Prüfer des Rechnungsprüfungsamts
Am 8. April 2002 bat der Stadtverordnetenvorsteher einen technischen Prüfer des Rechnungsprüfungsamts in der Prüfungsangelegenheit über das Krankenhaus Reinkenheide in sein Büro. Ausweislich eines von dem Prüfer angefertigten Gesprächsvermerks äußerte der Stadtverordnetenvorsteher im Rahmen dieses Gesprächs seine Verwunderung darüber, dass dieser bereits seit Oktober 2001 als sachverständiger Zeuge für die Kriminalpolizei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens unter anderem gegen ein Unternehmen der Elektrobranche tätig sei, ohne dass Unterlagen auf dem Dienstweg über ihn offiziell angefordert worden seien. Er werde der Sache nachgehen und prüfen, ob gegebenenfalls Unterlagen telefonisch direkt und ohne Einhaltung des Dienstweges angefordert worden seien. Nach der Aussage des Stadtverordnetenvorstehers Artur Beneken in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss habe er lediglich wissen wollen, ob dem Prüfer eine erforderliche Aussagegenehmigung erteilt worden war.
Nach seinen später gewonnenen Erkenntnissen sei dies der Fall gewesen.
d) Zusammenfassende Bewertung:
Nach § 9 Abs. 2 RPO ist dem Rechnungsprüfungsamt der Verdacht von Untreue oder Betrug, durch den ein Vermögensschaden für die Stadt entstanden ist oder entstehen könnte, unverzüglich mitzuteilen. Diese Tatbestände lagen bei dem Anfang 1997 anonym gegen Lehrpersonal einer Bremerhavener Berufsschule geäußerten Verdacht vor. Dementsprechend hätte der Magistrat das Rechnungsprüfungsamt unverzüglich von dem Verdacht gegen Lehrkräfte der Schule unterrichten müssen. Tatsächlich konnte das Rechnungsprüfungsamt seine Prüfungen erst rund ein Jahr, nachdem der Magistrat von den Vorwürfen Kenntnis erhalten hatte, aufnehmen. Diese Verzögerung behinderte die vollständige Aufklärung der Sachverhalte. Das Rechnungsprüfungsamt deckte weitere rechtswidrige Sachverhalte in der Schule auf und unterstützte so die Kriminalpolizei bei ihrer Ermittlungstätigkeit. In der öffentlichen Beweisaufnahme sagte die zuständige Prüferin aus, dass in mehreren Fällen aufgrund der verspäteten Information Verjährung eingetreten war.
Der Untersuchungsausschuss hat jedoch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Unterrichtung des Rechnungsprüfungsamts vorsätzlich unterlassen wurde oder dies nur aus Nachlässigkeit geschah.
Soweit der Oberbürgermeister Stellungnahmen und Berichte des Rechnungsprüfungsamts hier: zum Umbau des US-Hospitals bzw. über die Zuwendungen an freie Träger nicht an die Polizei weitergeleitet hat, stellt dieses Verhalten keinen Eingriff in die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts und damit keine unzulässige Einflussnahme auf die Tätigkeit des Rechnungsprüfungsamts dar.
Diese Fälle betreffen die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Das Verhalten des Oberbürgermeisters gegenüber den Strafverfolgungsbehörden hatte der Ausschuss nicht zu bewerten.
Bezogen auf die strafrechtliche Bewertung des anlässlich des Umbaus des USHospitals mit einem freien Träger der Wohlfahrtspflege geschlossenen Vertrags bestanden zwischen dem Magistrat und dem Rechnungsprüfungsamt offensichtlich Meinungsverschiedenheiten. Das nicht weitergeleitete Schreiben enthielt lediglich eine rechtliche Bewertung des Rechnungsprüfungsamts. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse, die für die Ermittlungen der Polizei bedeutsam hätten sein können, enthielt es nach den Feststellungen des Ausschusses nicht. Im übrigen stehen Polizei und Staatsanwaltschaft andere Möglichkeiten unter anderem die Zeugenvernehmung zur Durchführung von Ermittlungen zur Verfügung; letztlich wurde der Leiter des Rechnungsprüfungsamts auch als Zeuge vernommen.
Die Nichtweiterleitung der Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamts im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen unbekannt wegen der unerlaubten Weitergabe eines Prüfberichts über die Zuwendungen an freie Träger stellt nach den Feststellungen des Ausschusses keine unzulässige Einflussnahme des Magistrats auf das Rechnungsprüfungsamt dar. Ob hierdurch die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft behindert wurden, hatte der Ausschuss nicht zu bewerten.
Differenzierter zu betrachten ist hingegen die Nichtweiterleitung eines Akteneinsichtsgesuchs des Rechnungsprüfungsamts an die Staatsanwaltschaft.
Dem Rechnungsprüfungsamt steht weder die disziplinar- noch die arbeitsrechtliche Bewertung von Vorgängen zu. Soweit das Rechnungsprüfungsamt darauf hinwies, dass die Akteneinsicht auch Informationen hinsichtlich der Verletzung geltender Vorschriften und Grundsätze der Haushalts- und Wirtschaftsführung ermögliche, war das Anliegen jedoch berechtigt. Diese Prüfung gehört zu den klassischen Aufgaben des Rechnungsprüfungsamts und wird von den Grundsätzen der Unabhängigkeit geschützt. Vor diesem Hintergrund hätte das Akteneinsichtsgesuch auch zum Zeitpunkt noch nicht abgeschlossener Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden müssen. Die Entscheidung, ob, wie und wann Informationen abgefragt werden, fällt als Bestandteil der Prüftätigkeit in die alleinige Zuständigkeit des Rechnungsprüfungsamts.
Da der Stadtverordnetenvorsteher ausweislich des Gutachtens von Professor Pottschmidt nicht Vorgesetzter des Leiters sowie des Rechnungsprüfungsamts insgesamt ist, ist er an Kontakten des Rechnungsprüfungsamts nach außen nicht zu beteiligen. Bei ihm sind lediglich die Kontakte zwischen dem Rechnungsprüfungsamt und der Stadtverordnetenversammlung gebündelt. In Ermangelung anderer Regelungen ist das Rechnungsprüfungsamt jedoch verpflichtet, bei Außenkontakten den Dienstweg über den Oberbürgermeister einzuhalten. Das Rechnungsprüfungsamt kann daher nicht verpflichtet werden, Kontakte mit Ermittlungsbehörden ausschließlich über den Stadtverordnetenvorsteher zu führen.
Ebenso verhält es sich, wenn der Stadtverordnetenvorsteher einzelne Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamts zum Gespräch über die Prüfungstätigkeit in einzelnen Fällen bittet. Aufgrund der hierarchischen Struktur des Rechnungsprüfungsamts ist der Amtsleiter alleiniger Ansprechpartner.
5. Durch das Rechnungsprüfungsamt als unzulässige Einflussnahme gerügte Einzelfälle
Seit Frühjahr 1998 berichtete der Leiter des Rechnungsprüfungsamts in mehreren an die überörtliche Gemeindeprüfung beim Rechnungshof der Freien Hansestadt Bremen gerichteten Schreiben über einzelne Sachverhalte, die seiner Ansicht nach geeignet waren, die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts zu beeinträchtigen. Er führte einen umfangreichen Schriftwechsel und teilweise Gespräche mit dem Präsidenten des Rechnungshofs sowie mit dem für die überörtliche Gemeindeprüfung zuständigen Mitarbeiter.
Der Untersuchungsausschuss hat Beweis darüber erhoben, ob die vorgetragenen Sachverhalte geeignet waren, die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts zu beeinträchtigen. Im Folgenden werden nur die vom Untersuchungsausschuss als erheblich angesehenen Vorfälle dargestellt.
a) Einsichtsrecht des Rechnungsprüfungsamts in Personalakten
Im März 1999 bat das Rechnungsprüfungsamt das Personal- und Organisationsamt um Überlassung der Personalakte eines Stadtangestellten. Die Herausgabe der Personalakte wurde mit der Begründung abgelehnt, die Anforderung von Personalakten berge wegen der besonderen Vertraulichkeit und der datenschutzbezogenen Belange ein grundsätzliches Problem.
Nachdem sowohl das städtische Rechtsamt als auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz mitgeteilt hatten, es gebe für das Einsichtsrecht des Rechnungsprüfungsamts in Personalakten mangels gesetzlicher Regelung keine Rechtsgrundlage, wurde dem Rechnungsprüfungsamt mit Datum vom 2. Juli 1999 mitgeteilt, die angeforderte Personalakte könne nicht herausgegeben werden.
Das Rechnungsprüfungsamt fühlte sich dadurch in der Wahrnehmung seiner gesetzlich normierten Prüfungsaufgaben behindert.
Es vertrat die Auffassung, die Vorschrift des § 7 Abs. 1 RPO, wonach Unterlagen, die das Rechnungsprüfungsamt zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halte, auf Verlangen von den Ämtern zur Verfügung zu stellen seien, umfasse auch das Einsichtsrecht in Personalakten, das zur haushaltsrechtlichen Prüfung von Personalausgaben notwendig sei. Aufgrund der unüberwindbaren gegensätzlichen Rechtsstandpunkte erklärte das Rechnungsprüfungsamt, dass es bis zur endgültigen rechtlichen Klärung keine personalbezogenen Prüfungen mehr vornehmen werde.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 bat der Leiter des Rechnungsprüfungsamts das städtische Rechtsamt, beim Senat der Freien Hansestadt Bremen darauf hinzuwirken, § 95 LHO auch in die nach § 118 LHO für Bremerhaven geltenden Bestimmungen aufzunehmen und so eine Rechtsgrundlage für ein Einsichtsrecht in Personalakten zu schaffen.
Dieses Schreiben übersandte er nachrichtlich dem damaligen Stadtverordnetenvorsteher Petersen mit der Bitte, die Stadtverordnetenversammlung zu informieren.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2000 unterrichtete der Magistratsdirektor den Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken von der Initiative des Rechnungsprüfungsamts und führte aus, der Magistrat stelle dem Rechnungsprüfungsamt auf Anforderung alle zahlungs- bzw. prüfungsrelevanten Unterlagen zur Verfügung. Allerdings gebe es für die Aushändigung einer kompletten Personalakte zurzeit keine Rechtsgrundlage. Aufgrund einer Interessenabwägung sei es jedoch möglich, dem Rechnungsprüfungsamt die prüfungsrelevanten Teile der Personalakten auszuhändigen, nachdem dieses den konkreten Prüfungsanlass sowie das Prüfungsziel mitgeteilt habe. Aus Sicht des Magistrats bestehe keine Notwendigkeit, auf eine Änderung der Landeshaushaltsordnung hinzuwirken. Dieser Auffassung schloss sich der Stadtverordnetenvorsteher an.
Obwohl der Rechnungshof in seinen Berichten über die überörtliche Gemeindeprüfung für die Haushaltsjahre 1996 und 1997 darauf hinwies, dass ein Einsichtsrecht des Rechnungsprüfungsamts in Personalakten für die entsprechenden Prüftätigkeiten erforderlich sei, hielt der Magistrat an seiner Position fest.
Einen erneuten Versuch des Rechnungsprüfungsamts, anlässlich einer Prüfung von Versorgungsbezügen die entsprechenden Personalakten einzusehen, beschied der Stadtverordnetenvorsteher mit der Begründung abschlägig, dass auch nach der Auffassung des Rechnungshofs ein Einsichtsrecht des Rechnungsprüfungsamts in Personalakten nach derzeitiger Rechtslage nicht gegeben sei; lediglich einzelne Unterlagen könnten zur Verfügung gestellt werden.
Der Magistratsdirektor teilte darüber hinaus mit, das Personalamt beabsichtige nicht, die vollständigen Personalakten zur Verfügung zu stellen. Es werde zu diesem Zweck auch nicht die dafür erforderlichen Einwilligungen der jeweils betroffenen Versorgungsempfänger einholen.