Biologische Flugsicherheit am Flughafen München

Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zum Bau der

3. Start- und Landebahn am Flughafen München erstellte für das Büro für biologische Flugsicherheit (BBFS) Herr Dr. Christoph Morgenroth-Branczyk 2007 das Gutachten zur Biologischen Flugsicherheitssituation am Flughafen München ­ Vogelschlaggutachten.

Der Gutachter bemisst die für den Flughafen vogelschlagrelevante Umgebung 2001 auf ca. 40 000 ha, 2007 sogar auf ca. 80 000 ha. Für diese Bereiche fordert er 2007 die Beteiligung des DAVVL e.V. bei Genehmigungsverfahren im Kiesabbau. Im Vergleich dazu umfasst die Planungsregion München ca. 550 000 ha. Morgenroth-Branczyk fertigt eine Liste von erheblichen Einschränkungen für den Nassabbau von Kies. Als unabhängiger Gutachter fordert er für alle Abgrabungen die fachliche Stellungnahme des DAVVL e.V. einzuholen, wobei er dort als Geschäftsführer tätig ist.

Die Gelege von Wiesenbrütern sollten von der FMG auf Empfehlung des Gutachters (Gutachten 2007) mit Walzen zerstört werden: S. 51: Sofern sich trotz verstärkter Vergrämungsanstrengungen sogar gelegestarke Brutkolonien auf den Grünlandflächen des Flughafens etablieren konnten, sollten deren Schwerpunkte kartiert und die Areale in Abhängigkeit vom Brutbeginn im Laufe des Aprils abgewalzt werden. Mit einem Nachgelege durch den Kiebitz ist bei späten Walzterminen aufgrund der zwischenzeitlich aufgewachsenen Vegetation auf den Flughafengrünlandflächen nicht mehr zu rechnen. Und S. 152: Zur Regulierung des Kiebitzbestandes sollten in den Monaten März und April die Brutschwerpunkte des Kiebitzes gezielt abgewalzt oder abgeschleppt werden.

Der Gutachter empfiehlt die ganzjährige Langgraswirtschaft, wissend, dass diese Mäuse fördern kann. Bei beginnender Mäusegradation sollen diese ohne Nennung der einzelnen Arten auf Empfehlung des Gutachters (2001, S. 59) mit Gift bekämpft werden.

Der Vogelschlagsbeauftragte Dr. Hild (jetzt Vorsitzender des DAVVL e.V.) empfahl zur Abwehr von Wasservögeln die Überspannung der Wassergräben im Flughafengelände mit Schnüren. Diese Maßnahme ist aber offenbar nicht ausreichend. Der Gutachter Morgenroth-Branczyk fordert deshalb 2001 auf S. 53 die Überspannung der Gräben mit Netzen. Die FMG ist dieser Forderung bis heute nicht nachgekommen.

Der Tower am Flughafen verfügt offensichtlich nicht über geeignete Radargeräte, um Piloten vor Vogelschwärmen (Stare, Saatkrähen) oder Zugvögeln warnen zu können.

Diesbezüglich verweist der Gutachter (2007 S. 19) nämlich auf die Luftüberwachungsradare der Bundeswehr.

Ich frage die Staatsregierung:

1. a) Sind die Empfehlungen zum Kiesabbau des Gutachtens des Dr. Morgenroth-Branczyk von 2001 und von 2007 behördenverbindlich?

b) Hält die Staatsregierung diese Gutachten für glaubwürdig und ist sie bereit, ein neues Gutachten einzuholen?

c) Wurden die Landratsämter Freising, Erding, Dachau und München zu den Beschränkungen des Kiesabbaus angehört?

2. a) Hält die Staatsregierung diese Abbau-Tabuzonen im Hinblick auf die Rohstoffsicherung in der Wirtschaftsregion München überhaupt für sinnvoll?

b) Wie stellt sich die Staatsregierung die Zukunft der ortsansässigen Steine- und Erdbau-Betriebe in der sogenannten Hild Zone (Gutachten 2001) bzw. in der Morgenroth-Ellipse (Gutachten 2007) vor?

c) Wie hoch schätzt die Staatsregierung den volkswirtschaftlichen Schaden durch die vom Gutachter geforderten Kiesabbauverbote?

3. a) Ist die Staatsregierung bereit, die sogenannte Hild Zone bzw. die sogenannte Morgenroth-Ellipse aufzuheben?

b) Beabsichtigt die Staatsregierung, den DAVVL e.V. bei Genehmigungsverfahren zu beteiligen?

4. a) Wird die Empfehlung des Gutachters, Gelege von Wiesenbrütern durch das Walzen zu zerstören, umgesetzt?

b) Wie bewertet die Staatsregierung diese Maßnahme hinsichtlich naturschutzrechtlicher Vorgaben?

c) Ist die Staatsregierung bereit, der FMG diese Maßnahme zu verbieten?

5. Wie viele Wiesenbrüter-Gelege wurden bisher durch das Abwalzen von der FMG zerstört?

6. a) Stimmt die Ausführung des Gutachters, dass der Tower über keine geeigneten Radargeräte verfügt, um ergänzende Angaben über die Höhenverteilung von Vogelflügen zu liefern?

b) Ist die Staatsregierung bereit, sich dafür einzusetzen, dass entsprechende Radargeräte angeschafft werden, damit Unfälle mit Starenschwärmen wie in Rom und mit Gänseschwärmen wie in New York (in 1000

Höhe) möglichst verhindert werden können?

7. Ist die Staatsregierung bereit, wie im Gutachten gefordert die fischereiliche Nachnutzung von Baggerseen zu untersagen?

8. Ist die Staatsregierung bereit, die FMG anzuhalten, endlich die Gräben im Flughafengelände mit Netzen anstatt mit Drähten zu überspannen?

Das Bundesministerium für Verkehr hat am 13. Februar 1974 Richtlinien zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr erlassen. U.a. werden darin Maßnahmen auf dem Flughafengelände und in der Umgebung von Flughäfen zur Vermeidung von Vogelschlägen vorgegeben. Nach Ziff. III dieser Richtlinien soll der Flughafenunternehmer ein mit Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde und des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr e.V. (DAVVL) zu erstellendes Gutachten über die ökologischen Verhältnisse (Biotopgutachten) des Flughafengeländes und seiner für Maßnahmen nach diesen Richtlinien in Betracht kommenden Umgebung einholen. Das Gutachten soll Vorschläge für die nach den örtlichen Gegebenheiten zweckmäßig erscheinenden Maßnahmen beinhalten. Im November 2001 wurde vom DAVVL die 3. Fortschreibung des Biotopgutachtens für den Flughafen München ­ Verhütung von Vogelschlägen ­ vorgelegt.

Daneben hat die Flughafen München im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für die 3. Start- und Landebahn das Büro für biologische Flugsicherheit (BBFS) beauftragt, ein Gutachten zur biologischen Flugsicherheitssituation am Flughafen München ­ Vogelschlaggutachten ­ zu erstellen.

Dieses Gutachten ist Bestandteil der eingereichten Planfeststellungsunterlagen und dient der Planfeststellungsbehörde u.a. als Grundlage für die Überprüfung des Vogelschlagrisikos und den damit verbundenen Maßnahmen. Das DAVVLGutachten und das Gutachten des BBFS für die 3. Start- und Landebahn wurden von Herrn Dr. Christoph erstellt.

Soweit die Schriftliche Anfrage Bezug auf das bei der Regierung von Oberbayern anhängige Planfeststellungsverfahren zum Bau einer 3. Start- und Landebahn für den Flughafen München nimmt, darf das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie dem Ergebnis der Prüfung durch die Planfeststellungsbehörde aus folgenden Gründen nicht vorgreifen:

Die §§ 8 ff. Luftverkehrsgesetz über das luftrechtliche Planfeststellungsverfahren ermächtigen die Planfeststellungsbehörde zur luftrechtlichen Fachplanung. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die Einräumung eines Planungsermessens, das sich auf alle Gesichtspunkte erstreckt, die zur Bewältigung der gesetzlichen Planungsaufgabe und den von dem Vorhaben aufgeworfenen Problemen erforderlich sind.

In Ausübung ihres Planungsermessens hat die Behörde eigenverantwortlich eine umfassende und gerechte Abwägung aller von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange vorzunehmen. Auf diese genuine Entscheidungsverantwortung der insoweit unabhängigen und mit der entsprechenden planerischen Gestaltungsfreiheit ausgestatteten Planfeststellungsbehörde darf nach dem vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelten Grundsatz des fairen Verwaltungsverfahrens weder von politischer Seite noch von anderen staatlichen Stellen Einfluss genommen werden. Anderenfalls besteht die Gefahr einer ermessensfehlerhaften und damit rechtlich angreifbaren Entscheidung.

Zu den in der Schriftlichen Anfrage angesprochenen Punkten kann nach Rücksprache mit der Flughafen München wie folgt Stellung genommen werden:

Zu 1. a), b) und c):

Die Gutachten von 2001 und 2007 sind im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Abwägungsmaterial. Die Landratsämter Freising, Erding, Dachau und München sind als Träger öffentlicher Belange am Planfeststellungsverfahren beteiligt.

Zu 2. a), b), c) und 3. a), b):

Wie bereits ausgeführt, ist Planfeststellungsbehörde die Regierung von Oberbayern, in deren planerischem Ermessen es liegt, inwieweit die Vorschläge des Gutachtens zu berücksichtigen sind. Die Planfeststellungsbehörde prüft dabei den Umfang der erforderlichen Schutzzonen unter dem Aspekt der Flugsicherheit. Dieser Prüfung darf nicht vorgegriffen werden.

In den bei den Kreisverwaltungsbehörden durchzuführenden wasserrechtlichen Gestattungsverfahren (Nassauskiesungen) findet das Biotopgutachten 2001 als Belang der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (biologische Flugsicherheit) Beachtung.

Zu 4. a), b), c) und 5.:

Ein gezieltes Abwalzen von Gelegen von Wiesenbrütern wurde weder in der Vergangenheit durchgeführt noch ist es in der Zukunft geplant.

Ein sog. Walzen oder Abschleppen von Grünflächen im Bereich der flugbetrieblichen Verkehrsflächen erfolgt seit Inbetriebnahme des Flughafens München witterungsabhängig im Frühjahr. Es ist zur Ebnung der Flächen, zur Stabilisierung der Grasnarbe nach einem winterlichen Auffrieren, zum Erhalt der Mähbarkeit und zur Beseitigung von Winterdienstschäden notwendig. Walzen oder Abschleppen erfolgt nicht flächendeckend, sondern lokal an den Bereichen, wo andernfalls Tragfähigkeit, Ebenheit oder Bewirtschaftung der Grünflächen nicht mehr gewährleistet wären.

Zu 6. a) und b): Radarornithologische Untersuchungen an Flughäfen sind keine Besonderheit. Solche Untersuchungen wurden bisher an fast allen deutschen Verkehrsflughäfen durchgeführt. Am Flughafen München fand ein kontinuierliches Monitoring (Radar-Vogelzugerfassung) zuletzt zwischen Oktober 2005 und September 2006 mittels Flugplatzradar ASR-Süd statt.

Allerdings liefern die bisherigen Radar-Vogelzugerfassungen an den deutschen Verkehrsflughäfen generell nur Daten für eine Abschätzung der zeitlichen und räumlichen Vogelflugaktivitäten im Luftraum innerhalb der Flughafenumgebung bis rund 20 km Entfernung von der Radaranlage. Sie geben keine Hinweise über aktuelle, kleinräumige Vogelbewegungen. Damit ist keine zeitnahe Warnung an den Piloten möglich.

Am Flughafen Leipzig werden seit 2007 von der Universität Halle ­ Wittenberg Untersuchungen zum Vogelaufkommen im Nahbereich des Flughafens mittels x-Band-Radar durchgeführt. Ziel dieser Untersuchungen ist die Ermittlung von Daten zum kleinräumigen Vogelfluggeschehen. Ergebnisse werden voraussichtlich Ende 2009 zur Verfügung stehen. Zu dieser Beobachtungsmethode lässt sich bereits jetzt festhalten, dass aufgrund der Nähe der Beobachtungsräume zum Flughafen auch keine ausreichenden Warn-Vorlaufzeiten für landende Luftfahrzeuge gegeben sind.

Ein von der Bundeswehr entwickeltes Warnverfahren mittels militärischen Luftraumüberwachungsradars liefert Informationen über die Vogelzugintensität im gesamten deutschen Luftraum. Für betroffene Großräume werden daraus sog. BIRDTAMS entwickelt, die dann der militärischen sowie der zivilen Luftfahrt zur Verfügung stehen. Auch der Flughafen München bedient sich dieser Informationsquelle über das großräumige jahreszeitliche Vogelzuggeschehen. Hinweise auf kleinräumige, tageszeitenabhängige oder regionale Vogelzugbewegungen oder Vogelflugaktivitäten, wie sie für einen Verkehrsflughafen notwendig wären, liefern die BIRDTAMS nicht.

Aktuell lässt sich festhalten, dass der Einsatz von Radar zur Vogelschlagverhütung nur an einigen Bundeswehr-Flugplätzen praktiziert wird. An deutschen Verkehrsflughäfen kann diese Technik bislang nicht dauerhaft und zielführend eingesetzt werden. Grund dafür ist u.a. der unterschiedliche Flugbetrieb. Ein Militärflugplatz kann seinen Flugbetrieb (geringe Anzahl an Flugbewegungen, Übungsflüge, etc.) ggf. an den ausgegebenen BIRDTAMS orientieren und flexibel gestalten. Der zivile Verkehrsflughafen hingegen unterliegt mit seinen wesentlich höheren Flugbewegungen und zeitlichen Vorgaben zahlreichen Sachzwängen, die kaum Spielräume zulassen.

Darüber hinaus bieten die vorhandenen Radarüberwachungsmöglichkeiten für zivile Verkehrsflughäfen weder befriedigende noch in der Praxis verwendbare Ergebnisse, da sie keine Daten für eine schnelle und zeitnahe Reaktion liefern. Notwendig wären jedoch zuverlässige und zeitnahe Informationen über möglichst kleinräumige Vogelflugaktivitäten, die als hochaktuelle Warnmeldungen für an- oder abfliegende Luftfahrzeuge herausgegeben werden. Solange das nicht zuverlässig möglich ist, macht der Einsatz von RadarÜberwachungsmöglichkeiten nur sehr bedingt Sinn.

Zu 7.: Vgl. die Antworten zu 2. a), b), c) und 3. a), b).

Zu 8.: Im Bereich der flugbetrieblichen Verkehrsflächen wurden die zur Grundwasserabsenkung notwendigen Gräben mit Drahtseilen überspannt, um deren Attraktivität für Vögel und damit die Gefahr einer Kollision von Luftfahrzeugen mit großen Wasservögeln zu reduzieren. Die Drahtseile brachten anfänglich die erstrebte Vergrämungswirkung. Allerdings trat bei einem Teil der Wasservögel ein Gewöhnungseffekt ein. So wurden bei wöchentlichen Zählungen von 1996 bis 2000 vergleichsweise hohe Individuenzahlen an den Gräben ermittelt. Der DAVVL empfahl daher eine Intensivierung der Vogelvergrämung sowie eine Überspannung der Gräben mit engmaschigen Netzen. Doch bereits die häufigere Überwachung der Gräben in Verbindung mit einer intensiven Vergrämung brachte den erwünschten Erfolg. Die Überspannung der Gräben mit Netzen ist folglich nicht notwendig.

Vielmehr würde das nicht nur zu einem erheblichen betrieblichen Mehraufwand führen, sondern auch dazu, dass Wasservögel sich in den Netzen verfangen und ggf. verenden. Insofern werden mit der Überspannung mit Drahtseilen die Belange des Tierschutzes berücksichtigt.