Verwaltungsratssitzung

Das Mitglied des Verwaltungsrats muss dagegen darlegen und beweisen, dass die Zustimmung zum Kauf der HGAA bzw. sein sonstiges Handeln oder Unterlassen nicht pflichtwidrig war und er nicht schuldhaft gehandelt hat. Die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 116 gilt hier entsprechend1206.

C. Bewertung einzelner Personen und der Eigentümerseite

1. Die Staatsseite

Der Freistaat Bayern stimmte als 50-prozentiger Eigentümer der der größten Transaktion der Geschichte dieser Bank in einem rein formalen Akt zu. Das Kabinett nahm den Erwerb der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) lediglich zur Kenntnis, obwohl es sich dabei um ein Prestigeprojekt des damaligen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber handelte und der Kauf auch erhebliche Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben konnte, die sich dann in der Folge auch leider eingestellt haben. Die Staatsregierung unternahm nichts im Hinblick auf die mangelhafte Organisation des sogenannten Back Office, das die Minister bei ihrer Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglieder sachkundig unterstützen sollte. Genauso wenig unterband sie parteipolitische Ratschläge des Back Office in den einzelnen Ministerien.

Das Kabinett nahm am Tag der Unterzeichnung der Kaufverträge am 22. Mai 2007 den Erwerb lediglich auf Grundlage eines schriftlichen Berichts des damaligen Finanzministers Prof. Dr. Kurt Faltlhauser zur Kenntnis. Prof. Dr. Faltlhauser, der der Unterzeichnung in Klagenfurt beiwohnte, stand damit für etwaige Rückfragen nicht zur Verfügung. Der Freistaat hatte die gesetzlich erforderliche Zustimmung zu diesem Zeitpunkt allerdings schon erteilt. Ministerialdirigent Paul Bodensteiner erklärte im Untersuchungsausschuss, dass der Zustimmung ein Automatismus zugrunde lag: Aber es war eine Praxis, die ja in der Satzung festgeschrieben ist, das Zustimmungserfordernis. Später kams ins Gesetz, 2002.

Das war seit 38 Jahren, war das eine Regelung, die muss eigentlich allen bekannt gewesen sein.1207 Der Landtag wurde mit dem Erwerb nicht befasst.

Bodensteiner unterzeichnete am 10. Mai 2007 die gesetzlich erforderliche Zustimmung des Freistaats1208, bei der es sich um rein formale[n] Akt ohne weitere Prüfung1209 handelte.

Er sitzt bis heute im Verwaltungsrat der wusste aber selbst Ende 2010 noch nicht, was die Bank wirklich gekostet hat1205. Hier offenbart sich ein Desinteresse an den finanziellen Schäden der bayerischen Bürger, das das seiner Kollegen aus dem Verwaltungsrat noch übersteigt.

e. Kausalität aa. weitere Verwaltungsratssitzung

Insbesondere Dr. Naser hat eingewandt, eine weitere Verwaltungsratssitzung hätte nichts gebracht, da die Vorstände die Verwaltungsräte genauso im Unklaren gelassen hätten, wie Werner Schmidt dies mit den Sparkassenvertretern am 21.05.2007 getan hat.

Dem ist in mehrerlei Hinsicht zu begegnen:

Zum einen gilt auch hier das Zurechnungsargument: Wer zulässt, dass sich die zu kontrollierenden Vorstände selbst kontrollieren, muss sich auch arglistiges Verschweigen zurechnen lassen.

Darüber hinaus hätten die Verwaltungsräte die Verpflichtung gehabt, Nachfragen zu stellen. Dass der Vorstand diese Fragen wahrheitswidrig beantwortet hätte, ist eine unbewiesene Spekulation. Aus einem bloßen Verschweigen den Schluss zu ziehen, der Vorstand hätte auch auf Fragen bewusst falsch geantwortet, ist nicht zulässig.

Schließlich hätten die Verwaltungsräte die Pflicht gehabt, sich im Rahmen einer neuen Sitzung entweder den vorläufigen Bericht der Due-Diligence-Phase 2 durchzulesen oder die Vertreter von Rothschild in der Verwaltungsratssitzung zu hören. Spätestens durch diese Maßnahme wären etwaige Unwahrheiten aufgeflogen.

bb. Hinweise der Wirtschaftsprüferin Corinna Linner Inwieweit eine zeitnahe Verfolgung der Hinweise der Wirtschaftsprüferin Corinna Linner im Juli 2009 noch zu einer Reduzierung des Schadens für die Bank geführt hätte, ist offen. Zumindest wäre aber eine frühere Verfolgung der Schadensersatzansprüche der Bank gegen die beim Kauf der HGAA beteiligten Verwaltungsräte möglich gewesen.

f. Beweislast

Die Vertreter des Freistaats haben es allerdings nicht nur versäumt, die entsprechenden Abteilungen intern zu organisieren. Trotz permanent wiederkehrender Beschwerden aus dem Back Office1212 haben die Verwaltungsratsmitglieder nicht veranlasst, dass der Vorstand die Arbeit mit umfangreichen Tischvorlagen einstellt und kurzfristige Änderungen der Tagesordnungen unterlässt. Hätten die Vertreter der Staatsregierung diese Mängel abgestellt, wäre Ihr Back Office in der Lage gewesen, ihre Tätigkeit im Verwaltungsrat mit Fachwissen zu unterstützen. Insbesondere wäre es für den Vorstand der nicht möglich gewesen, eine milliardenschwere Investition wie den Erwerb der HGAA auf der Tagesordnung der Verwaltungsratsitzung vom 20. März 2007 unter Verschiedenes bzw. am 20. April 2007 unter Aktuelles zu verstecken. Tatsächlich haben sich die Vertreter des Freistaats im Verwaltungsrat von Vorstand und Vorstandstab der das Heft aus der Hand nehmen lassen.

Vor diesem Hintergrund ist erstaunlich, in welchem Ausmaß die Vertreter des Freistaats sich auf ihre Mitarbeiter und die vorbereitenden Vermerke verlassen haben. Das angeblich ausgeklügelte Ampelsystem des Innenministeriums wurde weder für die Sitzung am 20. April 2007 noch für den Umlaufbeschluss am 23. April 2007 angewandt. Eine typische Aussage für die Haltung der Verwaltungsratsmitglieder tätigte Dr. Beckstein: Ich habe Mitarbeiter, deren Hauptaufgabe es ist, diese Fragen vollständig zu klären, die die Weisung haben, irgendwelche Besonderheiten mir vorzutragen.

Da ist nichts gekommen, sodass ich mich darauf verlassen habe und verlassen konnte, dass die Frage normal den Weg geht, sage ich mal. Tatsächlich haben Dr. Beckstein und seine Kollegen im Verwaltungsrat nie Unterlagen angefordert, die im Ministerium hätten analysiert werden können.

Auffallend ist außerdem, dass nicht sichergestellt war, dass die zuständigen Referatsleiter und Sachbearbeiter kontinuierlich mit der HGAA befasst waren1214. Direkte Rückfragen der Verwaltungsratsmitglieder waren nach Angaben der Beamten unüblich. Auf die oberflächlichen Vermerke für den Umlaufbeschluss vom 23. April 2007, die Anlass zu Fragen gegeben hätten, gab es im Wirtschafts- und Innenministerium jedenfalls keine1215.

Die Staatsregierung beseitigte den Interessenkonflikt zwischen Verwaltungsratmitgliedern und jenen Vertretern des Freistaats nicht, die im Verwaltungsrat die Rechtsaufsicht ausübten. Vielmehr bekamen letztere regelmäßig auch die Vermerke aus dem Back Office, auf deren Grundlage betriebswirtschaftliche Entscheidungen getroffen wurden. Der damalige Leiter des Referat 51 im Finanzministerium Dr. Tobias Haumer erklärte dazu: Das ist im Landesbankgesetz so angelegt. Es gibt den Verwaltungsrat mit Mandatsträgern.

Das Kabinett hat nicht verhindert, dass der Freistaat dem milliardenschweren Erwerb automatisch zustimmt, obwohl weder der noch der Prüfbericht der Oesterreichischen oder der Kaufvertrag vorlagen. Es war damit Teil eines Systems der organisierten Unverantwortlichkeit: Die Staatsregierung hat sich auf den Verwaltungsrat verlassen, der Verwaltungsrat auf den Vorstand, der Vorstand darauf, dass schon alles gut gehen wird. Wie unverantwortlich dieses Vorgehen der damaligen Staatsregierung ist, zeigt der Vergleich mit dem Verfahren bei der Abgabe der HGAA: erst da wurde das Kabinett befasst und der Ministerpräsident hat sich persönlich in die Verhandlungen eingeschaltet und das letzte Wort gesprochen.

Die Staatsregierung beseitigte auch nicht die Mängel in den Kommunikationsabläufen zwischen Verwaltungsratsmitgliedern, ihren Stellvertretern sowie dem Back Office.

Es war grundsätzlich nicht gewährleistet, dass die Stellvertreter für verhinderte Minister und Staatssekretäre an Verwaltungsratssitzungen teilnehmen1211. Der Extremfall ist das Wirtschaftsministerium, das zum damaligen Zeitpunkt nicht auf Beamtenebene im Verwaltungsrat präsent war, also überhaupt nicht vertreten war, wenn der Minister oder sein Stellvertreter auf eine Teilnahme verzichteten. Darüber hinaus wurde auch nicht dafür Sorge getragen, dass Mitglieder und Stellvertreter auf den gleichen Kenntnisstand gebracht werden. Auch hier ist wieder das Wirtschaftsministerium der Extremfall: Denn hier konnte nicht einmal eine formelle Informationsweitergabe erfolgen, wenn die Tischvorlagen wieder eingesammelt, die Protokolle der Sitzungen aber häufig erst zum übernächsten Termin versandt wurden.

Auch an dieser Stelle zeigt sich, wie segensreich ein Untersuchungsausschuss wirken kann, denn in der Folge hat das Wirtschaftsministerium seine Praxis geändert. Im Vermerk IV/6 vom 23. November 2009 heißt es: Die Oppositionsfraktionen werden in Kürze die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beantragen, in dem die Vorgänge beim Erwerb der Beteiligung an der Hypo Group Alpe Adria im Jahr 2007 geprüft werden sollen. Empfehlung: Im Hinblick auf eine voll umfassende Bewertung der weiteren Entwicklung und Problemstellungen der erscheint die regelmäßige Teilnahme eines Vertreters der Abteilung IV an den Sitzungen des Verwaltungsrats empfehlenswert. Vor diesem Hintergrund erscheint die Teilnahme des offiziellen Vertreters des für die vollständige Dauer der Sitzung erforderlich. Sollte Herrn Staatsminister die Teilnahme zeitlich nicht in vollem Umfang möglich sein, könnte Frau Staatssekretärin oder Herr Ministerialdirektor die Vertretung übernehmen. Es unterstützte die Entscheidungsträger dabei, die Aufklärung des Milliardendebakels HGAA zu erschweren.

Der Freistaat muss zukünftig zwingend dafür sorgen, dass seine Mitglieder bei Sitzungen des Verwaltungsrates anwesend sind bzw. durch Stellvertreter vertreten werden.

2. Die Sparkassenseite

Im Jahr 2007, zum Zeitpunkt des Erwerbes der Beteiligung an der HGAA, hielten die Bayerischen Sparkassen über den Bayerischen Sparkassenverband noch 50 Prozent an der Im Januar des Jahres 2010 betrug der Anteil der Sparkassen gerade noch 5,97%. 10 Milliarden Euro an Kapitalstützungsmaßnahmen durch den Freistaat Bayern waren aufgrund von Missmanagement des Vorstandes und nicht ausgeübter Kontrollfunktion des Verwaltungsrates zur Rettung der notwendig.

Millionenschwere Abschreibungen und Wertberichtigungen bei den Sparkassen und die Abgabe eines Großteils ihrer Beteiligung an der waren die Folge.

Ein gewichtiger Teil des resultierte aus dem Fehlinvestment in die HGAA, das sich insgesamt auf 3,75 Milliarden Euro summierte.

Am 21.05.2007 stellten die Werner Schmidt und Theo Harnischmacher den Gremien der Sparkassenorganisation, bestehend aus dem Sparkassenverbandsvorstand, dem Kommunalen Beirat, dem Fachbeirat und dem Arbeitskreis Beteiligungen, im Rahmen einer gemeinsamen Informationsveranstaltung die Rahmenbedingungen des Einstiegs bei der HGAA vor. Im Anschluss daran fand eine Sitzung des Sparkassenverbandsvorstandes statt, der die Genehmigung an diesem Tag sofort erteilte. Nach Ziffer 4 Satz 2 der war die Zustimmung des Anteilseigners Sparkassenverband notwendig zum Erwerb des HGAA-Anteils. Beide Sitzungen dienten der Vorbereitung und der Zustimmung zu dieser Entscheidung.

Vonseiten des Verwaltungsrates der nahmen Dr. Naser, Kamprath, Christmann und Hagl teil. Das spätere Verwaltungsratsmitglied Schiminski (ab 01.05.2009), Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bayreuth, nahm an der Sitzung als Obmann der Oberfränkischen Sparkassen teil.

Der Titel der von Werner Schmidt vorgetragenen Präsentation lautete Gremiensitzung des SVB ­ Informationen zum Erwerb von 50,22% an der Hypo Alpe-Adria Group. Bei den darin präsentierten Vorlagen handelte es sich allerdings um eher aussageschwache Informationen aus der Verwaltungsratspräsentation vom 20.04.2007.

Eine der elementaren Aussagen bei diesen Veranstaltungen, die auch protokolliert ist, war die von Werner Schmidt bezüg1225Protokoll der Sitzung 21.05.2007, Bd. 137. immer messerscharf trennen. Es sind dann im Endeffekt auch verschiedene Bereiche umzusetzen1216. Tatsächlich gibt es keine Anzeichen dafür, dass in der Praxis überhaupt auf die Abgrenzung von Kompetenzen Wert gelegt wurde.

Die Staatsregierung erlaubte, dass Referate, die mit der HGAA befasst waren, sachfremde politische Einschätzungen vornahmen. Aus den Akten geht hervor, dass die Informationspolitik gegenüber dem Landtag restriktiv war. In einem Vermerk vom 27. November 2009 des Referats IV/6 wird festgestellt, dass eine Fortsetzung der als restriktiv bzw. selektiv bewerteten Informationspolitik [...] angesichts der klaren Positionierung aller Fraktionen des Bayerischen Landtags nicht zielführend sein [dürfte]1217. In einem Vermerk vom 19. Januar 20091218 wird Staatsminister Zeil sogar geraten, keine Aussagen im Verwaltungsrat zu tätigen, damit diese nicht protokolliert werden. Zweck dieses Vermerks ist es, Untersuchungsausschüssen kein belastendes Beweismaterial zu überlassen.

Offen parteipolitisch motiviert ist der Vermerk des Referats 511219, in dem Minister Fahrenschon geraten wird, Kaufinteressenten Ashmore abzuwimmeln, weil diese in einem Steuerparadies ansässige Investmentgesellschaft zu einer Bürde im Wahlkampf werden könne.

Das Referat 51 behinderte auch die Untersuchung der Sonderbeauftragten Corinna Linner. So beschäftigt sich eine Sachbearbeiterin in einer E-Mail vom 10. Juni 2009 damit, wie Linners kritischer Bericht über den HGAA-Erwerb in der Sitzung vom 21. Juli 2009 entschärft werden kann1220.

Sie empfiehlt, Linner nicht zu erlauben, neutrale Mitarbeiter zu ihrer Unterstützung heranzuziehen1221. Referatsleiter Dr. Haumer bestätigte im Untersuchungsausschuss auch die Existenz eines Treffens im Vorfeld der entscheidenden Sitzung, bei dem Prof. Dr. Faltlhauser anwesend war1222. Darüber hinaus habe es eine Vielzahl von Besprechungen im Vorfeld der Sitzung gegeben. Einen entsprechenden Versuch des Innenministeriums, Linner von der Untersuchung der Pflichtverletzungen beim Erwerb der HGAA abzuhalten, belegt auch der Vermerk der Abteilung IB 21223. Es wird empfohlen, Linner zu verdeutlichen, dass die Suche nach Schuldigen nicht zu ihrem Auftrag gehört: Ziel der Bestellung war nicht eine Aufarbeitung der Vergangenheit im Sinne einer Suche nach Schuldigen...U.E. sollte daher der Sonderbeauftragten nochmals ihre eigentliche Aufgabenstellung verdeutlicht werden1224. Schön wäre gewesen, wenn es bei der Kaufentscheidung so intensive Sitzungstätigkeit gegeben hätte.