Zugriffe auf einzelne Prüfer und Einmischung in Prüfvorgänge

Vorbemerkung: Zur Notwendigkeit eines Minderheitenvotums

Die Sachverhaltsfeststellungen des Abschlussberichts (im Folgenden auch Mehrheitsbericht oder Mehrheitsvotum genannt) sind im Großen und Ganzen zutreffend und vollständig. Die Notwendigkeit eines Sondervotums ergibt sich aus dem Umstand, dass dagegen die Bewertungen und Konsequenzen nicht den gewonnenen Erkenntnissen entsprechen und daher einer Ergänzung bedürfen, die Gegenstand der folgenden Stellungnahme ist. Da der Mehrheitsbericht insoweit nicht der Anforderung entspricht, die Bremische Bürgerschaft umfassend zu informieren, der Untersuchungsausschuss es jedoch mehrheitlich abgelehnt hat, entsprechende Änderungen gemäß einem Antrag des Vertreters von Bündnis 90/Die Grünen in den Bericht aufzunehmen, muss diese Stellungnahme als Sondervotum erfolgen.

Die festgestellten Lücken sind nicht Produkt einer unzureichenden Beweisaufnahme. Diese verlief im Wesentlichen einvernehmlich; die Minderheitenrechte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurden beachtet. Reibungsverluste ergaben sich allerdings dort, wo Fraktionszwänge die Arbeit des Untersuchungsausschusses über Gebühr einengten.

Diese koalitionsbedingten Zwänge wurden am deutlichsten im Rahmen der Befassung des zuvor mit den SPD-Vertretern abgestimmten Abschlussberichts des Vorsitzenden. Folge der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner mit der SPD war, dass in zentralen Fragen der Untersuchungstätigkeit das Ergebnis offen gehalten wurde. So auch dort, wo nach richtiger Ansicht eine eindeutige Stellungnahme möglich und angezeigt war, etwa in der Bewertung der Vorgänge um den Vertragsentwurf vom 19. September 2000. Diese eindeutige Würdigung der erzielten Ergebnisse wird in dem hier vorgelegten Sondervotum nachgeholt. Dieses Votum erhebt dabei nicht den Anspruch eines eigenständigen vollständigen Berichts, sondern versteht sich als Ergänzung und teilweise Korrektur des Mehrheitsberichts.

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses und insbesondere deren Niederschlag in der Öffentlichkeit war zum Teil geprägt durch eine bemerkenswerte Themenverschiebung. Während ein Teil des Ausschusses den im Einsetzungsbeschluss formulierten Fragen nach unzulässigen Einflussnahmen auf die Rechnungsprüfung und entsprechenden Konsequenzen nachging, schien das Interesse der SPDMitglieder des Ausschusses zeitweise mehr auf die Frage gerichtet zu sein, ob man dem Amtsleiter des Rechnungsprüfungsamtes dienstliche Verfehlungen nachweisen konnte. Diese Frage war aber nur insoweit zulässiger Gegenstand des Untersuchungsauftrags, als dass zu klären war, ob disziplinarische Vorermittlungen willkürlich und ohne Grundlage gegen den Amtsleiter eingeleitet worden waren. Da dieser Punkt von dem jetzt zuständigen Vorermittlungsführer ohnehin untersucht wurde, bestand keine Veranlassung, ihn derart in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken, wie es zeitweise, insbesondere in der Außendarstellung der Ausschussarbeit, versucht wurde. Es handelte sich nach grüner Ansicht hierbei um den Versuch der Vertreter der SPD im Untersuchungsausschuss, den Leiter des Rechnungsprüfungsamts als Verantwortlichen für die Konflikte darzustellen, frei nach der Devise: Wer seinen Arbeitgeber derart provoziert, darf sich über die Antwort nicht wundern, auch wenn diese seine Rechte grob missachtet. Nach Auffassung des grünen Vertreters im Untersuchungsausschuss sollte so zugleich als Botschaft der parlamentarischen Untersuchung transportiert werden, dass derjenige, der der kommunalen Verwaltungsspitze gegenüber beharrlich als streitbarer, penibler Mahner auftritt, um seinen Ruf fürchten muss, sobald er sich selbst einen Fehler erlaubt. Auch einem solchen fatalen Signal soll mit dem Sondervotum entgegengewirkt werden.

Die Ausschuss war notwendig, und seine Arbeit war bezogen auf den Untersuchungsauftrag auch erfolgreich. Es konnten zahlreiche Fälle unzulässiger ­ z. T. versuchter ­ Einflussnahmen herausgearbeitet werden. Der Ausschuss förderte ebenso Fehler seitens einzelner Organe des Landes zu Tage. Es konnten die strukturellen Probleme beleuchtet werden, die zu der Eskalation der Konflikte führten und die Einsetzung des Untersuchungsausschusses erforderlich machten. Schließlich wird im Abschlussbericht, dem in diesem Punkt ausdrücklich gefolgt wird, der Rahmen für eine Neuordnung der rechtlichen Beziehungen zwischen den Organen der Stadt Bremerhaven und dem Rechnungsprüfungsamt formuliert.