Erlebnispädagogik im Ausland

Grundlage der Antwort sind die Ergebnisse einer entsprechenden Umfrage des Hessischen Städte- bzw. Landkreistags bei ihren Mitgliedern sowie eine Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände.

Bei der Umfrage wurden alle im Ausland befindlichen Jugendlichen erfasst.

Von den 33 hessischen Jugendämtern führen bzw. führten in dem nachgefragten Zeitraum 12 Jugendämter individualpädagogische Maßnahmen im Ausland durch. 21 Jugendämter meldeten Fehlanzeige bzw. haben nicht geantwortet.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz wie folgt:

Frage 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage werden kriminell gewordene Jugendliche aus Hessen im Rahmen von Erlebnispädagogik ins Ausland geschickt?

Die Rechtsgrundlage für Hilfen zur Erziehung im Ausland ist der § 27 SGB VIII in Verbindung mit § 34 bzw. § 35 SGB VIII. Für die Gewährung der Leistung ist in der Regel das jeweilige örtliche Jugendamt zuständig, in dessen Bereich die Eltern oder - bei Volljährigkeit - die jungen Erwachsenen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Erlebnispädagogische Maßnahmen im Ausland beruhen hingegen in der Regel nicht auf Entscheidungen der Justiz. Die an der Anfrage beteiligten Präsidialamtsgerichte in Hessen gehen aber zum Teil davon aus, dass die Anordnung einer erlebnispädagogischen Maßnahme durch eine gerichtliche Entscheidung als Auflage oder Weisung nach §§ 10, 15 Jugendgerichtsgesetz, § 116 Abs. 1 Ziff. 2 Strafprozessordnung oder im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses grundsätzlich zulässig wäre.

Frage 2. Nahmen in den letzten zwei Jahren hessische Jugendliche an so genannten "Erlebnisreisen" teil?

Wenn ja,

a) um wie viele Jugendliche handelte es sich und nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt,

b) wohin führten die Reisen und wie lange dauerten sie,

c) wie hoch waren die Kosten für diese Reisen,

d) fand eine Evaluation nach Abschluss der Reisen statt?

Welche Ergebnisse wurden festgestellt?

Zu a:

Für den Jugendhilfebereich ist Folgendes festzustellen:

Es handelt sich um insgesamt 30 Jugendliche.

Die Jugendlichen, für die im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII eine Hilfe zur Erziehung im Ausland vereinbart und durch das jeweilige kommunale Jugendamt gewährt wurde, sind junge Menschen, die nach Einschätzung der kommunalen Jugendämter beispielsweise

- von den vorhandenen ambulanten und stationären Angeboten der Jugendhilfe nicht mehr aufzufangen waren oder sind,

- Erfahrungen mit dem Leben auf der Straße haben,

- Gewalt und Missbrauch erleben mussten,

- eine Vielzahl von Beziehungsabbrüchen hinter sich haben,

- keine Schul-, Ausbildungs- oder Arbeitsfähigkeit erreicht haben,

- nicht gruppenfähig sind und auch nicht über die Fähigkeit verfügen, allein zu wohnen,

- eine emotionale oder soziale Entwicklungsverzögerung haben (diese kann sich z. B. ausdrücken in Aggressivität, Schulverweigerung, Kontaktproblemen, Autoritätsproblematik, neurotischen und suizidalen Konflikten oder delinquentem Verhalten),

- stark Suchtmittel gefährdet sind.

Erzieherische Hilfen im Ausland können in diesen Fällen aus Sicht der kommunalen Jugendämter die notwendige und geeignete Hilfe sein, wenn die besonderen Rahmenbedingungen des Landes (z.B Infrastruktur, Abgeschiedenheit der Projektstandorte, Landschaft, Lebensbedingungen, Verständigungsmöglichkeiten/Sprache etc.) verbunden mit dem individuellen pädagogischen Konzept die Möglichkeit bieten, den jungen Menschen zu erreichen mit dem Ziel einer Neuorientierung und von Anstößen zur Verhaltensänderung. Dies ist nicht zuletzt durch eine zeitlich befristete Distanz zum bisherigen sozialen Umfeld möglich.

Zu b:

Die Unterbringungen fanden statt in Polen (2), Spanien (11), Italien (3), Sibirien (4), Frankreich (1), Griechenland (2), Kirgisien (1), Ungarn (1), Finnland/Lappland (1), Thailand (1), Portugal (1) und Namibia (1). In einem Fall erfolgte keine entsprechende Angabe.

Die Zeitspannen der pädagogischen Hilfen im Ausland sind sehr unterschiedlich und variieren von vier Monaten bis zu drei Jahren. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei ca. zwölf Monaten.

Zu c:

Die Höhe der Tagessätze reicht von 120 bis in Einzelfällen zu 220. Der Durchschnitt liegt bei 135 pro Tag. Dies entspricht dem durchschnittlichen täglichen Entgelt einer normalen Heimunterbringung im Inland.

Zu d:

Auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben nach § 36 SGB VIII findet eine regelmäßige Hilfeplanung statt. Die Maßnahmen werden von den kommunalen Jugendämtern evaluiert. Es kann nach deren Bewertung mit einem Erfolg der Maßnahmen im Sinne einer merklichen Verbesserung der sozialen sowie beruflichen Integrations- und Interaktionschancen für die Jugendlichen gerechnet werden.

Nach Bewertung der kommunalen Jugendämter, die diese Maßnahmen veranlassen, verlaufen sie überwiegend erfolgreich.

Nähere Daten zur Evaluation liegen dem Sozialministerium nicht vor.