Hilfe für Stalking-Opfer

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit der Sozialministerin und dem Minister des Innern und für Sport und wie folgt:

Frage 1. Wie viele zivilrechtliche Verfahren nach § 1 Gewaltschutzgesetz gab es seit InKraft-Treten des Gesetzes in Hessen in den einzelnen Landgerichtsbezirken?

Für das Jahr 2002 liegen keine Zahlen vor, weil eine gesonderte statistische Erhebung der Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz nicht vorgenommen worden ist.

Für das Jahr 2003 wurden Zahlen für Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz in Zivilsachen, insbesondere im Hinblick auf die geringe Anzahl der Verfahren, nicht gesondert erhoben.

Seit dem 1. Januar 2003 werden die Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz in Familiensachen (nach § 23 a GVG) erhoben. Der Geschäftsanfall für das Jahr 2003 in Verfahren nach § 1 Gewaltschutzgesetz vor dem Familiengericht beläuft sich für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichtes Frankfurt auf 412 Verfahren.

Nach statistischer Auswertung der Zählkartenerhebungen in Zivilsachen für das erste Quartal 2004 gab es 86 Verfahren in Angelegenheiten nach dem Gewaltschutzgesetz, wobei eine Unterteilung nach § 1 und § 2 Gewaltschutzgesetz mangels entsprechender statistischer Erfassung nicht vorgenommen werden kann. Bei einer Hochrechnung auf das gesamte Jahr 2004 ergibt sich ein Geschäftsanfall von 344 Verfahren.

Frage 2. Wie viele Verfahren hiervon betrafen so genannte "Stalker"? Verfahren, die so genannte "Stalker" betreffen, werden statistisch nicht erfasst. Aussagen hierzu können nur aus den einzelnen Verfahrensakten gewonnen werden. Im Hinblick auf die erhebliche Belastung der Gerichte wurde auf eine mit einer Einzelauswertung aller Verfahrensakten verbundenen Praxisbefragung verzichtet.

Frage 3. In wie vielen Verfahren hiervon wurde gegen einen "Stalker" eine gerichtliche Anordnung erlassen?

Siehe Antwort zu Frage 2.

Frage 4. In wie vielen Verfahren hiervon wurden Vollstreckungsmaßnahmen beantragt?

Siehe Antwort zu Frage 2.

Frage 5. Wie viele Strafverfahren nach § 4 Gewaltschutzgesetz wurden seit In-InkraftTreten des Gesetzes eingeleitet?

Für das Jahr 2002 liegen keine statistischen Erhebungen zur Anzahl der eingeleiteten Strafverfahren vor.

Im Jahr 2003 wurden bei den hessischen Staatsanwaltschaften 40 Verfahren nach § 4 Gewaltschutzgesetz eingeleitet.

Im Jahre 2004 wurden bis zum Stichtag 31. August 2004 21 Verfahren eingeleitet.

Einer Studie des Mannheimer Zentralinstituts für seelische Gesundheit zufolge war bereits jeder achte Deutsche in seinem Leben schon einmal Opfer von Stalking. Nur jedes fünfte Opfer zeige jedoch bislang die Straftat bei der Polizei an. Die Opfer würden durchschnittlich länger als zwei Jahre belästigt, wobei sich die Belästigungen im Laufe der Zeit bis hin zu körperlichen Angriffen und Tötungsversuchen steigerten. Eine Studie des Institutes für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt gelangt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass in jedem zweiten Stalking-Fall der Verfolger ein Expartner war, wobei es in dieser Beziehungsgruppe in 41 v.H. der Fälle Gewalttätigkeiten gegeben hatte. Allein im Jahr 2003 waren bei den hessischen Staatsanwaltschaften 4.044 Strafsachen wegen häuslicher Gewalt anhängig. Unter Zugrundelegung der zuvor dargestellten Untersuchungsergebnisse ist davon auszugehen, dass ein großer Teil dieser Fälle Stalking-Fälle gewesen sind.

US-amerikanische Studien gelangten schließlich zu dem Ergebnis, dass von mehreren Hundert ausgewerteten Morden und Tötungsversuchen durch frühere oder aktuelle Partner gut zwei Drittel der Täter in den vorhergehenden 12 Monaten das Opfer "gestalkt" hätten.

Nach einer Überprüfung einschlägiger Vorgänge des Hessischen Landeskriminalamtes endeten vier von fünf ausgewählten Fällen mit der Tötung des Opfers. Es gibt Anzeichen dafür, dass bei ca. 10 bis 15 Tötungsdelikten in Hessen jährlich Belästigungen im Sinne des Stalkings vorausgegangen sein könnten.

Frage 6. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Strafverfahren aufgrund anderer Straftatbestände gegen "Stalker" seit 2000 eingeleitet wurden?

Wenn ja, wie viele waren dies und wie viele davon führten zu einer Verurteilung?

Zu dieser Frage können keine konkreten Angaben gemacht werden. Im Zusammenhang mit Stalking werden insbesondere Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung, Nötigung, Hausfriedensbruch, Beleidigung oder Körperverletzung geführt. Dabei wird der spezifische Stalking-Zusammenhang jedoch nicht statistisch erfasst. Dieser ließe sich vielmehr nur durch einen unverhältnismäßig hohen Aufwand in Form einer Durchsicht und Auswertung unzähliger Verfahrensakten ermitteln. Im Hinblick auf die starke Belastung der Ermittlungsbehörden wurde hiervon abgesehen.

Frage 7. Welche Beratungs- und Hilfeeinrichtungen gibt es in Hessen, an die sich StalkingOpfer wenden können?

Stalking-Opfer können sich an die allgemeinen Opferschutzorganisationen wie etwa den Weißen Ring und die hessischen Opferschutzvereine sowie an alle Beratungs- und Hilfeeinrichtungen, die Schutz und Beratung bei Partnergewalt anbieten, wenden.

In Hessen gibt es folgende Beratungsstellen für Opfer und Zeugen von Straftaten, die durch das Hessische Ministerium der Justiz finanziell unterstützt werden und die auch Stalking-Opfer beraten und betreuen: Hanauer Hilfe - Opfer- und Zeugenhilfe Hanau e.V., Giessener Hilfe - Opfer- und Zeugenhilfe Gießen e.V., Kasseler Hilfe - Opfer- und Zeugenhilfe Kassel e.V., Wiesbadener Hilfe - Opfer- und Zeugenhilfe Wiesbaden e.V., Trauma- und Opferzentrum Frankfurt am Main e.V., Opferhilfe Limburg-Weilburg e.V., Opferhilfe Südhessen e.V.

Einzelne Fachstellen bieten die proaktive Beratung der Opfer an. Mit Einverständnis der Opfer kann die Polizei die notwendigen Opferdaten an diese Fachstellen weitergeben, damit von dort eine aktive Kontaktaufnahme möglich ist.

Frage 8. Gibt es in Hessen Informationsschriften für Stalking-Opfer, die von den Polizeidienststellen zur Verfügung gestellt werden?

Ja. In Hessen gibt es eine polizeiliche Informationsschrift, die Stalking-Opfern zur Verfügung gestellt werden kann. Im Rahmen der Präventionsarbeit wurde durch ProPK (Programm polizeiliche Kriminalprävention) ein Infoblatt zu Stalking entwickelt. Dieses enthält Erklärungen zum Phänomenbereich und gibt Verhaltenshinweise für Opfer. Zudem wird auf Internetadressen zur StalkingForschung (www.stalkingforschung.de) und Hilfeeinrichtungen (www.weisserring.de) hingewiesen. Diese Hinweise sind für alle Bürgerinnen und Bürger in Internet abrufbar: www.polizei.propk.de.

Frage 9. Werden Stalking-Opfer nach Beurteilung der Landesregierung hinreichend auf die Möglichkeiten nach dem Gewaltschutzgesetz hingewiesen oder welche Verbesserungen sind nach Ansicht der Landesregierung notwendig?

Opfer von häuslicher Gewalt, die oftmals auch Stalking-Opfer sind (ca. die Hälfte aller derzeit bekannten Stalking-Fälle), sind gemäß der seit April 2004 gültigen Handlungsleitlinien zur häuslichen Gewalt durch die befassten Polizeibeamtinnen und -beamten speziell auf örtliche und überörtliche Facheinrichtungen, d.h. Hilfs- und Beratungsangebote, hinzuweisen. Dazu wurden Formblätter entwickelt und Dienstanweisungen in den Polizeipräsidien erlassen.

Frage 10. Gibt es Anweisungen für die Polizeidienststellen, wie in Fällen von Stalking vorgegangen werden soll?

Falls ja, wie lauten diese?

Beim Hessischen Landeskriminalamt ist eine Arbeitsgruppe "Stalking" eingerichtet. Diese hat den Auftrag, Handlungsanweisungen und Rahmenbedingungen zu erarbeiten, um alle in der Thematik "Stalking" handelnden Polizeibeamtinnen und -beamten in Hessen stärker zu sensibilisieren und weiter zu qualifizieren. Vorrangiges Ziel ist es, die Handlungskompetenz der Polizei Hessen für diesen Phänomenbereich insgesamt zu verbessern und Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass ein frühzeitiges Erkennen und eine qualifizierte Bearbeitung von Stalking-Fällen gewährleistet werden.

Frage 11. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit der Polizei, die Personalien von "Stalkern" festzustellen und an das Opfer mitzuteilen, um ihm ein Vorgehen nach § 1 Gewaltschutzgesetz zu ermöglichen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 HSOG)?

Die im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) normierten Grundlagen sind dazu ausreichend.

Frage 12. Gibt es einen Erlass für die Polizeidienststellen, der dies regelt?

Nein. Die Arbeitsgruppe "Stalking" ist beauftragt, Handlungsleitlinien zu Stalking zu entwickeln. Insofern verweise ich auf die Antwort zu Frage 10.

Frage 13. Fördert und unterstützt die Landesregierung derzeit Untersuchungen über Ursache, Häufigkeit, Erscheinungsweisen und Folgen des Stalkings in Hessen oder bundesweit?

Die Landesregierung unterstützt das Forschungsvorhaben "Stalking und häusliche Gewalt" der Technischen Universität Darmstadt, Arbeitsstelle für forensische Psychologie, Professor Dr. Hans-Georg W. Voß, Steubenplatz 12, 64293 Darmstadt, in vielfältiger Hinsicht. Dies erfolgt z. B. durch die im Rahmen des Datenschutzes erlaubte Übermittlung polizeilicher Daten, Akteneinsichtnahme von Strafakten, die Benennung von persönlichen Ansprechpartnern im Hessischen Ministerium der Justiz, Hessischen Sozialministerium und dem Hessischen Landeskriminalamt und die Prüfung einer möglichen finanziellen Unterstützung durch das Hessische Sozialministerium.

Frage 14. Falls nein, beabsichtigt die Landesregierung, eine solche Untersuchung zu initiieren und zu fördern?

Hierzu verweise ich auf die Antwort zu Frage 13.