Holz als heimischer Roh-, Bau- und Werkstoff/Brückenbau Piding ­ Bad Reichenhall

Bad Reichenhall und Piding verbindet im Ortsteil Staufen eine Fußgängerbrücke aus Beton, die baufällig gesperrt werden musste. Obschon ein Behelfssteg errichtet wurde, wurde zügig über einen Neubau der Brücke beraten. Die Stadt Bad Reichenhall bekam in Folge dessen ein konkretes, kostenfreies Beratungsangebot des Holzabsatzfonds. Ein Termin dazu wurde nicht vereinbart.

Am 10.03.2009 wurde nun von Stadtbaumeister Herrn Knaus die Feststellung erhoben, dass Holz als Bauträger nicht geeignet sei. Stattdessen wurde Folgendes vorgeschlagen: Der Stadtrat beschließt für den Neubau des Staufenstegs die Verwendung einer kostengünstigen zweckmäßigen Brükkenkonstruktion aus Stahl, aus einer Stahl-/Stahlbetonverbund-Konstruktion oder aus einer Spannbetonkonstruktion als wirtschaftlichste Lösung im Bau und Betrieb.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Gibt es einen Beschluss zur Bevorzugung heimischer Rohstoffe bei Bauvorgängen, insbesondere bei Bauten, die vom Freistaat bezuschusst werden?

2. Ist der Staatsregierung bekannt, dass die Gemeinde Piding, die diesen Bau finanziell mittragen muss, angesichts ihrer Forderung nach einer materialoffenen Planung nicht gehört wurde?

3. Ist das Vorgehen, dass für die Planung des Staufenstegs lediglich ein einziges Büro beauftragt wurde und keine offene Ausschreibung erfolgte, nach Ansicht der Staatsregierung zu beanstanden?

4. Ist der Staatsregierung bekannt, mit welchen laufenden Unterhaltskosten im Falle einer Brückenkonstruktion aus Stahl, aus einer Stahl-/Stahlbetonverbund-Konstruktion oder aus einer Spannbetonkonstruktion zu rechnen ist?

5. Erscheint eine Spannbetonkonstruktion angesichts der Erfahrungen der Staatsregierung bezüglich der Korrosionserscheinungen von Beton als eine empfehlenswerte Alternative?

6. Hat die Staatsregierung dafür Verständnis, dass vonseiten der Stadt Bad Reichenhall das Beratungsangebot des Holzabsatzfonds nicht wahrgenommen wurde?

7. Wie kann es gerechtfertigt werden, dass der Baustoff Holz in der öffentlichen Ausschreibung als nicht geeignet dargestellt wird, obwohl zahlreiche Gutachten und bestehende Bauten bestätigen, dass Holz hervorragend für solcherlei Zwecke geeignet ist?

8. Ist es nach den Erkenntnissen der Staatsregierung üblich und rechtlich in Ordnung, dass die Ökobilanz der Baumaterialien bei Bauplanungen keine Beachtung findet, so wie in diesem Fall in der Beschlussvorlage?

Vorbemerkung:

1. Generell ist darauf hinzuweisen, dass die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im eigenen Wirkungskreis aufgrund ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach eigenem Ermessen handeln. Sie sind nur an die gesetzlichen Vorschriften gebunden (Art. 7 Abs. 2 GO).

Die staatliche Aufsicht ist auf die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns beschränkt (Art. Abs. 1 GO).

Dieser Grundsatz gilt auch für die Überlegungen und Entscheidungen der Stadt Bad Reichenhall und der Gemeinde Piding im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Fußgängerbrücke. Planung und Bau eines in gemeindlicher Baulast stehenden Brückenbauwerks sind ausschließlich dem eigenen Wirkungskreis einer Gemeinde und dem Bereich der kommunalen Selbstverwaltung zuzurechnen.

2. Die Stadt Bad Reichenhall hat zum Zeitpunkt der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage noch keinen Planungsauftrag für das Projekt erteilt; es befindet sich erst im Stadium von Vorüberlegungen.

Zu 1.: Ein derartiger Beschluss ist nicht bekannt.

In dem von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern herausgegebenen Handbuch für die Vergabe und Durchführung von Bauleistungen durch Behörden des Freistaates Bayern (Vergabehandbuch VHB Bayern, Ausgabe 2008) ist aber unter den Allgemeinen Vorschriften 7402 (Verwendung von Holz im staatlichen Bauwesen) eine immer noch gültige Entschließung der Obersten Baubehörde vom 14.04.1967 enthalten, die anordnet, dass bei allen staatlichen Baumaßnahmen, bei denen es wirtschaftlich und technisch vertretbar und sinnvoll ist, möglichst Holz als Baustoff zu verwenden ist.

Das staatliche Vergabehandbuch ist den Kommunen zwar zur Anwendung empfohlen, für kommunale Auftraggeber aber angesichts des verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrechts nicht verbindlich vorgeschrieben.

Bei der Förderung des kommunalen Straßenbaus nach dem sowie dem FAG bestehen keine Vorgaben zur Bevorzugung heimischer Rohstoffe.

Zu 2.: Die Gemeinde Piding hat sich an die Stadt Bad Reichenhall mit dem Vorschlag einer materialoffenen Ausschreibung gewandt.

Da die Gemeindegrenze zwischen Piding und Bad Reichenhall an der Saalach nicht in der Flussmitte, sondern auf der Böschung auf Pidinger Seite liegt, ist die Stadt Bad Reichenhall kraft Gesetzes für ca. 90 % des Bauwerks Straßenbaulastträger.

Nach Auskunft der Stadt hat diese intern verschiedene Materialien in Betracht gezogen, u. a. auch Holz. Sie gehe davon aus, dass sich für das spezielle Brückenbauwerk Staufensteg Stahlbeton besser eigne als Holz und zudem kostengünstiger sei, was aufgrund der Haushaltslagen beider Gemeinden einen wesentlichen Aspekt darstelle. Insbesondere im Bauunterhalt habe Holz Nachteile.

Es ist damit zu rechnen, dass die Stadt eine bevorzugt auf Stahlbeton setzende Planung auf den Weg bringen wird.

Ob diese Überlegungen die Zustimmung Pidings finden werden, ist im derzeitigen Stadium noch offen. Eine Einigung zwischen den beiden Gemeinden wird im weiteren Verfahren bei der angestrebten Mitfinanzierung erforderlich sein.

Ein Einwirken des Staates auf diesen Meinungsbildungsprozess ist unter Beachtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nicht möglich.

Zu 3.: Für die ­ noch nicht beauftragte ­ Projektplanung sind die Vorgaben der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erst ab Erreichen eines Auftragswertes von 206.000 (ohne Umsatzsteuer) zu beachten. Es ist nach den anhand von Referenzprojekten geschätzten Baukosten in keinem Fall zu erwarten, dass das Planerhonorar unter Beachtung der HOAI diese Grenze erreichen wird. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Ingenieurleistung nicht öffentlich ausgeschrieben wird.

Zu 4.: Die wichtigsten Faktoren für die Wirtschaftlichkeitsberechnung von Brückenbauwerken sind dabei die Herstellungskosten, die Lebensdauer und die Unterhaltungskosten.

Während die Planungs- und Investitionskosten des Neubaus relativ gut zu erfassen sind, ist die Abschätzung der voraussichtlichen Lebensdauer, der Unterhaltungskosten sowie die des Rückbaus einschl. der Entsorgung schwieriger.

Zur Ermittlung werden hierzu die vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) herausgegebenen Richtlinien für die Berechnung der Ablösebeträge der Erhaltungskosten für Brücken und sonstige Ingenieurbauwerke herangezogen. Diese wurden erstmals im Jahre 1980 auf der Grundlage der Beschlussfassung des Brücken- und Ingenieurbauten herausgegeben.

Zu 5.: Eine Spannbetonkonstruktion erscheint als Alternative möglich. Grundsätzlich sind uns keine besonderen Korrosionserscheinungen bei Spannbetonbrücken bekannt. Diese Erkenntnisse werden auch durch den Bericht über die Qualität, Dauerhaftigkeit und Sicherheit von Spannbetonbrücken, der vom BMVBS zur Vorlage an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages im Januar 2006 erstellt wurde, bestätigt.

Zu 6.: Planung und Bau der Fußgängerbrücke sind Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde und damit von staatlicher Seite nur im Rahmen der Rechtsaufsicht zu beurteilen. Ob die Gemeinden Beratungsangebote Dritter wahrnehmen, ist allenfalls eine Frage der Zweckmäßigkeit kommunalen Handelns und deshalb seitens der Staatsregierung nicht zu bewerten.

Zu 7.: Da die Bauleistungen für die Brücke noch nicht öffentlich ausgeschrieben sind, kann die Frage derzeit nicht beantwortet werden.

Zu 8.: Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen müssen auch die Kommunen die von der Bayerischen Staatsregierung erlassenen Richtlinien über die Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen ­ beachten (Nummer 1.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 14. Oktober 2005 S. 424) zur Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich). Nummer 1 regelt Folgendes: Bei umweltbedeutsamen öffentlichen Aufträgen zur Beschaffung von Gütern, über Dienstleistungen (z. B. Gebäudereinigung, Winterdienst) sowie über Bauleistungen hat die Vergabestelle zu ermitteln, welche umweltfreundlichen Lösungen angeboten werden. Bei Dienstleistungen beziehen sich die Ermittlungen auf die Art der Durchführung und auf die zu verwendenden Stoffe, bei Bauaufträgen auf die Baustoffe; dabei ist der Baustoff Holz ­ seinen technischen und ökologischen Eigenschaften entsprechend ­ gleichberechtigt in die Planungsüberlegungen einzubeziehen.

In ihre Planungsüberlegungen hat die Stadt Bad Reichenhall den Baustoff Holz entsprechend der genannten einbezogen. Dies ergibt sich auch aus der Beschlussvorlage für den Gemeinderat. Wenn sie nach Abwägung der Vorund Nachteile und unter Einbeziehung der Erfahrungen aus andernorts bereits verwirklichten Brückenlösungen zu der Einschätzung gekommen ist, dass dem Baustoff Stahlbeton für die konkrete Baumaßnahme bei den weiteren Planungen der Vorzug zu geben ist, ist dies nicht zu beanstanden.

Die beabsichtigte Zulassung von Nebenangeboten unter Berücksichtigung des Baustoffes Holz lässt außerdem erkennen, dass sich die Stadt aus der Ausschreibung resultierende anderweitige Erkenntnisse offenhält.

Fragen zur Berücksichtigung unterschiedlicher Konstruktionsweisen und Baustoffe werden daher von der Vergabestelle im Vergabeverfahren zu würdigen sein.