Datenschutz in Kinderbetreuungseinrichtungen

Wir fragen die Staatsregierung:

1. Sind die bayerischen Kinderbetreuungseinrichtungen verpflichtet, über die betreuten Kinder Fragebögen auszufüllen? Wenn ja, besteht diese Verpflichtung für die Fragebögen SISMIK, PERIK, SELDAK und für weitere derartige Fragebögen?

2. Wie häufig müssen diese Fragebögen ausgefüllt werden?

3. Wie lange, von wem und auf welche Weise werden diese ausgefüllten Fragebögen aufgehoben?

4. Für welche Zwecke und von wem werden diese Daten verwendet?

5. Auf welche Art und Weise wird der Schutz dieser sensiblen Daten sichergestellt?

6. Gibt es eine Bewertung dieser Regelung durch den Bayerischen Datenschutzbeauftragten? Wenn ja, mit welchem Tenor?

7. Werden die Eltern bzw. Sorgeberechtigten der Kinder vorher nach ihrer Einwilligung gefragt?

8. Bestehen darüber hinaus Verpflichtungen der Kinderbetreuungseinrichtungen, Informationen über die betreuten Kinder systematisch zu erheben und gegebenenfalls diese anderen Stellen (zum Beispiel Schulen oder Behörden) mitzuteilen?

Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 25.02.

Zu 1.: Sprachkompetenz ist die Grundlage für Bildung, gesellschaftliche Teilhabe und Integration in die Gesellschaft, sie ist wichtige Voraussetzung für Chancengerechtigkeit. Deshalb ist Sprachförderung eine gesetzlich verankerte Kernaufgabe (Art. 12 i. V. m. § 5 und ein Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit bei allen Kindern in der Kindertagesbetreuung, unabhängig von ihrer Herkunft.

Mit Beschluss des Ministerrats vom 19. und 20. Dezember 2005 wurde die Deutschförderung verstärkt. Insbesondere wurde vereinbart, Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse nicht mehr einzuschulen, sofern sie nicht vorher eine spezielle vorschulische Sprachförderung durchlaufen haben.

Dazu ist der Sprachstand von Kindern, deren Eltern beide nichtdeutschsprachiger Herkunft sind, nach § 5 Abs. 2 in der ersten Hälfte des vorletzten Kindergartenjahres verpflichtend durch den zweiten Teil des SISMIK-Bogens (Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen) zu erheben. Bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern ist der Sprachstand nach § 5 Abs. 3 ab der ersten Hälfte des vorletzten Kindergartenjahres vor der Einschulung anhand des Beobachtungsbogens Seldak (Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern) zu erheben.

Mit dem Beobachtungsbogen PERIK (Positive Entwicklung und Resilienz im Kindergartenalltag) oder eines gleichermaßen geeigneten Beobachtungsbogens begleitet und dokumentiert das pädagogische Personal den Entwicklungsverlauf der Kinder (§ 1 Abs. 2 Satz 2

Zu 2.: Differenzierte Beobachtungen sind eine wesentliche Voraussetzung für eine individuelle, differenzierte Förderung. Beobachtung und Dokumentation gehören daher untrennbar zu einer professionellen pädagogischen Arbeit. Die genannten Beobachtungsbögen unterstützen dabei das pädagogische Personal. Durch gezielte Beobachtungen zu verschiedenen Zeitpunkten einzeln oder arbeitsteilig im Team können anhand der Beobachtungsbögen Entwicklungen des Kindes festgestellt werden und bietet sich die Gelegenheit, die pädagogische Arbeit immer wieder zu reflektieren. PERIK, SELDAK und SISMIK sind so angelegt, dass mit ihrer Anwendung nicht nur ein IST- Zustand des Kindes beschrieben wird, sondern das pädagogische Personal gleichzeitig zu einer gezielten Förderung des Kindes hingeführt wird. Die Beobachtungsbögen müssen grundsätzlich für jedes Kind ausgefüllt werden. Wie häufig Beobachtungen durchgeführt und dokumentiert werden können, ist schließlich abhängig von dem hierfür zur Verfügung stehenden Zeitbudget des Personals.

Zu 3.: Eine gesetzliche Regelung zur Aufbewahrung existiert nicht.

Die Bögen sind vom Träger aufzubewahren und zweckmäßigerweise mindestens so lange, wie ein Kind die Kindertageseinrichtung besucht. Die Art und Weise obliegt dem Träger, wobei dieser sicherstellen muss, dass der Datenschutz gewährleistet wird und Unbefugte keinen Zugriff auf die Bögen haben.

Soweit Beobachtungsbögen nicht ohnehin im Einvernehmen mit den Eltern an eine anderweitige Kindertageseinrichtung oder die Schule weitergegeben (vgl. Frage 4) oder den Eltern direkt ausgehändigt werden, sollten diese nach Rücksprache mit den Eltern noch rund 7 bis 8 Monate aufbewahrt werden, wenn eine Rückkehr des Kindes nicht ausgeschlossen werden kann (z. B. bei Zweifeln an der Schulfähigkeit).

Zu 4.: Anhand der Sprachentwicklungsbögen SISMIK und SELDAK und dem Beobachtungsbogen PERIK soll das pädagogische Personal in den Einrichtungen die Entwicklung der Kinder begleiten und die Erziehungspartnerschaft mit den Eltern intensivieren.

Kindertageseinrichtung und Schule haben die Aufgabe, Kinder, deren Einschulung ansteht, auf diesen Übergang vorzubereiten und hierbei zu begleiten und die Anschlussfähigkeit zwischen beiden Institutionen herzustellen (§ 15 Abs. 2 Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Hierbei ist eine enge Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule erforderlich, bei der die beiden Kooperationspartner Kindertageseinrichtung/Grundschule die vorrangige Elternverantwortung und das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Eltern und Kindern zu beachten haben. Um diesen Übergang bestmöglich zu gestalten, sollen nicht nur die pädagogischen Ansätze von Kindertageseinrichtung und Grundschule aufeinander abgestimmt sein, sondern auch unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben Informationen (Daten) über die einzelnen Kinder in einem einheitlichen Verfahren zwischen beiden Institutionen gegenseitig übermittelt und ausgetauscht werden. Dies gilt auch für die Übermittlung von Informationen von Schulvorbereitenden Einrichtungen (SVE) an die Förderschulen und Grundschulen. Hierfür wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus einschließlich der jeweiligen Datenschutzbeauftragten ein Informationsbogen (Übergabebogen) entwickelt, mit dem die Interessen der Kindertageseinrichtungen und der Grundschulen, der Kinder und der Eltern gleichermaßen berücksichtigt werden. Darin stehen die individuellen Kompetenzen der Kinder im Vordergrund: Die Grundschulen werden mit dem Informationsbogen in die Lage versetzt, individuelle Fördermaßnahmen der Kinder nahtlos und ohne zeitliche Verzögerung weiterzuführen und einzelne Kompetenzbereiche im Rahmen des Einschulungsverfahrens intensiver zu beobachten, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die pädagogischen Fachkräfte der Kindertageseinrichtung sind angehalten, den Bogen zusammen mit den Eltern auszufüllen. Den Informationsbogen erhalten die Eltern zur Vorlage bei der Schuleinschreibung. Das Ausfüllen des Bogens sowie die Vorlage bei der Schuleinschreibung sind für die Eltern freiwillig.

Insbesondere der Austausch von im Kindergarten anvertrauter Daten setzt die Zustimmung der Eltern voraus. Für die Durchführung dieses Zustimmungsverfahrens im Rahmen der Kooperation ist die Kindertageseinrichtung zuständig, die Schule erhält jeweils eine Kopie der Einwilligung. Die Zustimmung der Eltern setzt sich aus zwei Erklärungen zusammen, die jeweils verschiedene Kooperationsweisen legitimieren und für die Muster zur Verfügung stehen:

­ Kindergärten haben generell keine originäre Bildungs- und Erziehungsverantwortung für das Kind, sondern diese ist von den Eltern mittels Vollmacht zu übertragen.

Diese Vollmachtsübertragung erfolgt im Rahmen des Betreuungsvertrages durch Einverständnis mit der Konzeption der Einrichtung und ist daher Aufnahmebedingung.

Die Konzeption muss konkrete Ausführungen zu Schulvorbereitung und Übergangsbegleitung des Kindes enthalten. Die Vollmacht gilt ab dem Tag der Aufnahme des Kindes in die Kindertageseinrichtung bis zum Ende des 1. Schuljahres. Mit der Vollmacht werden den pädagogischen Kräften und Lehrkräften notwendige gegenseitige Zugangsberechtigungen geschaffen (z. B. gegenseitige Besuche und Hospitationen), um z. B. Kontakt zum Kind aufzunehmen, mit ihm Gespräche zu führen und Lernangebote zu machen oder Eindrücke über das Kind durch beiläufiges Beobachten zu sammeln und im Rahmen anonymisierter Gesprächsführung zu reflektieren.

­ Eine gesonderte schriftliche Einwilligung der Eltern ist notwendig, wenn sog. anvertraute Informationen (Daten) (z. B. gezielte Beobachtungen der Lern- und Entwicklungsprozesse) über das Kind weitergegeben werden oder ein konkreter Informationsaustausch zwischen pädagogischen Kräften und Lehrkräften stattfinden soll.

Im Rahmen eines (Einschulungs-)Elternabends werden die Eltern über das Erfordernis ihrer Einwilligung in den Fachdialog und den Zweck und Inhalt der geplanten Gespräche informiert. Die Eltern können frei entscheiden, ob sie ihre Einwilligung erteilen oder nicht. Die Einwilligung ist im Falle der Einschulung beim Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Schule frühestens zu Beginn des letzten Kindergartenjahres und vor dem konkreten fachlichen Austausch über ein Kind einzuholen sowie bei der Planung und Durchführung von Vorkursen für Migrantenkinder frühestens im vorletzten Kindergartenjahr. Die Einwilligung der Eltern ermöglicht den konkreten Fachdialog über ein bestimmtes Kind und ggf. die Planung und Durchführung von Vorkursen für Migrantenkinder und den entsprechenden Fachdialog über die teilnehmenden Kinder. Sie dient insbesondere der Vorbereitung von Entscheidungen zur Förderung des Kindes (Einschulung, Vorkurse, Individualisierung des Schulunterrichts etc.). Mit Einwilligung der Eltern können Beobachtungsbögen wie z. B. SISMIK, SELDAK und PERIK weitergegeben und dadurch der Übergang in die Grundschule unterstützt werden.

Zu 5.: Jeder Träger und jede Einrichtung ist selbst dafür verantwortlich, dass die datenschutzrechtlichen Vorschriften und Vorgaben eingehalten werden.

Zu 6.: Eine Bewertung des o. a. Verfahrens durch den Bayerischen Datenschutzbeauftragten liegt nicht vor und ist nicht erforderlich. Eine Zuständigkeit des Bayerischen Datenschutzbeauftragten für private und kirchliche Kindertageseinrichtungen ist im Übrigen nicht gegeben. Bezüglich des Übergangs von Kindertageseinrichtung zur Grundschule wurden die Anregungen des Datenschutzbeauftragten berücksichtigt (z. B. Hinweis zur Freiwilligkeit einer Datenübergabe, Informationen über die Zwecksetzung, Bestimmtheit der Einwilligungserklärung).

Zu 7.: Die Erhebungen anhand der Sprachentwicklungsbögen SISMIK und SELDAK und dem Beobachtungsbogen PERIK zählen zu den Fördervoraussetzungen der kindbezogenen Förderung nach dem. Es obliegt den Trägern der Kindertageseinrichtungen, im Betreuungsvertrag auf die Anwendung der Beobachtungsbögen hinzuweisen.

Das Ausfüllen des Informationsbogens (Übergabebogens) sowie die Vorlage bei der Schuleinschreibung sind für die Eltern freiwillig und erst mit deren Zustimmung zulässig.

Zu 8.: Es bestehen keine Verpflichtungen der Kindertageseinrichtungen, systematisch Informationen über die betreuten Kinder zu erheben.