Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen und anderer Rechtsvorschriften A) Problem

Im Zuge der Aufarbeitung bekannt gewordener Fälle von Gewalttaten und sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Schulen und Schülerheimen hat der Ministerrat mit Beschluss vom 16. März 2010 ressortübergreifend ein Forum zur Aufarbeitung der Gewalt- und Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen in Bayern damit beauftragt, ihm zielgerichtet Bericht zu erstatten. Hierzu entwickelten eigens dazu einberufene Arbeitsgruppen ­ ihrer Bestandsaufnahme und Bewertung entsprechend ­ Lösungsansätze.

Diese bedürfen der gesetzlichen Umsetzung, wozu auch der Ministerrat mit Beschluss vom 10. Januar 2011 beauftragt hat.

Darüber hinaus bedürfen einige weitere bildungspolitische Änderungen der Umsetzung.

Im Einzelnen:

1. Meldepflichten von Ersatz- und Ergänzungsschulen gegenüber dem Jugendamt

Das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen regelt die Zusammenarbeit der öffentlichen Schulen mit Jugendämtern und Einrichtungen der Erziehung, Bildung und Betreuung.

Es statuiert dabei eine Meldepflicht, wonach öffentliche Schulen das zuständige Jugendamt unterrichten sollen, sobald Tatsachen bekannt werden, die darauf schließen lassen, dass das Wohl einer Schülerin oder eines Schülers ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt ist und deshalb Maßnahmen der Jugendhilfe notwendig werden. Die Meldepflicht gilt nicht für private Ersatz- und Ergänzungsschulen.

2. Anforderungen an die persönliche Eignung von Lehrkräften und sonstigen mit erzieherischen Aufgaben betrauten Personen an Ersatz- und Ergänzungsschulen

a) Die Schulaufsicht über Ersatzschulen ist durch die verfassungsrechtlich garantierte Privatschulfreiheit eingeschränkt. Hinsichtlich der dort eingesetzten Lehrkräfte erfolgt sie in präventiver Hinsicht lediglich im Rahmen der Erteilung bzw. Versagung der Unterrichtsgenehmigungen. Derzeit existiert keine gesetzliche Regelung, die zwingend bestimmt, dass diese Unterrichtsgenehmigungen in Bezug auf Lehrkräfte zu versagen sind, wenn letztere wegen sexuellen Missbrauchs oder ähnlicher Straftatbestände rechtskräftig verurteilt worden sind. Vielmehr steht der Schulaufsichtsbehörde ein ­ wenn auch sicherlich sehr eingeschränkter ­ Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Beurteilung der Frage der persönlichen Eignung der Lehrkraft zu.

Ähnlich stellt sich die Lage bei den Ergänzungsschulen dar. Deren Errichtung muss der Aufsichtsbehörde angezeigt werden. Dieser Anzeige ist u.a. die Vorbildung der Leiterinnen und Leiter bzw. der Lehrkräfte beizufügen, nicht jedoch ein Nachweis deren persönlicher Eignung.

b) Der derzeitige Gesetzeswortlaut erstreckt sich überdies ausschließlich auf potentielle Lehrkräfte an Ersatzschulen und regelt, welche Anforderungen an die jeweiligen Lehrkräfte zu stellen sind. Der Begriff der Lehrkraft umfasst dabei allerdings nur diejenigen an Schulen tätigen Personen, die die Schüler eigenverantwortlich unterrichten und erziehen. Keine Lehrkräfte im genannten Sinn sind Förderlehrer, Heilpädagogische Förderlehrer, Werkmeister und das Personal für heilpädagogische Unterrichtshilfe, auch wenn sie Aufgaben des Unterrichts übernehmen. Das Erfordernis einer Unterrichtsgenehmigung, wie sie nach Art. 94 Abs. 1 für die Lehrkräfte an Ersatzschulen notwendig ist, stellt sich für diesen Personenkreis zwar nicht. Allerdings nehmen diese Personen ebenfalls erzieherische Aufgaben wahr. Daher mangelt es an einer Vorkehrung, die das Wohl der durch sie beaufsichtigten Kinder und Jugendlichen ­ die in den meisten Fällen aufgrund eines erhöhten Förderbedarfs besonders schutzwürdig sind ­ gewährleistet. Gleiches gilt für Pflegekräfte, die bisher bereits an Förderschulen und mit Beginn des Schuljahres 2011/12 auch an allgemeinen Schulen tätig werden. Auch bei diesen Kräften handelt es sich nicht um Lehrkräfte, so dass die Regeln für die Unterrichtsgenehmigung nicht auf sie anwendbar sind. Gleichwohl besteht bei den durch Pflegekräfte betreuten Kindern und Jugendlichen ebenfalls ­ aufgrund der körperlichen Nähe sogar ein sehr hohes ­ Schutzbedürfnis.

3. Erweiterung der schulaufsichtlichen Untersagungsbefugnis

Die Schulaufsichtsbehörden haben aktuell die Möglichkeit, Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräften und Erzieherinnen und Erziehern die Ausübung ihrer Tätigkeit an Ersatzschulen zu untersagen, wenn diese ein Verhalten zeigen, das in öffentlichen Schulen die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigen würde. Der Untersagungsakt richtet sich unmittelbar von der Schulaufsichtsbehörde an die genannten Personen mit der Wirkung, dass sie ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben dürfen. Dabei erweist sich der Begriff Erzieherinnen und Erzieher indes als zu unbestimmt und restriktiv.

Darüber hinaus ist eine schulaufsichtliche Untersagung derzeit ausschließlich bei einem konkret festgestellten Verhalten zulässig, das bei öffentlich Beschäftigten zu einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses führen würde. Ein hinreichender Verdacht, der die Annahme eines solchen Verhaltens rechtfertigt, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Befugnisnorm.

4. Anpassung an KMK-Rahmenvereinbarungen

Im beruflichen Schulbereich wurden in der Rahmenvereinbarung über die Fachoberschule vom 16. Dezember 2004 in der Fassung vom 1. Oktober 2010 und in der Rahmenvereinbarung über die Berufsoberschule vom 25. November 1976 in der Fassung vom 3. Dezember 2010 einige neue Bezeichnungen von Ausbildungsrichtungen eingeführt. Diese stimmen mit den Bezeichnungen im nicht überein.

5. Anpassung an das Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst

Das Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst ist am 3. Mai 2011 in Kraft getreten. Da hier auch berufsschulpflichtige Jugendliche teilnehmen können, kommt es vor allem wegen der zu besuchenden Seminarveranstaltungen zu einer Kollision mit der Berufsschulpflicht gemäß Art. 39 Abs. 1 B) Lösung

1. Meldepflichten von Ersatz- und Ergänzungsschulen gegenüber dem Jugendamt Private Ersatz- und Ergänzungsschulen sollen künftig ebenso wie öffentliche Schulen die entsprechenden Jugendämter unterrichten, wenn ihnen Tatsachen bekannt werden, die darauf schließen lassen, dass das Wohl einer Schülerin oder eines Schülers ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt ist und deshalb Maßnahmen der Jugendhilfe notwendig werden. Diese Meldepflichten gegenüber den Jugendämtern werden dabei nicht durch die Übermittlung von Informationen an Strafverfolgungsbehörden ersetzt.

2. Anforderungen an die persönliche Eignung von Lehrkräften und sonstigen mit erzieherischen Aufgaben betrauten Personen an Ersatz- und Ergänzungsschulen

a) Für Ersatzschulen wird der Auftrag an die Schulaufsichtsbehörden normiert, im Rahmen der Erteilung von Unterrichtsgenehmigungen sicherzustellen, dass keine Lehrkräfte an Ersatzschulen beschäftigt werden, die wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen rechtskräftig verurteilt worden sind. Eine Verneinung der persönlichen Eignung ist in diesen Fällen zwingend. Insoweit erfolgt eine Anlehnung an § 72a SGB VIII. Für Ergänzungsschulen wird festgelegt, dass der Anzeige ein Nachweis der persönlichen Eignung der Leiter bzw. der Lehrkräfte beizufügen ist.

b) Die Anforderungen an die persönliche Eignung, wie sie in Art. 94 Abs. 1 Satz 2 für Lehrkräfte festgelegt sind, werden auch auf Beschäftigte oder sonstige schulische Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter, die mit erzieherischen oder pflegerischen Aufgaben betraut sind, ausgedehnt. Zu diesem Personenkreis zählt insbesondere auch das Personal im Sinne von Art. 60 Das Erfordernis einer Unterrichtsgenehmigung, wie sie nach Art. 94 Abs. 1 für die Lehrkräfte an Ersatzschulen notwendig ist, ist mit der Regelung für diesen Personenkreis nicht verbunden.

3. Erweiterung der schulaufsichtlichen Untersagungsbefugnis

Die Begriffe Erzieherin und Erzieher werden in Anpassung an den Wortlaut von Nr. 27 Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen vom 19. Mai 2008 durch den Begriff Beschäftigte oder sonstige Mitarbeiter, die mit erzieherischen Aufgaben betraut sind ersetzt.

Auf diese Weise werden nicht nur die Absolventen des Ausbildungsberufs staatlich anerkannte Erzieherin/staatlich anerkannter Erzieher, sondern alle festangestellten mit erzieherischen Aufgaben betrauten Personen von dem persönlichen Anwendungsbereich der Untersagungsnorm erfasst. Gleichzeitig werden sonstige schulische Mitarbeiter, die mit pflegerischen Aufgaben betraut sind aufgenommen.