Planspiel als Mittel der erlebnisorientierten Bildung im Unterricht

Planspiele sind grundsätzlich ein probates Mittel, um komplexe Sachverhalte handlungs- und erlebnisorientiert zu vermitteln. Sie werden deshalb v. a. auch für die Wissensvermittlung politischer Systeme entwickelt und herangezogen.

Ein wesentliches Ziel ist hierbei die Förderung der Politikkompetenz unter jungen Menschen. Die Bayerische Staatsregierung, die Landeszentrale für politische Bildung und der Bayerische Landtag unterstützen deshalb zahlreiche Planspiele, an denen teilweise Abgeordnete des Bayerischen Landtags teilnehmen.

Ich frage die Staatsregierung:

Welche Planspiele und Planspielreihen werden derzeit aus Mitteln des Freistaats ­ aufgeschlüsselt nach Schularten bzw. Zielgruppen ­ gefördert.

Wer sind die durchführenden Organisationen und nach welchen Kriterien findet die Trägerauswahl statt?

Wie viele Jugendliche konnten im letzten Jahr an diesen Planspielen teilnehmen?

Aus welchen Gründen kam es zu Absagen von Planspielen?

Wie viele Abgeordnete nahmen an Planspielen teil?

Gibt es regelmäßige Planspiele, die schulübergreifend stattfinden?

Gibt es Planspiele, die im außerschulischen Bereich angewendet werden können?

Wie sind Planspiele im Lehrplan verankert?

Welche Fortbildungsangebote für Lehrkräfte bestehen?

Wer bietet diese an?

Welche Kosten entstehen bei der Durchführung der genannten Planspiele und von wem müssen sie getragen werden?

Welche finanziellen Mittel stehen durch den Freistaat Bayern zur Verfügung?

6. Welche Planspiele mit Unterstützung des Freistaats sind derzeit neu in der Entwicklung?

7. Wie gewährleistet die Bayerische Staatsregierung, dass Planspiele als Dauerangebot für die Schulen angeboten werden und damit die Nachhaltigkeit politischer Bil25.06. dung gewährleistet und ernst genommen wird?

8. Gibt es eine bayernweite Erhebung über die Durchführung und Anwendung von Planspielen in der schulischen und außerschulischen Bildung?

Antwort des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 14.05.

Vorbemerkung:

Die Vermittlung von Lerninhalten im Unterricht kann sinnvoll ergänzt werden durch pädagogische Instrumente, die auf die unmittelbare Erfahrung der Schülerinnen und Schüler zielen. Simulationen, in denen die Teilnehmer in unterschiedlichen Rollen anhand einer konkreten Fragestellung einen Entscheidungsprozess durchspielen und die gemachten Erfahrungen reflektieren, stellen ein derartiges Instrument dar.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in allen Schularten inner- und außerhalb des Unterrichts Planspiele zur Vermittlung und Festigung von Lerninhalten durchgeführt werden, die z. B. von Unternehmen (z. B. Sparkassen) oder politischen Institutionen auf Länderebene, auf nationaler und internationaler Ebene (Europäisches Parlament, UNO) initiiert werden. Da die Schulen dies jedoch in eigener Verantwortung und in Erfüllung der originär in Lehrplänen verankerten Vorgaben tun und andererseits das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus keine Sondererhebungen zu dieser Frage durchführt, liegen keine Informationen vor, welche Projekte konkret realisiert wurden, wie viele Schülerinnen und Schüler daran teilnahmen und welche Mittel dafür zur Verfügung standen. Daher kann für alle Schularten nur zu einigen der Teilfragen der Schriftlichen Anfrage eine konkrete Aussage getroffen werden, häufiger können sie nur exemplarisch beantwortet werden. Das Staatministerium für Unterricht und Kultus geht aber davon aus, dass Planspiele von den Schulen in einem Umfang umgesetzt werden, der über die genannten Beispiele hinausgeht.

Zu 1.1: Planspiele, die im Unterricht oder im Kontext von Unterrichtsgängen oder Schullandheimaufenthalten durchgeführt werden, erfahren insofern eine Finanzierung aus Mitteln des Freistaates Bayern, als Lehrkräfte im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben diese Planspiele vorbereiten und durchführen. Im Einzelnen hat das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus aber keine Kenntnis darüber, an welchen Schulen bzw. Schularten und in welchen Fächern und in welcher Häufigkeit Planspiele durchgeführt werden.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Institutionen in Bayern, die aus Mitteln des Freistaates Bayern mit Schülern bzw. Schulklassen Planspiele durchführen. Hierzu gehören z. B.:

a) Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit i. Deutsch-amerikanisches Jugendseminar mit einem eintägigen Planspiel (im Jahr 2009 zum Thema NATO ­ The Alliance under Challenge): Zweimal im Jahr organisiert die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Auftrag der Bayerischen Staatskanzlei ein viertägiges deutsch-amerikanisches Jugendseminar für bayerische Schüler der gymnasialen Oberstufe und amerikanische Schüler, die ­ als Kinder amerikanischer Soldaten, die in Nordbayern stationiert sind ­ eine American High School in Bayern besuchen.

ii. Lernort Staatsregierung: Bis zu achtmal jährlich bekommen besonders geeignete Gruppen aus der gymnasialen Oberstufe die Gelegenheit, in Berlin in den Räumen des Bundesrats ein vierstündiges Rollenspiel zum Thema Gesetzgebung durchzuführen.

b) Bayerischer Landtag: Seit 2007 bietet die Pädagogische Betreuung im Bayerischen Landtag ein Planspiel für Schulklassen unter dem Titel. Der Landtag sind wir! an. Im Rahmen dieses ca. 3 bis 4-stündigen Planspiels schlüpfen die jugendlichen Teilnehmer/-innen in die Rollen von Abgeordneten und lernen am Beispiel eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens Arbeitsweise und Funktion der Gremien des Bayerischen Landtags kennen. Das Planspiel wurde in Zusammenarbeit mit dem Landtagsamt von der Forschungsgruppe Jugend und Europa des Centrums für angewandte Politikforschung (C-A-P) München entwickelt.

Das Angebot richtet sich an die Jahrgangsstufen 8­13, darunter bevorzugt an solche, in denen das politische System in Bayern und das bayerische Parlament Gegenstand des Sozialkunde-Unterrichts sind (z. B. Jahrgangsstufe 8 der Hauptschule; Jahrgangsstufe 10 in Realschule und Gymnasium). Teilnehmen kann eine Schule mit bis zu zwei Schulklassen aus einer Jahrgangsstufe (d. h. mit insgesamt bis zu etwa 70

Schülerinnen und Schülern). Schulen, die im Rahmen des Standardprogramms der Pädagogischen Betreuung im Bayerischen Landtag eine Einladung erhalten bzw. im vorherigen Schuljahr erhalten haben, werden für das Planspiel (zunächst) nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für die Schulen, die im Rahmen des Programms Lernort Staatsregierung (Landeszentrale für politische Bildungsarbeit) einen Besuchstermin erhalten. Diese Einschränkungen verfolgen das Ziel einer möglichst gerechten Verteilung des Planspielangebots sowie der Termine für die beiden Besuchsprogramme auf alle Schulen und Regionen des Freistaates.

Für die Durchführung des Planspiels im Maximilianeum selbst stehen nur wenige Termine im Jahr zur Verfügung. In der Regel wird das Planspiel an den Schulen durchgeführt.

Dazu sind entsprechende Räumlichkeiten erforderlich (v. a. ein größerer Tagungsraum für die Plenarversammlung).

Nach der erfolgreichen Bewerbung einer Schule beim Landtagsamt wird in Absprache von C-A-P und Schule ein Termin für die Durchführung festgelegt. Dabei werden auch die notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen geklärt. Das Planspiel selbst wird vor Ort von entsprechend geschulten Honorarkräften des C-A-P geleitet.

Die Auswahl für die Teilnahme nimmt die Pädagogische Betreuung im Bayerischen Landtag in Abstimmung mit den regionalen Abgeordneten vor. Wesentliche Auswahlkriterien sind ­ neben den oben dargelegten Einschränkungen ­ der Zeitpunkt der Anmeldung, eine gerechte Verteilung der Termine auf die Schularten und die angemessene Berücksichtigung aller bayerischen Regierungsbezirke. Das Planspiel Der Landtag sind wir! richtet sich an Schüler der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien der Jahrgangsstufe, in der das politische System Bayerns im Fachunterricht Sozialkunde behandelt wird (Hauptschule ab 8. Jahrgangsstufe, Realschule und Gymnasium ab 10. Jahrgangsstufe).

Zudem werden Planspiele auch von anderen staatlichen Einrichtungen bzw. Trägern außerhalb Bayerns, aber auch gemeinnützigen Vereinen angeboten:

Das Planspiel POL&IS ist eine von den Jugendoffizieren der Bundeswehr durchgeführte sicherheitspolitische Simulation.

Die Teilnehmer sind Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse.

Innerhalb der Simulation werden politische, ökonomische und ökologische Aspekte der internationalen Politik berücksichtigt. Ausgehend von einer vorgegebenen politischen Situation werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer politisch und wirtschaftlich aktiv. Die Handlungsoptionen ergeben sich dabei aus ihrer Rolle. Es werden die UN, die Presse, die Weltbank sowie 11 Regionen abgebildet. In den Regionen sind vier Minister für die politischen Geschicke verantwortlich.

Durch einen Aufbau in Phasen und klare Aufgabentrennungen wird in vereinfachter Weise der politische, wirtschaftliche und militärische Aufbau der Welt nachgestellt. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr stellen alle benötigten Unterlagen für diese Simulation zur Verfügung. Um die Komplexität der Simulation zu strukturieren und besser zu organisieren, ist der Ablauf in Phasen eingeteilt. Als Simulationsleiter überwachen die Jugendoffiziere die Einhaltung dieser Phasen, geben Anregungen und Hilfestellungen zu Problemlösung und Hinweise zu den Spezifika der jeweiligen Phase.

Die Bundeszentrale für politische Bildung unterhält unter der Internetadresse http://www.bpb.de/Planspiele eine Datenbank, in der 131 im deutschsprachigen Raum verfügbare Planspiele (Stand: September 2006) verzeichnet sind, die für den Einsatz in- und außerhalb des Unterrichts geeignet sind.

Die Simulationen beschäftigen sich mit den unterschiedlichsten aktuellen Politikbereichen, z. B. mit dem Klimaschutz, mit internationalen Krisenherden und mit aktuellen europapolitischen Themen wie der anstehenden

Erstmals im Schuljahr 2009/10 bot die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland (Regionalvertretung in München, Leiter Herr Dr. Henning Arp) Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien in Bayern 16 eintägige Rollenspiele zu EU-Entscheidungsverfahren an. Es handelt sich dabei um Simulationen, in denen die Teilnehmer in unterschiedlichen Rollen anhand einer konkreten Fragestellung einen Entscheidungsprozess durchspielen und über die gemachten Erfahrungen reflektieren.

Das Rollenspiel ist für eine Teilnehmerzahl von 20 bis 50

Schülerinnen und Schüler konzipiert und dauert (einschließlich Nachbereitung mit den Teilnehmern) maximal 8 Stunden. Es wird von zwei in europapolitischen Rollenspielen erfahrenen Mitarbeitern durchgeführt. Zielgruppe der Planspiele sind die Jahrgangsstufen 10 bis 13. Die Durchführung war für den Zeitraum von Februar bis Ostern 2009 geplant.

Planspiele werden außerdem vom gemeinnützigen Verein Studienstätte für Politik und Zeitgeschehen e.V. angeboten, der von der Stadt München, von der Bundeszentrale für politische Bildung und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt wird (z. B. Die Zukunft Europas, Wahlalter ab 16!, Prozess vor der Jugendstrafkammer; vgl. http://www.studienstaette-muen chen.de/materialien.htm). Das Planspiel zielt darauf ab, bei Schülerinnen und Schülern aller Schularten in Bayern das Politikverständnis zu fördern. Diese und vergleichbare Planspiele können von Lehrkräften an ihrer Schule bzw. im Unterricht eingesetzt werden, es finden aber auch mehrtägige Seminare für Hauptschüler (ab Jahrgangsstufe 8), Realschüler, Gymnasiasten (jeweils ab Jahrgangsstufe 10) und Auszubildende mit Planspielen im Schullandheim Rohrauerhaus der Stadt München, ca. zehn- bis 14-mal pro Jahr auch in Berlin und in den neuen Bundesländern statt.

Zu 1.2:

In der Regel sind die Durchführenden die Schulen selbst, eine zentrale Trägerauswahl findet nicht statt. Daher sind dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus die durchführenden Organisationen bzw. Träger in der Regel nur bei bayernweit stattfindenden oder umfangreicheren Planspielen bekannt (vgl. hierzu auch Punkt 1.1).

Das Planspiel. Der Landtag sind wir! des Bayerischen Landtages wird von der Forschungsgruppe Jugend und Europa des C-A-P (Centrum für angewandte Politikforschung der LMU München) durchgeführt. Dieser Träger wurde vor allem aufgrund der einzigartigen und in anderen Projekten bewährten Kompetenz des C-A-P auf dem Feld politikdidaktischer Rollenspielkonzepte für Jugendliche ausgewählt. Das C-A-P zeichnet auch für das Planspiel NATO ­ The Alliance under Challenge verantwortlich, das im Rahmen des deutsch-amerikanischen Jugendseminars der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit durchgeführt wird.

Zu 2.1:

Dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus liegen aus den bereits genannten Gründen (vgl. Vorbemerkung) keine Gesamtzahlen zur Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Planspielen vor. Daher sei hier nur beispielhaft darauf verwiesen, dass etwa am Planspiel Der Landtag sind wir! des Bayerischen Landtages im Jahr 2008 ca. 2.300 Jugendliche an 50 Simulationen teilgenommen haben, die z. T. im Parlament, in der überwiegenden Zahl der Fälle aber an den Schulen selbst stattgefunden haben. Am deutsch-amerikanischen Jugendseminar der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit nehmen jährlich etwa 30 bayerische und 30 amerikanische Schülerinnen und Schüler teil. Der gemeinnützige Verein Studienstätte für Politik und Zeitgeschehen e.V. erreicht mit seinen Seminaren pro Jahr etwa 2.500 bis 2.900 Jugendliche. An der Planspielreihe zu EU-Entscheidungsverfahren beteiligten sich 16 Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien in Bayern.

Zu 2.2:

Hierzu liegen dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus keine Angaben vor. Nach Rückmeldung einzelner Veranstalter kommt es aber sehr selten und meist aus schulinternen Gründen zu Absagen von Planspielen.

Zu 2.3: Prinzipiell steht es allen Schulen frei, in Eigenverantwortung Abgeordnete zu Planspielen einzuladen. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus erhält hiervon in der Regel keine Kenntnis.

Dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus liegen daher lediglich zum Planspiel. Der Landtag sind wir! des Bayerischen Landtages konkrete Zahlen vor: Im Jahr 2008 nahm je ein Abgeordneter aus den im Landtag vertretenen Fraktionen teil, d.h. bis Oktober 2008 insgesamt drei.

Darüber hinaus wurden zu den Rollenspielen zu EU-Entscheidungsverfahren, die in Zusammenarbeit mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland durchgeführt wurden, durch die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments geladen, die das Planspiel begleiten. Dem Staatsministerium ist nicht bekannt, wie viele Abgeordnete diese Einladung angenommen haben.

Zu 3.1:

Hierzu liegen dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus keine Angaben vor (vgl. Vorbemerkung).

Aufgrund von Rückmeldungen von Einrichtungen, die Planspiele durchführen, zeichnet sich jedoch als Tendenz ab, dass die Mehrzahl ihrer Planspiele nicht schulübergreifend stattfinden (z. B. Planspiel. Der Landtag sind wir! des Bayerischen Landtages), während andere Organisatoren schulübergreifend, z. T. auch mit nichtbayerischen Schülergruppen arbeiten (z. B. deutsch-amerikanisches Jugendseminar der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit).

Zu 3.2: Planspiele finden ­ oft aus organisatorischen Gründen ­ häufiger außerhalb des Klassenzimmers, idealerweise sogar am Ort des Geschehens statt (z. B. Simulation des Gesetzgebungsprozesses im Maximilianeum im Rahmen des Planspiels. Der Landtag sind wir! oder im Bundesrat im Rahmen des Projekts Lernort Staatsregierung), auch wenn Letzteres aus Kapazitätsgründen nur für wenige Schülergruppen realisierbar ist (vgl. hierzu auch Punkt 1.1).

Zum übergreifenden Bereich der Jugendarbeit hat eine Anfrage beim Bayerischen Jugendring ergeben, dass seitens des Bayerischen Jugendrings und seiner Mitgliedsverbände keine Planspiele durchgeführt werden.