Ziel die gesetzlich vorgesehene Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts zu
Mit Schreiben vom 7. November 2000 übersandte der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven, Paul Bödeker, dem Rechnungshof der Freien Hansestadt Bremen den Entwurf einer Dienstanweisung für das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Bremerhaven.
Ungeachtet des Hinweises auf seine Unzuständigkeit kündigte der Rechnungshof eine Überprüfung an.
Im Folgenden unterbreitete der Rechnungshof dem Stadtverordnetenvorsteher sowohl schriftlich als auch mündlich Vorschläge zur Änderung und Ergänzung der Dienstanweisung mit dem Ziel, die gesetzlich vorgesehene Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts zu wahren.
Der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss beschloss in seiner Sitzung am 31. Januar 2001 die aufgrund der durch den Rechnungshof erfolgten Prüfung und Beratung abgeänderte Dienstanweisung für das Rechnungsprüfungsamt.
Abschließend bleibt festzustellen, dass der Rechnungshof den Senat hier: den mit der Federführung der Kommunalaufsicht betrauten Senator für Inneres, Sport und Kultur nicht in Kenntnis setzte. Nach der Aussage des Präsidenten des Rechnungshofs der Freien Hansestadt Bremen sei dies Aufgabe der Beteiligten in Bremerhaven gewesen.
d) Zusammenfassende Bewertung
Eine unzulässige Einflussnahme auf die Unabhängigkeit und Amtsführung des Rechnungsprüfungsamts durch Organe des Landes konnte der Untersuchungsausschuss im Rahmen seiner Untersuchungen und Beweisaufnahmen nicht feststellen.
Der Senat war über die Probleme zwischen dem Leiter des Rechnungsprüfungsamts einerseits sowie dem Stadtverordnetenvorsteher und Magistrat andererseits nicht im Detail informiert. Die Beteiligten haben sich nicht an den Senat gewandt.
Dementsprechend konnte dieser seine Informationen nur aus den ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ziehen.
Der Vertragsentwurf war dem Senat zumindest aufgrund der Presseveröffentlichungen bekannt; gleichwohl wurden keine näheren Informationen angefordert.
Insoweit befragte der Untersuchungsausschuss den für öffentliches Dienstrecht zuständigen Referatsleiter beim Senator für Finanzen. Soweit der Senat die Anregung des Rechnungshofs in den Berichten über die überörtliche Gemeindeprüfung für die Jahre 1996264 und 1997265 mittels einer Änderung der Landeshaushaltsordnung oder des Bremischen Beamtengesetzes dem Rechnungsprüfungsamt ein Einsichtsrecht in Personalakten zu sichern, nicht aufgegriffen hat, stellt dies ebenfalls keine unzulässige Einflussnahme auf die kommunale Rechnungsprüfung dar. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf gesetzgeberisches Handeln, was auch für Gesetzesinitiativen gilt. Die fehlende Möglichkeit, Personalakten einzusehen, erschwert objektiv die Arbeit des Rechnungsprüfungsamts; insoweit müsste es auch im Interesse der Kommunalaufsicht liegen, dem Rechnungsprüfungsamt für den Bereich der Personalkosten Prüfungsmöglichkeiten zu eröffnen. Schließlich geben die Schlussberichte des Rechnungsprüfungsamts wichtige Informationen über die Wirtschafts- und Haushaltsführung der Stadt Bremerhaven, die zur Ausübung einer wirksamen Aufsicht unabdingbar sind.
Das Verhalten des Rechnungshofs der Freien Hansestadt Bremen Gemeindeprüfung ist differenziert zu betrachten. Die Berichte über die überörtliche Gemeindeprüfung 1996 und 1997 setzen sich intensiv und objektiv mit den wesentlichen Bemerkungen der jeweiligen Schlussberichte des Rechnungsprüfungsamts auseinander. Sie genügen in jeder Hinsicht dem Zweck der überörtlichen Gemeindeprüfung.
Der Rechnungshof korrespondierte auf kollegialer Basis ausführlich mit dem Leiter des Rechnungsprüfungsamts. Soweit der Rechnungshof den Stadtverordnetenvorsteher in Kenntnis seiner Unzuständigkeit bei der Erarbeitung der Dienstanweisung unterstützte, geschah dies sicherlich in der wohlmeinenden Absicht, die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts wahren zu wollen. Aus dem Gutachten von Professor Günter Pottschmidt ergibt sich zweifelsfrei, dass dieser Versuch misslungen ist. Entsprechend verhält es sich mit der Beratung hinsichtlich der Frage der Vorgesetzteneigenschaft.
Der Rechnungshof übte keine unzulässige Einflussnahme auf das Rechnungsprüfungsamt aus. Zum einen nahm der Rechnungshof nicht unmittelbar auf das Rechnungsprüfungsamt Zugriff, was ihm auch rechtlich verwehrt ist, zum anderen brachte der Rechnungshof bei all seinen Bemühungen immer deutlich zum Ausdruck, in der Sache nicht zuständig zu sein. Aus diesem Grund hatten seine teilweise fehlerhaften Rechtsauffassungen keine unmittelbare Auswirkung auf die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts.
III. Konsequenzen und Maßnahmen
Mit dem Untersuchungsauftrag wurden im Wesentlichen innerhalb der Stadtverwaltung Bremerhavens eingetretene Vorfälle teilweise Personalangelegenheiten des Rechnungsprüfungsamts der Stadt Bremerhaven berührt. Insoweit ist das in Art. 28 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz
(GG) gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Stadt Bremerhaven betroffen, das den Gemeinden das Recht zubilligt, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Personalangelegenheiten gehören zu den klassischen Selbstverwaltungsaufgaben einer Gemeinde.
Soweit die Kommunalaufsicht oder auch die Verankerung und die Rolle des Rechnungsprüfungsamts in der Stadtverwaltung insgesamt berührt sind, gehen die Feststellungen jedoch über den grundgesetzlich verankerten Bereich der kommunalen Selbstverwaltung hinaus. Hier ist nach Art. 30 i. V. m. Art. 70 GG die Kompetenz der Freien Hansestadt Bremen als Bundesland begründet. Dementsprechend unterbreitet der Untersuchungsausschuss dem Land Bremen im Folgenden konkrete Handlungsvorschläge. Die weitergehenden Ausführungen zu den möglichen durch die Stadt Bremerhaven zu ziehenden Konsequenzen können lediglich unverbindliche Hinweise darstellen.
1. Regelung des Kommunalrechts durch förmliches Landesgesetz
Es fehlt an einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage für die Art der Ausübung der Kommunalaufsicht des Landes Bremen über ihre Stadtgemeinden. Ob und in welchem Umfang hier Handlungsbedarf besteht, entzieht sich einer Beurteilung des Untersuchungsausschusses.
2. Einsichtsrecht des Rechnungsprüfungsamts in Personalakten
Die Feststellungen des Untersuchungsausschusses ergaben, dass die Frage, ob das Rechnungsprüfungsamt für Prüfzwecke ein Recht auf Einsichtnahme in Personalakten hat, umstritten ist.
Zur Überzeugung des Untersuchungsausschusses steht fest, dass es außerordentlich problematisch ist, wenn das Rechnungsprüfungsamt für die Einsichtnahme in Personalakten zu Prüfungszwecken von der Einwilligung des Betroffenen abhängig ist. So kann der Betroffene durch Verweigerung der Zustimmung die Prüfung verhindern. Eine Prüfung im Personalbereich wird zu keinem befriedigenden oder verwertbaren Ergebnis führen, wenn die erforderlichen Personalakten nicht bei266 vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3219) gezogen werden dürfen. Vor diesem Hintergrund sieht es der Ausschuss als zwingend notwendig an, dem Rechnungsprüfungsamt entsprechende Einsichtsrechte verbindlich zu sichern. Da die geltende Rechtslage offensichtlich Unsicherheiten in sich birgt, ist der Landesgesetzgeber aufgefordert, durch entsprechende Regelungen sicherzustellen, dass das Rechnungsprüfungsamt künftig auch im Personalbereich zur Erfüllung seiner Aufgaben für Prüfzwecke Einsicht in Personalakten nehmen darf. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist dabei angemessen zu berücksichtigen.
3. Mögliche Konsequenzen für die Stadt Bremerhaven
Wie bereits oben ausgeführt gehören die Organisation der Stadtverwaltung sowie die Personalangelegenheiten zur ureigensten Aufgabe der gemeindlichen Selbstverwaltung. Dementsprechend sind die im Folgenden aufgezeigten Konsequenzen und Maßnahmen lediglich als unverbindliche Hinweise zu verstehen.
Auf der Grundlage der Untersuchung lassen sich die bestehenden Konflikte zwischen Rechnungsprüfungsamt einerseits und Stadtverordnetenvorsteher, Oberbürgermeister und Magistrat andererseits in wesentlichen Bereichen beheben.
Dazu dürfte insbesondere das Rechtsgutachten von Professor Günter Pottschmidt vom 15. November 2002 beitragen. Dieses befasst sich intensiv mit der Rolle des Rechnungsprüfungsamts in der Stadtverwaltung Bremerhavens. Der Untersuchungsausschuss geht auch entsprechend der Bekundungen der Beteiligten davon aus, dass die Beteiligten auf dieser Grundlage eine Basis für die weitere Zusammenarbeit finden. Nach dem Gutachten hat sich die Dienstanweisung für das Rechnungsprüfungsamt als überarbeitungsbedürftig erwiesen. Da nunmehr die einzelnen die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamts berührenden Punkte benannt sind, hat der Ausschuss keinen Zweifel daran, dass die Stadt Bremerhaven eine entsprechende Änderung vornehmen wird. Auch die Rechnungsprüfungsordnung dürfte insoweit einer kritischen Prüfung zu unterziehen sein.
IV. Gesamtbewertung
1. Die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses geben Aufschluss über die Rechtsstellung des Rechnungsprüfungsamts der Stadt Bremerhaven. Danach ist die Rechtsauffassung überzeugend, dass nicht der Stadtverordnetenvorsteher, sondern die Stadtverordnetenversammlung insgesamt als Kollegialorgan Vorgesetzte des Leiters des Rechnungsprüfungsamts und somit höhere Vorgesetzte der übrigen Mitarbeiter/-innen des Rechnungsprüfungsamts ist.
Das Rechnungsprüfungsamt ist gegenüber Magistrat und Stadtverordnetenversammlung unabhängig, d. h., in Bezug auf die Auswahl des Prüfungsgegenstandes, die Arbeitsplanung, die Wahl des Prüfungszeitpunktes, das Prüfungskonzept, die Prüfungsintensität sowie die Ergebnisfeststellung und -bewertung ist es weisungsungebunden.
Für Weisungen bleibt nur da Raum, wo Regelungen des äußeren Dienstbetriebes zu treffen sind, die nicht die Prüfungen als solche betreffen. Das Rechnungsprüfungsamt ist weder zur Ahndung von Straftaten noch von Dienstpflichtverletzungen berufen. Auch ist es nicht Aufgabe des Rechnungsprüfungsamts, die Kommunalaufsicht oder die überörtliche Gemeindeprüfung zu mobilisieren.
Der Stadtverordnetenvorsteher stellt ein Bindeglied zwischen dem Rechnungsprüfungsamt und der Stadtverordnetenversammlung bzw. den von ihr beauftragten Ausschüssen dar. Er darf den Kontakt des Rechnungsprüfungsamts zur Stadtverordnetenversammlung nicht unterbinden und ist verpflichtet, Prüfberichte und Schreiben des Rechnungsprüfungsamts der Stadtverordnetenversammlung sowie den von ihr beauftragten Ausschüssen zuzuleiten.
2. Nach Fertigstellung und Aushändigung der Prüfungsberichte an den Magistrat/Oberbürgermeister ist dieser für die Weiterleitung an die Ausschüsse verantwortlich. Dies erfolgt nicht unter der Aufsicht des Rechnungsprüfungsamts. Dem Rechnungsprüfungsamt bleibt für den Fall, dass seine Berichte nicht weitergeleitet werden, nur die Möglichkeit, sich an die ihm vorgesetzte Stadtverordnetenversammlung zu wenden.