Grundstück

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze A) Problem

Das nachträgliche Dämmen von älteren Gebäuden leistet einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs und damit zum Klimaschutz. Die energetische Sanierung von Gebäuden, die an der Grundstückgrenze liegen, kann jedoch am Widerstand des jeweiligen Nachbarn scheitern. Er kann aufgrund seines Eigentums oder einer anderen Nutzungsberechtigung Übergriffe auf sein Grundstück abwehren. Eine in sein Grundstück hineinragende Außenwärmedämmung muss er damit nicht dulden.

Zudem ist gesetzlich nicht geregelt, in welchem Umfang der Nachbar hinnehmen muss, dass sein Grundstück für Bauarbeiten, also auch für das Aufbringen der Wärmedämmung vorübergehend genutzt wird, wenn dies der einzig zweckmäßige Weg ist, die Arbeiten durchzuführen. Verweigert der Nachbar den Zutritt zu seinem Grundstück, muss gegebenenfalls gerichtlich geklärt werden, inwieweit sich aus den Rechtsgrundsätzen des so genannten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses im Einzelfall ein Anspruch auf vorübergehendes Betreten und Benutzen des Nachbargrundstücks zwecks Durchführung von Bauarbeiten ergibt (so genanntes Hammerschlags- und Leiterrecht).

Es ist daher zu befürchten, dass bei einer Zunahme von energetischen Sanierungen die Rechtsstreitigkeiten um das Hammerschlags- und Leiterrecht ansteigen werden.

B. Lösung:

Durch eine nachbarrechtliche Vorschrift im Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen der Grundstücksnachbar einen Überbau durch nachträgliche Wärmedämmung zu dulden hat.

Des Weiteren wird dort eine gesetzliche Regelung zum Hammerschlags- und Leiterrecht eingefügt, um Rechtssicherheit zu schaffen und dadurch einer Zunahme von Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.

C) Alternativen Unveränderte Beibehaltung der gegenwärtigen Rechtslage.

D) Kosten Keine.

Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze

§ 1:

Das Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze ­ AGBGB ­ 400-1-J), zuletzt geändert durch Art. 30 Abs. 2 des Gesetzes vom 23. November 2010 (GVBl S. 738), wird wie folgt geändert:

1. In die Inhaltsübersicht werden folgende Art. 46a und 46b eingefügt: Art. 46a Überbau durch Wärmedämmung Art. 46b Hammerschlags- und Leiterrecht

2. Es werden folgende Art. 46a und 46b eingefügt:

Art. 46a Überbau durch Wärmedämmung

Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks haben zu dulden, dass die auf einer vorhandenen Grenzmauer oder Kommunmauer nachträglich aufgebrachte Wärmedämmung und sonstige mit ihr in Zusammenhang stehende untergeordnete Bauteile auf das Grundstück übergreifen, soweit und solange

1. diese die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen und eine zulässige beabsichtigte Nutzung des Grundstücks nicht behindern,

2. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widersprechen und

3. eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann.

§ 912 Abs. 2 und §§ 913, 914 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

(2) Der Eigentümer und jeder Nutzungsberechtigte des überbauten Grundstücks können verlangen, dass der Eigentümer des durch den Wärmeschutzüberbau begünstigten Grundstücks die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen Zustand erhält.

(3) Schaden, der dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des Grundstücks durch einen Überbau nach Abs. 1 entsteht, ist von dem Veranlasser des Überbaus ohne Rücksicht auf Verschulden zu ersetzen.

Art. 46b Hammerschlags- und Leiterrecht

Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks müssen dulden, dass das Grundstück von dem Eigentümer oder dem Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks und von diesem beauftragten Personen zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird und dass auf dem Grundstück Gerüste und Geräte aufgestellt werden oder auf dieses übergreifen sowie die zu den Arbeiten erforderlichen Baustoffe über das Grundstück gebracht oder dort niedergelegt werden, wenn und soweit

1. das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann,

2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und

3. das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.

Das Recht ist so schonend wie möglich auszuüben. 3

Es darf nicht zur Unzeit geltend gemacht werden.

(2) Abs. 1 findet auf den Eigentümer öffentlicher Verkehrsflächen keine Anwendung.

Die Absicht, das Recht nach Abs. 1 auszuüben, sowie Art und Dauer der Arbeiten sind mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem die Arbeiten veranlassenden Eigentümer oder Nutzungsberechtigten anzuzeigen. 2

Ist ein Betroffener, dem Anzeige zu machen ist, unbekannten Aufenthalts oder nicht alsbald erreichbar und hat er auch keinen Vertreter bestellt, so genügt statt der Anzeige an diesen Betroffenen die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer.

Schaden, der bei der Ausübung der Rechte nach Abs. 1 dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks entsteht, ist ohne Rücksicht auf Verschulden von dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten, der die Arbeiten veranlasst hat, zu ersetzen. 2

Auf Verlangen ist Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadensbetrags zu leisten; in einem solchen Fall darf das Recht erst nach Leistung der Sicherheit ausgeübt werden.

(5) Ist die Ausübung des Rechts nach Abs. 1 zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich, entfällt die Verpflichtung zur Anzeige und zur Sicherheitsleistung.

Der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte, der ein Nachbargrundstück länger als eine Woche nach Abs. 1 benutzt, hat demjenigen, dessen dingliches Recht auf Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt ist, für die gesamte Zeit der Benutzung eine Entschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren gewerblichen Lagerplatz zu zahlen. 2

Eine Nutzungsentschädigung kann nicht verlangt werden, soweit nach Abs. 4 Ersatz für entgangene anderweitige Nutzung gefordert wird.

§ 2:

Begründung: A) Allgemeines Wärmedämmung an Gebäuden bewirkt, dass möglichst wenig Wärme nach außen dringt. Eine Verbesserung der Wärmedämmung von älteren Gebäuden kann daher den Energieverbrauch signifikant senken und ist unter Klimaschutzgesichtspunkten wünschenswert. Befindet sich die zu dämmende Wand jedoch an oder auf der Grundstückgrenze, so würde eine nachträgliche Außendämmung zwangsläufig in das Grundstück des Nachbarn hineinragen. Dem nachträglichen Dämmen stehen daher derzeit die aus dem Eigentum und Besitz folgenden Abwehrrechte des Nachbareigentümers und anderer Nutzungsberechtigter entgegen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die nachträglich aufgebrachte Außendämmung den Nachbarn in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigen würde oder nicht. Zwar findet die Vorschrift des § 912 BGB über die Duldungspflicht beim Überbau entsprechende Anwendung. Ihre Voraussetzungen liegen bei dem nachträglichen Aufbringen einer Außendämmung aber nicht vor, da der Überbauer weiß, dass er damit die Grenze seines Grundstücks überschreitet. Ob sich unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses im Einzelfall Duldungspflichten ergeben, ist ungeklärt.

Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluss vom 19. Juli 2007 ­ 650/03 ­ ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Landesgesetzgeber beim Überbau unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips weitere Duldungspflichten schafft. Berlin, Bremen und Hessen haben daher zur Regelung des überbauenden Wärmeschutzes eigene gesetzliche Vorschriften erlassen (§ 16a Bln, § 24a AGBGB Bremen, § 10a Hessen). Im Interesse des für die Allgemeinheit wichtigen Klimaschutzes soll auch in Bayern der Nachbar durch eine neue Vorschrift im Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch und anderer Gesetze (AGBGB) zur Duldung der in sein Grundstück hineinragenden Wärmedämmung verpflichtet werden. Dabei wird die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 des Grundgesetzes an enge, das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrende Voraussetzungen geknüpft.

Der Nachbar muss den Wärmeschutzüberbau danach nur dulden, wenn hierdurch die Nutzung seines Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird und eine vergleichbare Wärmedämmung nicht auf andere Weise zu erreichen ist. Außerdem muss die Wärmedämmung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar sein. Besteht eine Duldungspflicht, kann der Nachbar im Gegenzug die Zahlung einer Überbaurente beanspruchen.

Um überhaupt das Aufbringen der Wärmedämmung zu ermöglichen, soll darüber hinaus in Fällen, in denen dies nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand vom Grundstück des Überbauers aus möglich wäre, zugleich ein Recht zum vorübergehenden Betreten und Nutzen des Nachbargrundstücks zwecks Durchführung der Arbeiten eingeräumt werden. Geregelt werden sollen dabei auch die zahlreichen weiteren Fälle, in denen der Grundstückseigentümer Arbeiten an einer baulichen Anlage auf seinem Grundstück nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchführen kann, wenn er nicht vorübergehend das Grundstück des Nachbarn benutzen darf. Anders als in allen anderen Ländern ausgenommen Bremen und Mecklenburg-Vorpommern besteht in Bayern derzeit keine gesetzliche Regelung des so genannten Hammerschlags- und Leiterrechts. Ein solches Recht wird stattdessen im Einzelfall aus dem so genannten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis, d.h. der Ausprägung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zwischen Nachbarn hergeleitet. Im Hinblick darauf, dass sich künftig durch die verstärkte energetische Sanierung von bestehenden Gebäuden noch häufiger als bisher Fragen zum Hammerschlags- und Leiterrecht und zu etwaigen Folgeansprüchen ergeben werden, erscheint es jedoch angebracht, diese Fragen durch eine eigene Vorschrift im AGBGB gesetzlich zu regeln, um Rechtssicherheit zu schaffen und den Gerichten im Streitfall einen Prüfungsmaßstab an die Hand zu geben. Die widerstreitenden Eigentümerinteressen sind dabei auch in diesem Bereich unter Beachtung der Eigentumsgewährleistung einerseits und der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes andererseits in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Ein Hammerschlags- und Leiterrecht kann daher nur unter engen, im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen gewährt werden. Dabei wird an die bewährten, weitgehend übereinstimmenden Vorschriften der anderen Länder angeknüpft.

Rechtsstreitigkeiten, die den Überbau durch Wärmedämmung oder das Hammerschlags- und Leiterrecht betreffen, fallen wie Streitigkeiten um andere Nachbarrechte nach dem AGBGB derzeit unter das Bayerische Schlichtungsgesetz Soweit das Amtsgericht zuständig ist, muss nach Art. 1 Nr. 2e) vor einer Anrufung des Gerichts also zunächst ein Schlichtungsversuch unternommen werden.

B) Zwingende Notwendigkeit einer normativen Regelung

Das Ziel der Regelung, das nachträgliche Dämmen einer Grenzoder Kommunmauer zivilrechtlich auch dann zu ermöglichen, wenn der Grundstücksnachbar der Maßnahme nicht zustimmt, ist nur durch einen Eingriff in dessen Eigentumsrecht zu erreichen und bedarf daher einer gesetzlichen Regelung. Gleiches gilt für das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen das Nachbargrundstück vorübergehend betreten und benutzen zu dürfen.

C) Einzelbegründung

Zu § 1:

Zu Nr. 1:

Das Inhaltsverzeichnis ist um die neuen Vorschriften zu ergänzen.

Zu Nr. 2:

Zu Art. 46a (Überbau durch Wärmedämmung)

Im neuen Art. 46a werden die Voraussetzungen geregelt, unter denen der Eigentümer des Nachbargrundstücks und Nutzungsberechtigte wie der Erbbauberechtigte, der Inhaber einer Dienstbarkeit oder der Mieter die überbauende Wärmedämmung zu dulden haben.