Die Bauaufsichtsbehörden wurden frühzeitig zu den Erfahrungen mit dem Vollzug der HBO befragt

Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Bauordnung

Die Landesregierung legt mit Schreiben vom 4. Juli 2005 den nachstehenden, durch Kabinettsbeschluss vom 4. Juli 2005 gebilligten und festgestellten Gesetzentwurf dem Landtag zur Beschlussfassung vor. Der Gesetzentwurf wird vor dem Landtag von dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vertreten.

A. Problem:

Die Hessische Bauordnung wurde durch Gesetz vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274), das am 1. Oktober 2002 in Kraft getreten ist, neu gefasst. Das neue Recht leitete einen maßgeblichen Systemwechsel ein: Konzentration staatlicher Tätigkeit auf wesentliche Kernbereiche, Verringerung der hoheitlichen Prüf- und Überwachungstätigkeit, Stärkung der Eigenverantwortung der am Bau Beteiligten.

Die Bauaufsichtsbehörden wurden frühzeitig zu den Erfahrungen mit dem Vollzug der HBO befragt. Die Erfahrungen sind im Bericht des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 30. September 2004 zusammengefasst.

Insgesamt ergibt sich aus den ersten Vollzugserfahrungen mit der Bauordnungsrechtsreform kein gesetzlicher Handlungsbedarf für durchgreifende Rechtsänderungen. Das gilt sowohl hinsichtlich einer Rücknahme der wesentlichen Verfahrensneuerungen als auch in Bezug auf mögliche Erweiterungen der Privatisierung. Aus den Stellungnahmen der unteren Bauaufsichtsbehörden, auch solchen mit überwiegend kritischen Bewertungen, ist allgemein der Wunsch nach Rechtskontinuität und Rechtsberuhigung erkennbar, dem gefolgt werden sollte. Die am Bau Beteiligten fühlen sich durch kurzfristige Rechtsänderungen verunsichert, sie brauchen Zeit, um sich mit der Rechtsentwicklung ausreichend vertraut zu machen und die notwendige Routine in der Rechtsanwendung zu erlangen. Das schließt kleinere Randkorrekturen nicht aus, die die Rechtsanwendung und den Vollzug erleichtern.

- In der Praxis ist strittig, ob Dachgeschosse, die nicht von Menschen betreten werden können, als oberste Geschosse eines Gebäudes zählen, mit der Folge, dass darunter liegende zurückgesetzte Geschosse als Vollgeschosse anzurechnen sind.

- Nach geltendem Recht dürfen eine Garage und ein Stellplatz bis zu insgesamt 12 m Länge an einer Nachbargrenze angeordnet werden, nicht aber zwei Stellplätze längs zur Nachbargrenze.

- Die geltende Regelung ermöglicht unmittelbar an der Nachbargrenze die Errichtung eines untergeordneten Gebäudes bis zu 5 m² grenzseitiger Wandfläche über der Geländeoberfläche zur Unterbringung von Fahrrädern und Kinderwagen. Die Nutzung z. B. als Gartenhütte oder zum Abstellen von Rollstühlen ist bisher nicht zulässig, aber wünschenswert.

- Sichtschutzzäune und Terrassentrennwände zwischen Doppelhäusern und den Gebäuden von Hausgruppen sind zwar genehmigungsfrei, sie bedürfen aber eines isolierten Abweichungsverfahrens nach § 63 Abs. 3 HBO, da sie bisher nicht zu den an Nachbargrenzen zulässigen Anlagen zählen.

- Der geltende § 7 Abs. 2 HBO weist im Zusammenhang mit der Grundstücksteilung lediglich auf die Einhaltung der Abstände und Abstandsflächen hin. Die Teilung von Grundstücken kann aber nicht nur in Bezug auf die einzuhaltenden Abstandsvorschriften baurechtswidrige Zustände herbeiführen.

- Die materielle Anforderung an die Mindesthöhe von notwendigen Umwehrungen ist in § 35 Abs. 4 Nr. 1 HBO gegenüber der HBO 1993 bei Absturzhöhen bis 12 m von 0,90 m auf 1,00 m erhöht worden. Die Mindesthöhe gilt nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 HBO auch für Treppengeländer. Die Anhebung der Mindesthöhe erfolgte, um die bauordnungsrechtlichen Regelungen dem Arbeitsschutzrecht des Bundes anzupassen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren hatte auch der Entwurf der neuen Musterbauordnung (MBO) diese Verschärfung vorgesehen. In den Schlussberatungen hat sich die ARGEBAU aber für die geringere Höhe entschieden.

Mehrere Treppenhersteller und der Normenausschuss DIN 18065 berichten von besonderen Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Anforderung, da allein die hessische Regelung von den sonst bundesweit einheitlichen Bestimmungen der Landesbauordnungen abweicht. Insbesondere sei die Fertigung von Treppen im Bereich des Wohnungsbaus erschwert. Vorgefertigte Teile könnten für Treppen in Hessen nicht verwendet werden.

- Durch die Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) wurden Vorhaben in das System der Abschichtung der UVP auf verschiedenen Planungs- und Genehmigungsstufen eingereiht. Die bisher abschließende Erfüllung der UVP-Pflicht im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan wurde für diese so genannten bauplanungsrechtlichen Vorhaben aufgegeben. Da eine UVP im Baugenehmigungsverfahren erforderlich sein kann, bedarf es nunmehr einer Verfahrensregelung.

- Die vorzeitige Benutzung einer baulichen Anlage bedarf nach § 74 Abs. 7 Satz 2 HBO einer eigenständigen bauaufsichtlichen Entscheidung; eine Anzeige der Bauaufsichtsbehörde wäre aber ausreichend, um gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr ergreifen zu können. Verfahren könnten hierdurch entfallen.

- Das In-Kraft-Treten der Sachverständigenverordnung hat sich verzögert. Es ist nicht gewährleistet, dass bis zum Auslaufen der Übergangsregelung des § 78 Abs. 8 HBO rechtzeitig zum 1. Oktober 2005 genügend sachverständige Personen anerkannt sind, um den reibungslosen Ablauf der bautechnischen Prüfung nach § 59 zu sichern. Dies gilt insbesondere für den Bereich des vorbeugenden Brandschutzes.

- § 78 Abs. 10 HBO enthält eine bis zum 30. September 2005 befristete Wahlmöglichkeit. Der Anteil von ca. 22 v.H. aller Bauherrschaften, die im Jahr 2003 bei Vorhaben, die der Genehmigungsfreistellung unterfielen, die Wahlmöglichkeit in Anspruch genommen haben, spricht für einen Bedarf der Praxis.

- Einige der nach Anlage 2 zur HBO baugenehmigungsfreien Vorhaben sind vor ihrer Ausführung der Gemeinde mitzuteilen. Eine Möglichkeit, für bestimmte Fälle auf die Anzeige zu verzichten, ist bisher nicht geregelt.

- Bei genehmigungsfreien Maßnahmen an tragenden Bauteilen (Anlage 2, Abschnitt I Nr. 2.1) und Dächern (Anlage 2, Abschnitt I Nr. 2.5) und bei bestimmten Ingenieurbauten (Anlage 2, Abschnitt I Nr. 7.4, 9.4 und 11.7.2) bedarf es für die Erstellung der bautechnischen Nachweise zwar eines Nachweisberechtigten für Standsicherheit, die z.T. gefahrenträchtige Ausführung des Vorhabens obliegt, aber der Eigenverantwortung der Bauherrschaft.

B. Lösung:

Die Hessische Bauordnung bleibt in ihrem wesentlichen Vorschriftenbestand unverändert. Im bisherigen Vollzug als sinnvoll erkannte

Änderungen, die geeignet sind, die Rechtsanwendung zu erleichtern, sollten so früh wie möglich umgesetzt werden.

- In § 2 Abs. 4 Satz 2 wird eindeutig bestimmt, dass Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, keine Geschosse sind.

- Bis zu drei Stellplätze werden an einer Nachbargrenze zugelassen.

- Die Nutzung untergeordneter Gebäude als Abstellräume an der Grenze wird zugelassen.

- Sichtschutzzäune und Terrassentrennwände zwischen Doppelhäusern und den Gebäuden von Hausgruppen werden an Nachbargrenzen für zulässig erklärt.

- Im Zusammenhang mit der Grundstücksteilung wird darauf hingewiesen, dass das gesamte Bauordnungsrecht einzuhalten ist.

- Die materielle Anforderung an die Mindesthöhe von notwendigen Umwehrungen wird an die aktuelle Fassung der Musterbauordnung angepasst.

- Die Regelungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung werden für das Baugenehmigungsverfahren für anwendbar bestimmt.

- Für die vorzeitige Benutzung einer baulichen Anlage wird eine Anzeigepflicht eingeführt, auf eine ausdrücklich erforderliche bauaufsichtliche Zustimmung wird verzichtet.

- Um einen reibungslosen Ablauf der bautechnischen Prüfung durch Sachverständige zu sichern, werden die Übergangsregelungen des § 78 Abs. 8 und 9 HBO bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.

- Die bis zum 30. September 2005 befristete Wahlmöglichkeit zwischen den Verfahren wird bis zum 31. Dezember 2007 verlängert.

- Den Gemeinden wird die Möglichkeit eingeräumt, durch Satzung für bestimmte Fälle auf die Mitteilung der Ausführung baugenehmigungsfreier Vorhaben zu verzichten.

- Bei genehmigungsfreien Maßnahmen an tragenden Bauteilen (Anlage 2, Abschnitt I Nr. 2.1) und Dächern (Anlage 2, Abschnitt I Nr. 2.5) und bei bestimmten Ingenieurbauten (Anlage 2, Abschnitt I Nr. 7.4, 9.4 und 11.7.2) wird die Möglichkeit eingeräumt, dass der mit der Erstellung der bautechnischen Nachweise beauftragte Nachweisberechtigte für Standsicherheit die Überwachung der Bauausführung verlangen kann.

C. Befristung:

Die HBO ist bis zum 31. Dezember 2007 befristet. Diese Befristung wird auf den Zeitraum von ca. 5 Jahren nach In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes (31. Dezember 2010) neu festgelegt.

D. Alternativen Keine.

E. Finanzielle Auswirkung

Die vorgesehenen Deregulierungen tragen zur Senkung des Baukostenniveaus sowie zur Verfahrenserleichterung bei.

F. Auswirkungen, die Frauen anders oder in stärkerem Maße betreffen als Männer Keine.

G. Besondere Auswirkungen auf behinderte Menschen Keine.