Wohlfahrt

Nach Auffassung des Rechnungsprüfungsamts habe die verspätet erfolgte Information des Rechnungsprüfungsamts zu vermeidbaren Verzögerungen geführt.

Dadurch bedingt sei ein weiterer Schaden für die Stadt Bremerhaven entstanden. Wären die Verfehlungen früher aufgeklärt und die Missstände zeitnäher abgestellt worden, wäre dies für die Stadt Bremerhaven von Vorteil gewesen.

b) Weiterleitung von Schreiben an die Ermittlungsbehörden

In mehreren Fällen wandte sich das Rechnungsprüfungsamt schriftlich an die Kriminalpolizei. Der Ausschuss hat mehrere Sachverhalte daraufhin untersucht, ob die Nichtweiterleitung von Schreiben durch den Oberbürgermeister eine unzulässige Einflussnahme auf das Rechnungsprüfungsamt darstellt.

aa) Weitergabe rechtlicher Bewertungen

Das Rechnungsprüfungsamt erlangte von einem Vergleich zwischen der Stadt und einem Träger der Wohlfahrtspflege Kenntnis. Der Leiter des Rechnungsprüfungsamts teilte dem Oberbürgermeister und dem zuständigen Stadtrat in einem Schreiben vom 15. November 1999 mit, dass der Vergleichsvertrag seiner Ansicht nach rechtswidrig sei, da er ohne Veranlassung und zum Nachteil der Stadt geschlossen worden sei.

Der Stadt sei durch das Handeln des Magistrats ein geldwerter Schaden entstanden. Deshalb sollte der Vorgang nach Meinung des Rechnungsprüfungsamts u. a. im Hinblick auf den Tatbestand der Untreue strafrechtlich bewertet werden.

Einen Tag später ­ am 16. November 1999 ­ sandte das Rechnungsprüfungsamt ein entsprechendes Schreiben auf dem Dienstweg an den Oberbürgermeister mit der Bitte um Weiterleitung an die Kriminalpolizei.

Ausweislich der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten traf das Schreiben beim Adressaten nicht ein.

Auf Anfrage des Magistratsdirektors vom 1. Dezember 1999 teilte das städtische Rechtsamt mit, der Oberbürgermeister sei rechtlich nicht verpflichtet, Schreiben des Rechnungsprüfungsamts an andere Dienststellen der Stadt weiterzuleiten. Es obliege allein seiner Entscheidung, einen Sachverhalt strafrechtlich würdigen zu lassen, sofern nach seiner Ansicht ein Anfangsverdacht vorliege.

Mit einem weiteren Schreiben vom 23. März 2000176 vertiefte der Leiter des Rechnungsprüfungsamts seine Bewertung der oben genannten Vereinbarung und bat gleichzeitig den Oberbürgermeister, die Kriminalpolizei zu informieren. Der Oberbürgermeister teilte dem Leiter des Rechnungsprüfungsamts mit, zur Weiterleitung des Schreibens sehe er keinen Anlass, da in der Sache bereits ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren laufe. In diesem Stadium sei es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Fragen zu stellen und Unterlagen anzufordern.

bb) Weitergabe angeforderter Stellungnahmen

Im August 1999 fand die Kriminalpolizei Bremerhaven anlässlich einer im Rahmen eines weiteren Ermittlungsverfahrens angeordneten Durchsuchung in den Räumen desselben Trägers der freien Wohlfahrtspflege den Bericht des Rechnungsprüfungsamts über die Prüfung der Gewährung von Zuwendungen an Kin169 Bd. 60, II. Teil, S. 8

Bd. 60, II. Teil, S. 8

Protokoll der öffentlichen Beweisaufnahme am 8. Januar 2003, S.

In dieser Angelegenheit bat die Kriminalpolizei mit Schreiben vom 22. November 1999180 das Rechnungsprüfungsamt im Auftrag der Staatsanwaltschaft unmittelbar um Beantwortung mehrerer Fragen, die für die Rechtsprüfung des Falls erforderlich waren. Mit Schreiben vom 30. November 1999 leitete der Leiter des Rechnungsprüfungsamts seine Stellungnahme über den Oberbürgermeister auf dem Dienstweg der Kriminalpolizei zu. Nach einem Monat erkundigte sich die Kriminalpolizei wiederum unmittelbar beim Rechnungsprüfungsamt nach dem Verbleib der Stellungnahme.

Der Leiter des Rechnungsprüfungsamts erinnerte den Oberbürgermeister nochmals an die Weiterleitung seines Schreibens. Auch in der Folge leitete der Oberbürgermeister die erbetene Erklärung des Rechnungsprüfungsamts nicht an die Polizei weiter.

Nachdem die Staatsanwaltschaft von den Vorgängen Kenntnis erlangt hatte, bat sie den Oberbürgermeister, dem Leiter des Rechnungsprüfungsamts eine Aussagegenehmigung zu erteilen.

Dieser Bitte kam der Oberbürgermeister am 27. April 2000 nach.

Etwa ein Jahr später vernahm die Staatsanwaltschaft den Leiter des Rechnungsprüfungsamts schriftlich zur Sache und stellte kurz darauf die Ermittlungen ein.

cc) Weiterleitung von Akteneinsichtsgesuchen

Im Jahr 2001 erhielt das Rechnungsprüfungsamt Kenntnis über ein im Rahmen einer Steuerprüfung gegen eine Bremerhavener Elektrofirma eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsgewährung. Die Ermittlungen wurden unter anderem auf Mitarbeiter der Stadtverwaltung wegen Vorteilsnahme ausgedehnt. Es handelte sich um Vorfälle bei der Vergabe und Abrechnung von Elektroarbeiten durch das Hochbauamt. Aufgrund eines anonymen Hinweises beabsichtigte das Rechnungsprüfungsamt, die Angelegenheit zu prüfen,186 und beantragte aufgrund dessen mit Schreiben vom 8. November 2001 auf dem Dienstweg über den Oberbürgermeister

Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft, soweit sich das Ermittlungsverfahren auf Mitarbeiter des Magistrats der Stadt Bremerhaven erstrecke.

Zur Begründung führte das Rechnungsprüfungsamt aus, es beabsichtige, die Angelegenheit disziplinarrechtlich zu bewerten und die Notwendigkeit eines Regresses zu prüfen. Es erhoffe sich zudem aus den Ermittlungsakten Erkenntnisse für einen disziplinarrechtlichen Überhang sowie über die Verletzung geltender Vorschriften und Grundsätze der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Die Prüfung der Verwaltung auf Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sei nicht denkbar, ohne zuvor auch die Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns geprüft zu haben. Nach der einschlägigen Dienstanweisung sei die Zuständigkeit des Rechnungsprüfungsamts für die Ermittlung strafrechtlicher und damit auch disziplinarrechtlicher Tatbestände gegeben. Bei Verdacht von Untreue und Betrug müsse das Rechnungsprüfungsamt gesondert berichten.

Mit Schreiben vom 25. April 2002 teilte der Oberbürgermeister dem Rechnungsprüfungsamt mit, er habe das Akteneinsichtsgesuch nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Die disziplinar- bzw. arbeitsrechtliche Bewertung und die

Frage eines Regresses sei nicht Aufgabe des Rechnungsprüfungsamts, sondern obliege ihm als Disziplinarvorgesetzten. Er beabsichtige, erst tätig zu werden, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen habe. Das Anliegen des Rechnungsprüfungsamts sei nicht durch die Rechnungsprüfungsordnung gedeckt. Aus diesem Grunde könne es auch gegenüber der Staatsanwaltschaft kein berechtigtes Interesse nach Nr. 185 Abs. 2 S. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren für die Gewährung der Akteneinsicht darlegen.

An dieser Auffassung hielt der Oberbürgermeister auch nach nochmaliger Intervention des Rechnungsprüfungsamts fest.

Der für den Bereich des Hochbauamts zuständige Prüfer, Thomas Mertin, sagte im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss aus,193 für ihn als technischen Prüfer sei die Akteneinsicht nicht zwingend notwendig, allerdings würde dadurch seine Prüfung erleichtert. Der Leiter des Rechnungsprüfungsamts sagte vor dem Untersuchungsausschuss, das Rechnungsprüfungsamt habe gehofft, mit Hilfe der Akteneinsicht die Fälle aufgrund der staatsanwaltlichen Erkenntnisse eingrenzen und somit gezielt prüfen zu können.

Der Oberbürgermeister bekräftigte in seiner Vernehmung seine Position wonach sowohl für die Beurteilung von Regressansprüchen als auch einer disziplinarrechtlichen Verfolgung das Ergebnis des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ­ sei es eine Einstellung oder ein Urteil ­ maßgeblich sei.

c) Anordnungen des Stadtverordnetenvorstehers zur Kommunikation zwischen der Ortspolizeibehörde und dem Rechnungsprüfungsamt

Der als Unterausschuss des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses gebildete Rechnungsprüfungsausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 19. September 2001 mit dem Schlussbericht für das Haushaltsjahr 1997. Die mündlichen Erläuterungen des Amtsleiters des Rechnungsprüfungsamts in der Sitzung sowie einzelne schriftliche Ausführungen in dem Bericht ergaben, dass zwischen Rechnungsprüfungsamt und Ortspolizeibehörde mehrfach Schriftwechsel stattgefunden hat. Dieser Sachverhalt war dem Stadtverordnetenvorsteher unbekannt, so dass er mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 den Direktor der Ortspolizeibehörde bat, künftig alle seitens der Polizeidienststellen an das Rechnungsprüfungsamt gerichteten Anfragen auf dem Dienstwege über ihn zu leiten, da die jeweils zuständigen Vorgesetzten über ein Amtshilfebegehren zu entscheiden hätten.

Gleichzeitig begehrte er Auskunft, in welchen Fällen der Leiter sowie Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamts Anzeigen erstattet, Informationen weitergeleitet oder als Zeugen ausgesagt haben.

Der Direktor der Ortspolizeibehörde wies daraufhin die ihm unterstehenden Ämter 90 und 94196 an, soweit nicht gesetzliche Regelungen eine andere Verfahrensweise vorschrieben, den Dienstweg über den Stadtverordnetenvorsteher einzuhalten,197 und informierte diesen entsprechend. Darüber hinaus informierte der Direktor der Ortspolizeibehörde den Stadtverordnetenvorsteher darüber, dass lediglich in einem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1999 ohne vorherige Unterrichtung eine Kontaktaufnahme der Polizei mit dem Rechnungsprüfungsamt stattgefunden habe.