sind monatlich intern auszuwerten.

§ 12:

Anwesenheitspflicht von persönlich zuverlässigem und fachlich ausgebildetem Personal

Während der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums muss persönlich zuverlässiges und für die Erfüllung der in den §§ 4 bis 10 genannten Anforderungen fachlich ausgebildetes Personal in ausreichender Zahl anwesend sein.

§ 13:

Erlaubnisverfahren

Für das Erlaubnisverfahren gelten gemäß § 10 a Abs. 3 § 7 Sätze 1 und 2 Nrn. 1 bis 4 und 8, § 8, § 9 Abs. 2 und § 10 entsprechend.

Danach sind bei der Antragstellung (§ 7 Sätze 1 und 2 Nrn. 1 bis 4 und 8 insbesondere Angaben und Unterlagen beizufügen, aus denen sich die Einhaltung der in den §§ 2 bis 12 genannten Anforderungen ergibt.

Näheres kann die Erlaubnisbehörde durch Verwaltungsvorschriften regeln

Begründung:

Die Zahl der Drogentoten ist in Bayern seit Jahren unverändert hoch. Seit 2000 besteht mit der Änderung des die rechtliche Möglichkeit für die Bundesländer, Drogenkonsumräume zu genehmigen. Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein Westfalen und das Saarland haben von der Vorschrift bereits Gebrauch gemacht. Als bundeseinheitliche Rahmenvorschrift gibt §10a Abs. 2 zehn Mindeststandards für deren Betrieb vor.

Die überaus positiven Erfahrungen der anderen Bundesländer haben gezeigt, dass sich mit der Einrichtung solcher Räume die Sterberate sowie die Infektionsrate für Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis C bei Drogenabhängigen signifikant senken ließ.

Außerdem ermöglichen sie einen Zugang zu den Betroffenen, vor allem auch hinsichtlich psychosozialer Hilfe und Therapienangeboten. Daneben liegen in Bayern bereits seit einigen Jahren Beschlüsse der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Kontaktläden wie auch des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes als Dachverband zahlreicher Drogenhilfeeinrichtungen vor, nach denen es auch im Freistaat angezeigt ist, die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen zu schaffen.