Sensibilisierung gegen politischen Extremismus

Gleichzeitig bemühen sich Bürgerinitiativen wie das Werdenfelser Bündnis um eine Sensibilisierung gegen politischen Extremismus. Vor diesem Hintergrund möchte ich folgende Sachverhalte geklärt haben:

1. In welcher Weise waren in den zurückliegenden Jahren (seit 2000) extremistische Gruppen, die sowohl dem linken als auch dem rechten Spektrum sowie dem islamistischen Bereich zuzuordnen waren, in den Landkreisen Weilheim-Schongau, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen aktiv?

2. Welche präventiven Maßnahmen wurden in dieser Zeit in den genannten Landkreisen von den Kommunen und von übergeordneten Behörden und Institutionen in die Wege geleitet und umgesetzt?

3. In welchem Umfang sind Sekten und ähnliche Organisationen wie die Scientology-Church in den genannten Regionen aktiv?

4. In welcher Weise überprüft der Freistaat Bayern bei seinen auf Lebenszeit verbeamteten Staatsdienern, ob sie in das Fahrwasser solcher Organisationen im weiteren Verlauf ihrer Dienstzeit gelangt sind?

Vorbemerkung:

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes informiert das Staatsministerium des Innern über extremistische Bestrebungen aller Art insbesondere im jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht. Soweit aus Gründen der erforderlichen Geheimhaltung eine Information der Öffentlichkeit nicht in Betracht kommt, informiert das Staatsministerium des Innern das Parlamentarische Kontrollgremium des Landtags. Im Rahmen der Umsetzung des Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus wurde inzwi02.09. schen die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz eingerichtet, bei der entsprechende weitere Informationen zu erlangen sind. Derzeit erarbeitet diese Informationsstelle gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung ein Internetportal zum Thema Rechtsextremismus.

Zu 1.: Linksextremismus: Linksextremistische Strukturen im Oberland gibt es nur vereinzelt, nicht flächendeckend und zum Teil nur mit vorübergehenden Aktivitäten.

Die Partei DIE LINKE. hat im genannten Gebiet einen Kreisverband Oberland sowie einen Kreisverband Starnberg und einen Ortsverband Geretsried-Wolfratshausen und Umgebung. In den letzten Jahren wurden einzelne Informationsstände und Veranstaltungen angekündigt, die über Wahlaktivitäten hinaus keine nennenswerte Außenwirkung entfaltet haben.

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) hat eine Ortsgruppe in Penzberg, die sich vorwiegend im Internet präsentiert. Vereinzelte kleine Veranstaltungen blieben ohne nennenswerte Resonanz.

Die linksextremistisch beeinflusste Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ­ Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten hat einen Kreisverband in Wolfratshausen mit wenigen öffentlichen Aktivitäten. Dazu zählt das (seit Sommer 2007) jährlich durchgeführte bayernweite Antifa-Jugendcamp, das maßgeblich von linksextremistischen bzw. linksextremistisch beeinflussten Organisationen getragen und unterstützt wird. Seit 2002 gab es in Mittenwald jährlich linksextremistisch motivierte Proteste gegen die Brendten-Feier des Kameradenkreises der Gebirgstruppen e. V.. Hauptinitiatoren der Protestveranstaltungen waren der Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege, hinter dem maßgeblich die steht.

Im Bereich des unorganisierten Linksextremismus (Autonome, Anarchisten) sind im Oberland nur gelegentlich Aktivitäten festzustellen, die sich im Wesentlichen auf Zusammenkünfte ohne Außenwirkung sowie die Teilnahme an den Protestaktionen gegen die Brendten-Feier und am beschränken.

Rechtsextremismus:

Im Oberland sind aktuell drei Kreisverbände der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bekannt:

Der Kreisverband Oberland wurde 2007 in den Räumen des rechtsextremistischen Versandhandels Sturmversand24 in Murnau gegründet und führte bisher vereinzelt Informationsstände in Weilheim und Murnau durch. Der Kreisverband Garmisch-Partenkirchen wurde 2005 gegründet. Der Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach besteht seit 1993. Aktivitäten dieser Kreisverbände sind nicht bekannt. Im Jahr 2008 veranstaltete der NPDBezirksverband Oberbayern einen Informationsstand in Wolfratshausen.

Im Bereich des unorganisierten Rechtsextremismus gab es seit 2000 mehrere kleine lose Skinhead-Personenzusammenhänge in Weilheim, Schongau, Penzberg und Garmisch-Partenkirchen, die sich in regelmäßigen Abständen in verschiedenen Gaststätten trafen. Nennenswerte politische Aktivitäten entfalteten sie nicht.

In der angesprochenen Region treten mittlerweile nur noch vereinzelt rechtsextremistische Skinheads auf. Ein Internetversandhandel veranstaltet allerdings regelmäßig Ladensonderverkäufe mit anschließendem Liederabend für die Skinhead-Szene Garmisch-Partenkirchen/Murnau.

Neonazistische Aktivitäten spielen innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Oberland eine untergeordnete Rolle.

Es ist eine Anti-Antifa Oberland bekannt, die im Juli 2008 in Peißenberger Briefkästen Flugblätter verteilte. Eine Demonstration Gegen linke Gewalt! in Murnau im Juni 2008 ist zwei überregional aktiven Neonazis aus München bzw. Nürnberg zuzurechnen. Die als Veranstalter genannte Freundschaft Oberland dürfte eine fiktive Gruppierung sein.

Islamismus:

Im Oberland sind sechs Vereine aktiv, die der islamistischextremistischen Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) zuzurechnen sind. Ihnen gehören etwa 300 Mitglieder an. Ihre Aktivitäten sind überwiegend auf interne Veranstaltungen und den Unterhalt von Moscheen/Gebetsräumen sowie auf Koranunterricht für Kinder gerichtet. Überregionale Aktivitäten gehen von der Islamischen Gemeinde Penzberg (IGP) aus, die Grundlage der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2007 und 2008 sind. Im Januar 2009 wurde in einem Internetportal eine Gruppe namens DITIB und IGMG-Schongau bekannt, die antisemitische, volksverhetzende sowie gewaltverherrlichende Bilder in das Internet eingestellt hatte. Gegen die Verantwortlichen wird ermittelt.

Zu 2.: Die Staatsregierung geht mit einem breiten Bündel an Maßnahmen gegen Extremismus vor. Es besteht eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Schulen und Jugendbehörden, um Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und hier entgegenzuwirken. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit informiert der Verfassungsschutz durch zielgruppenorientierte Fachvorträge und die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen über allgemeine und aktuelle extremistische Entwicklungen. Die Prävention gegen Extremismus zählt seit Jahrzehnten zu den Bildungs- und Erziehungsaufgaben aller Schularten. Sie ist als fächerübergreifendes Ziel in den Lehrplänen verankert.

Detaillierte Erkenntnisse über kommunale und regionale präventive Maßnahmen liegen der Staatsregierung nicht vor.

Zu 3.: Die Anfrage bezieht sich in der Einleitung auf den politischen Extremismus. Es wird lediglich die Scientology-Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet. Auf weitere Sekten und ähnliche Organisationen wird daher im Folgenden nicht eingegangen.

Seit 2000 wurden insgesamt ca. 30 Informationsstände der Scientology-Organisation in den Landkreisen Bad und Garmisch-Partenkirchen bekannt. Zudem ist im Landkreis Weilheim-Schongau seit einigen Jahren eine Anbieterin von Nachhilfe bekannt, die der scientologischen Nachhilfeeinrichtung Applied Scholastics zuzuordnen ist.

Zu 4.: Nach dem Grundgesetz, der Bayerischen Verfassung, dem Beamtenrechtsrahmengesetz und dem Bayerischen Beamtengesetz darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung eintritt. Beamte sind verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen.

Zuständig für die Durchführung des Verfahrens zur Überprüfung der Verfassungstreue ist die Einstellungsbehörde.

Zur Konkretisierung der Verfassungstreueprüfung hat die Bayerische Staatsregierung die Bekanntmachung Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst (Verfassungstreue ­ VerftöD) vom 3. Dezember 1991 Az.: B III 3-180 6-403, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 27. November 2007 Nr. 50, S. 693) erlassen. Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Derartige Zweifel haben eine genaue Einzelfallprüfung durch die Einstellungsbehörde zur Folge, an deren Ende die Zweifel an der Verfassungstreue ausgeräumt sein müssen, um den Bewerber in ein Beschäftigungsverhältnis des öffentlichen Dienstes berufen zu können. Besteht der Verdacht, dass ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt, so prüft seine Dienststelle, ob die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen sind, um ihn zur Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten oder ihn aus dem Dienst zu entfernen.